Könnte ich in einem Labor arbeiten, in dem Tierversuche durchgeführt werden? Könnte ich jeden Tag mindestens eine Maus töten, um an ihr „Zellmaterial” zu kommen? Wahrscheinlich nicht. Trotzdem habe ich Respekt vor den Leuten, die dort arbeiten – sie verfolgen mit ihrer Arbeit einen Auftrag, haben eine Vision, sie möchten die Menschheit (wahrscheinlich) voranbringen. Und doch: Irgendwie habe ich schon lange den Verdacht, dass diese ganze Forscherei an Tieren sehr viel weniger bringt, als diejenigen glauben, die mit ihr arbeiten …
Bestärkt hat mich in meiner Einschätzung folgende aktuelle US-Studie: Da haben Forscher herausgefunden, dass Mäuse und Menschen sehr unterschiedlich auf Entzündungsprozesse reagieren. Im Mausmodell änderte sich durch eine Entzündung die Expression völlig andere Gene als beim Menschen. Während die Reaktion bei Menschen verschiedener Abstammung unabhängig von der Ursache (stumpfe Traumata, Vergiftungen oder Verbrennungen) sehr ähnlich blieb, unterschieden sich verschiedene Mausstämme sogar bei gleicher Ursache.
Mäuse sind also im Fall der Entzündungsprozesse ein schlechtes Untersuchungsobjekt – zumindest wenn man die Forschungsergebnisse danach auf den Menschen übertragen möchte. Da der allergrößte Teil der medizinischen Forschung aber genau darauf abzielt, stellt sich nun die Frage, ob man die Forschungsdaten, die aus Maus-Untersuchungen stammen, noch in anderen Gebieten in Frage stellen sollte und ob vielleicht auch andere Versuchstiere „unzuverlässige” oder „irrelevante” Ergebnisse liefern. Die Autoren der Studie wiesen selbst darauf hin, dass man sich, was die Forschung zum Thema Entzündungsreaktionen angeht nicht auf Daten aus Maus-Studien verlassen und eher auf andere Methoden zurückgreifen sollte.
Diese Studie zeigt, dass die Suche nach alternativen Methoden auch aus der Perspektive der medizinischen Forschung sinnvoll ist. Mäuse unterscheiden sich eben doch von uns und sind damit kein ideales Modellsystem, wenn man die Auswirkungen auf den Menschen erforschen möchte. Mittlerweile gibt es bereits einige Projekte, die nach alternativen Methoden suchen. Dazu gehören Projekte zur Herstellung künstlicher Haut und mit menschlichen Zellen beschichtete Biochips, die man als „Versuchskaninchen” verwendet, um potentiell kanzerogene Stoffe zu testen. Es wird sogar an Mini-Modell-Organsystemen gearbeitet, in denen Auswirkungen auf bestimmte Organbereiche getestet werden.
Mein Vorschlag: Streiten bringt nichts – am sinnvollsten wäre sicher, wenn Gegner und Befürworter von Tierversuchen sich zusammenraufen, um zusammen nach Methoden suchen, die nicht nur Tierleidfrei funktionieren, sondern auch sicher sind, was die Zuverlässigkeit der Ergebnisse angeht.
In unserer letzten Via medici-Ausgabe haben wir euch einige Alternativen zu Tierversuchen vorgestellt und berichten, wie weit die Forschung im Moment ist. Via medici Abonnenten können unter folgendem Link auf den Artikel zugreifen: Alternativen zu Tierversuchen. Zur aktuellen Via medici kommt ihr hier.