Das weiße Zeug da draußen ist endlich weg. Stattdessen blühen in den Vorgärten endlich die ersten Krokusse. Den Weg zur Arbeit lege ich inzwischen im Hellen zurück und das Innenfutter aus der Winterjacke habe ich letztens waghalsigerweise herausgeknöpft. Vögel zwitschern und der Pförtner hat mir ein fröhlich-beschwingtes “Guten Morgen” zugerufen. Sogar der Kaffeee hat heute richtig frisch geschmeckt.
Herr Schrothenkorn steht splitternackt vor mir in seiner ganzen fünfundachtzigjährigen Pracht.
Ich hocke tief gebückt vor ihm und versuche, die Leistenbruch-Fäden aus ihm heraus zu operieren. Der Chirurg wollte es besonders schön machen und hat daher besonders dünnes Nahtmaterial verwendet und einmal der Länge nach so durch die Haut gezogen, dass es beim Versuch des Entfernens sofort abreißt, was zur Folge hat, dass ich die einzelnen Fragment mühsam herausprokeln muss.
Meinem Patienten scheint das alles nichts auszumachen. Gleichmütig schaut er aus dem Fenster. Dann schaut er auf mich herunter und schüttelt den Kopf.
“Geht’s Doktor?”
Klar geht’s! Gehen tut immer. Geht nicht gibt’s nicht in unserem Job.
Herr Schrothenkorn greift nach seiner Körpermitte um die störenden Körperteile mit der Hand aus meinem Weg zu schaffen.
Wirft einen nachdenklichen Blick auf sein bestes Stück und schüttelt erneut den Kopf.
“Hat ja schon eine Menge erlebt, der Gute!”
Wie bitte?
Fast wären mir Pinzette und Fadenmesser aus der Hand gefallen.
“Damals im Krieg,” fährt er fort, “Die Franzöinnen…”
Ach ja?
Herr Schrothenkorn schaut wieder aus dem Fenster.
“Wird Frühling!” sagt er nachdenklich.