Dies ist eine Antwort eines Herstellers von medizinischer Software auf die Frage, ob sein Produkt ein Medizinprodukt sei. Aber der Reihe nach…
Ich habe Montag und Dienstag Vorlesungen für Studenten der Medizintechnik gehalten. Dabei standen die Themenblöcke Risikomanagement nach DIN EN 80001-1, Software als Medizinprodukt und Medical-IT-Security im Fokus. Da ich reinen Frontalunterricht nicht mag, gab es auch einen praktischen Arbeitsblock in Kleingruppen. Die Studenten sollten das Gehörte nun anwenden.
Jede Gruppe erhielt von mir den Namen eines Softwareprodukts und die zugehörige Firma. Folgende Aufgaben wurden dann an die Gruppen gestellt:
- Recherchieren Sie zu dieser Software im Internet!
- Wo wird sie eingesetzt? Wer sind die Anwender?
- Welche grundlegende Funktionen hat die Software?
- Ist die SW nach Ihren gefundenen Informationen (Zweckbestimmung) ein Medizinprodukt oder nicht? Warum?
- Welche Risiken bestehen aus Ihrer Sicht beim Einsatz dieser Software?
- Formulieren Sie aus den von Ihnen gewonnenen Informationen, eine Zweckbestimmung (so wie Sie das System verstanden haben!).
- In welche Risikoklasse würden Sie das System klassifizieren?
- In welche Risikoklasse hat der Hersteller sein System klassifiziert?
Die Ergebnisse waren für die Studenten sehr überraschend. Werben doch einige Hersteller auf Ihrer Website mit Funktionen, die ganz klar in den Regulationsbereich des Medizinproduktegesetzes (MPG) fallen. Die Risikoklassifikation der Gruppen fiel oft in den Bereich IIa.
Dann griffen die Gruppen zum Telefon und riefen die entsprechenden Hersteller an. Denn oft war vom Medizinprodukt auf der Hompage nichts zu lesen oder lediglich die Absicht, dies als solches in Zukunft in den Markt zu bringen.
Die Reaktionen der Hotline-Mitarbeiter waren sehr unterschiedlich. Oft wusste man keine Antwort auf die Frage, bot aber eine interne Rückfrage an. Beim o.g. Hersteller war die Frage nach dem Medizinprodukt jedoch eher unbequem. Laut Hersteller würde man auf diese Frage am Telefon keine Antwort geben. Man könnte sie ja noch einmal schriftlich stellen. Auch könnte man den Anrufer nicht intern an jemanden weiter verbinden , der dies beantworten könnte. “Nennen Sie es nicht Medizinprodukt! Nennen Sie es einfach Software!”.
Es handelte sich dabei um eine Spezialsoftware zur medikamentösen Therapieplanung und Dosierungsberechnung.
Die Frage die danach natürlich im Vorlesungsraum stand: “Darf der Hersteller mit solchen Funktionen werben und dann das Produkt als Nicht-Medizinprodukt vertreiben?”
Was würden Sie antworten?