Online-Kommunikation: Interview mit Dr. Eva Baumann

Kommunizieren online

Bildhinweis: Gerd Altmann / pixelio.de

Dr. phil. Eva Baumann, Dipl.-Medienwiss., Jg. 1974, hat am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover Medienmanagement studiert und dort zur Gesundheitsrelevanz des Medienhandelns promoviert. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in der Gesundheits- und Risikokommunikation sowie in der Medienrezeptionsforschung. Ergänzt wird ihr wissenschaftliches Profil durch berufspraktische Erfahrungen in der Medien- und Kommunikationsbranche. Die Fragen stellte Alexandra Schramm, Herausgeberin des Buchs „Online-Marketing für die erfolgreiche Arztpraxis“.

Was ist das Besondere an Online-Kommunikationsstrategien in der Arzt-Patienten-Interaktion?

Da das Internet inzwischen für viele zu einer ersten Anlaufstelle geworden ist, um nach Gesundheitsinformationen und geeigneten Ärzten zu suchen, sich im Vorfeld über Therapiemöglichkeiten zu erkundigen oder sich nach einem – oftmals sehr kurzen – Arztgespräch vertiefend zu informieren, sind Online-Marketing-Strategien in dieser Hinsicht als durchaus erfolgversprechend einzuschätzen. Denn insgesamt kann denjenigen, die aktiv nach Informationen suchen, ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Eigeninitiative, Themen-Involvement und Problembewusstsein sowie eine oftmals schon bestehende Handlungsbereitschaft attestiert werden.“

Für welche Patientengruppen eignet sich Online-Kommunikation?

„Online-Kommunikation kann die persönliche Beratung und Betreuung keinesfalls ersetzen, aber sie kann die Arzt-Patienten-Beziehung sinnvoll unterstützen, stärken und ergänzen. Auch für verschiedene Angelegenheiten des Praxis-Managements (z.B. Terminvergabe) können sich Online-Medien anbieten, sofern sie gut in die sonstige Infrastruktur eingebunden sind. Wenn ein Patient mit der Praxis und dem behandelnden Arzt bereits lange vertraut ist, wird er für aktuelle Service-Informationen, zum Beispiel Praxis-Urlaube, und individualisierte Erinnerungen, etwa an Vorsorge- oder Impftermine per E-Mail, vermutlich dankbar sein. Wer jedoch nur einmal aus akutem Anlass in dieser Praxis war, könnte über plötzlichen Mail-Kontakt vielleicht sogar irritiert sein.

Ebenso bringen chronisch Kranke aufgrund ihrer langfristigen Betroffenheit und Beschäftigung mit dem Thema eine höhere Bereitschaft mit, online-basierte Betreuungsangebote wahrzunehmen, die vielleicht auch mal einen Gang zum Arzt einsparen helfen. Auch Online-Newsletter bieten sich eher für diese Zielgruppe an. Gerade für Patienten mit Erkrankungen, die besonders schambesetzt und tabuisiert sind, kann die online-vermittelte Kommunikation mit dem Arzt attraktiv sein, da sie sich beispielsweise auf der Website ein umfassendes Bild machen können, ohne gleich in persönlichen Kontakt treten zu müssen.“

Für welche Ärzte eignet sich eine Online-Marketing-Strategie?

„Auch wenn in Online-Marketing-Maßnahmen für Arztpraxen grundsätzlich durchaus Potential zu sehen ist, eignen sich die Strategien sicher nicht für alle Ärzte in gleicher Weise. Für einen niedergelassenen Facharzt, der sich auf bestimmte Behandlungsfelder spezialisiert hat und der nur zu wenigen Anlässen von Patienten aus einem größeren regionalen Umfeld aufgesucht wird, ist es besonders wichtig, umfassende Informationen zum Behandlungsspektrum auf der Website anzubieten, um eine Vorab-Information zu erleichtern. Auch ist seine Präsenz in Expertenforen und renommierten Fachmedien – online ebenso wie offline – wichtig, um seine Kompetenzfelder zu unterstreichen und von Kollegen und Patienten empfohlen zu werden.

Ein Hausarzt in ländlichen Gebieten hingegen wird vermutlich insgesamt weniger von einem umfassenden Online-Marketing profitieren, weil hier der langjährige Kontakt mit den Menschen vor Ort und die persönlichen Empfehlungen einen höheren Stellenwert haben. Die Website der Praxis sollte hier eher die persönliche Seite der Praxis und den lokalen Bezug bzw. die Nähe zu den Patienten in den Vordergrund stellen.

Gleichzeitig spielt die demographische Struktur der Patienten eine Rolle, weil unterschiedliche Patientengruppen gegenüber Neuen Medien bzw. hierüber bereitgestellten Gesundheitsinformationen recht unterschiedlich aufgeschlossen sind. Ein Arzt mit einem großen Anteil älterer und bildungsferner Patienten, die tendenziell weniger Gesundheitsbewusstsein und -interesse zeigen, aber gleichzeitig oft besonders große Gesundheitsprobleme haben, sollte daher andere Strategien wählen als beispielsweise eine Frauenärztin, die viele junge Paare mit Kinderwunsch in einer Großstadt betreut.“

Passen neue Medien wie Blog, Twitter oder YouTube überhaupt zur Arzt-Patienten-Kommunikation?

„Welche Informations- und Dialogangebote über welche Kommunikationskanäle in welchem Umfang gemacht werden, sollte von der Zweckmäßigkeit und Bedarfsgerechtigkeit abhängen und auch unter Effizienzgesichtspunkten beurteilt werden. Würde sich beispielsweise der Aufwand eines eigenen Blogs überhaupt lohnen? Wen wollte man mit welchen Inhalten ansprechen, und was sollte hiermit konkret erreicht werden? Gleichzeitig ist stets zu bedenken, welche Formen der Veröffentlichung überhaupt zulässig sowie medizinisch und ethisch vertretbar sind bzw. zur Vertrauensbildung und Stärkung der Reputation der Praxis oder des einzelnen Arztes beitragen. Bei aktuellen und spannenden Themen aus dem Praxis-Alltag handelt es sich sicher nicht um Informationen, die ‚gezwitschert‘ werden dürften oder sollten. Ob einzelne Web-2.0-Angebote also zur Arzt-Patienten-Kommunikation passen, hängt letztlich davon ab, ob Patienten diese Anwendungen für die Suche nach einer Praxis oder die Information über einen Arzt nutzen oder nutzen würden. Hier ist das Potential derzeit als eher begrenzt einzuschätzen, da sich Patienten in erster Linie Suchmaschinen bedienen oder spezifische Gesundheits-, Arzt- und Medizinportale aufsuchen. Einzelne Praxis-Videos sind zwar inzwischen auch auf YouTube zu finden, wenn solche Maßnahmen aber nicht in eine übergeordnete Marketingstrategie eingebunden sind, ist die Wirksamkeit solcher Initiativen eher gering.“

Können Ärzte auch ohne Online-Kommunikationsmaßnahmen erfolgreich sein?

„Sicher können Ärzte auch ohne Online-Kommunikation erfolgreich sein, aber sie können die Beziehungsqualität zu ihren Patienten und damit ihre ärztliche Leistung hierdurch unterstützen und optimieren. Angesichts der zunehmend angespannten wirtschaftlichen Lage im Gesundheitssystem, die sich auch auf den Spielraum der medizinischen Versorgungsleistungen auswirkt, können sinnvoll eingesetzte mediengestützte Formen des Dialogs mit dem Patienten sogar zu einer Effizienzsteigerung beitragen. Da es nicht zulässig ist, für die eigenen Leistungen offensiv zu werben, können sich Ärzte über attraktive und moderne Informations-, Service- und Dialogangebote von ihren Kollegen abheben und so einen Wettbewerbsvorteil generieren. Hinzu kommt, dass dem Internet eine weiterhin steigende Bedeutung für die Information über Gesundheit und Krankheit sowie für die Suche nach geeigneten Ärzten und Therapeuten beigemessen wird, wodurch die Präsenz im Netz auch für Ärzte noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Schließlich ist zu prognostizieren, dass künftige Generationen mit Online-Medien in weit höherem Maß vertraut sein werden, was heute noch teilweise bestehende Berührungsängste minimieren wird. Zunehmend mobile Patienten werden moderne, individualisierte und flexible Dialogangebote vermutlich verstärkt schätzen oder gar erwarten.

Eine erfolgreiche Online-Kommunikation setzt in jedem Fall voraus, dass der Arzt die Bedürfnisse und Interessen seiner (potentiellen) Patienten kennt bzw. in Erfahrung bringt, nur solche Dialogangebote macht, die er auch einhalten kann, und seine Informationen im Netz kontinuierlich pflegt und aktualisiert.“

Dieses Interview sowie weitere Tipps, Checklisten und wertvolles Hintergrundwissen finden Sie im Praxishandbuch „Online-Marketing für die erfolgreiche Arztpraxis“ der MbMed-Autoren Alexandra Schramm (Hrsg.) und Mirko Gründer. Zudem gibt es eine Version speziell für Zahnärzte und eine weitere für PR- und Managementmitarbeiter aus dem Krankenhaus.

Mehr zum Inhalt und Leseproben finden Sie hier:

für Ärzte: www.springer.com/978-3-642-25146-7

für Zahnärzte: www.springer.com/978-3-642-25337-9

für Kliniken: www.springer.com/978-3-642-29226-2

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