(P. Köhler) Die Frage, welches bildgebende Verfahren gleichzeigt maximal aussagekräftig, strahlensparsam und kostengünstig ist, ist im Einzelfall gar nicht so einfach zu beantworten; sie stellt gewissermassen unser Äquivalent zum physikalisch unlösbaren Dreikörperproblem dar. Zudem sind nicht überall und zu jeder Tag- und Nachtzeit alle möglichen Verfahren erreichbar. Und auch die eigene Absicherung vor Fehlern ist wichtig: "Von Intuition getragene Indikationsstellungen werden nicht selten von defensiven Strategien beeinflusst" (Pärtan 2008). Besonders die Kinderradiologie ist in diesem Spannungsfeld schwierig.
Zuweisende Ärzte können sich bei der Auswahl auf ihre eigene Fachkenntnis stützen und zudem die wissenschaftlichen Leitlinien ihrer Fachgebiete heranziehen, die immer auch Empfehlungen zu den bildgebenden Untersuchungen enthalten.
Es gibt jedoch auch fachübergreifende Leitlinien für die Zuweiser der Radiologie, die zur schnellen Orientierung geeignet sind. Sie werden extrem aufwändig, interdisziplinär unter Mitarbeit vieler Fachgesellschaften erstellt und erreichen deshalb bisher nur die formalen Qualitätsstufen 1 und 2.
Außerdem haben viele Anbieter und Autoren Handreichungen veröffentlicht, die keinen formalen Evidenzgrad haben, etwa hier oder hier.
Einige interessante Zuweisungsleitlinien habe ich hier herausgesucht:
Zuweisungsleitlinien des AWMF-Qualitätsniveaus S1:
⇒ Leitlinen Pädiatrische Radiologie der österreichischen Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (o. Datum, alle vor 2007)
z.B. "leichtes Schädelhirntrauma beim Kind" (GCS 15-13, ein-/mehrmaliges Erbechen und/oder initiale Bewußtseinsstörung / retrograde Amnesie, sonst keine neurologischen Symptome): initial keine Bildgebung, aber stationäre Beobachtung.
⇒ „Orientierungshilfe Radiologie“ der Österreichischen Röntgengesellschaft (Stand 2011)
z.B. "akuter unkomplizierter Kreuzschmerz" ohne Red-flags: Alter 20-55, keine Paresen/Gefühlsstörungen, Anamnese ohne Tumor/HIV/Drogen/Rheuma/Osteoporose, kein Unwohlsein/Fieber/Gewichtsverlust, kein Unfall, Schmerz nimmt in Ruhe nicht zu): keine Bildgebung.
⇒ Orientierungshilfe für bildgebende Untersuchungen: Empfehlung der Strahlenschutzkommission (2010)
z.B. "Nackenschmerzen, Brachialgie": Röntgen, dann MRT in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik. Degenerative Veränderungen oft ohne Korrelation zu den Symptomen.
Leitlinien des Qualitätsniveaus S2:
⇒ Appropriateness Criteria® des American College of Radiology (zuletzt aktualisiert im Februar 2013)
z.B. "Knochendichtemessung": Frauen in der Menopause, Frauen jeden Alters und Männer >20 J. mit Risikofaktoren, Verlaufskontrolle bei bekannter Osteoporose.
⇒ Leitlinien für die Überweisung zur Durchführung von Bild gebenden Verfahren der Europäischen Kommission, 2010. (Kurzfassung; Langfassung in Buchform: Europäische Kommission, Generaldirektion Umwelt: Leitlinien für die Überweisung zur Durchführung von Bild gebenden Verfahren. Amt für amtl. Veröff. der Europ. Gemeinschaften, 2000. ISBN 9282894525)
z.B. "akute oder schwere Kopfschmerzen": CCT, in speziellen Fällen cMR.
—-
Literatur: G. Pärtan, F. Kainberger, F. Frühwald: Überweisungsleitlinien in der bildgebenden Diagnostik. Der Radiologe 2008/3; DOI: 10.1007/s00117-008-1618-9