Ich habe seit neuestem eine Kollegin in der Praxis.
Die Wahl war: Bis zum Umfallen arbeiten und meine Kinder erst wieder zum Abifest wieder einmal sehen, oder meinen feudalen Lebensstil verlassen, auf zweimal im Jahr Malediven verzichten, mir die Midlife-Corvette abschminken und dafür lieber jemanden anstellen. In Deutschland darfst Du ja keine zweite Zulassung haben, wenn die KV verfügt, dass der Landkreis übervölkert mit Kinderärzten sei. Also geht nur Anstellung.
Frau Reus ist erfahrene Kollegin, bereits oberärztlich im benachbarten Oberstelzen tätig gewesen, dann zwei Kinder bekommen und beschlossen, Dienststress und Chefarzt-angepampe brauche sie für ihr mütterliches Seelenheil nicht. Ich kannte sie von ein paar Telefonaten mit der Klinik, von Fortbildungen, wir kamen ins Gespräch und ratzfatz war sie eingestellt. Zunächst mal in Teilzeit, wir sehen einmal, was draus wird.
Spontanäußerungen der Patienten:
“Wann kommt denn der Arzt?” – ein Klassiker für viele weibliche Kollegen. Variante: “Sind Sie die Schwester?”
“Kann dann Herr kinderdok nochmal nachschauen, ob das auch richtig ist, was Sie da aufschreiben?” – Frau Reus hat zehn Jahre Berufserfahrung!
“Wer sind denn Sie? Sie können gleich wieder gehen – wir gehen nur zu Herr kinderdok…” – der dann den einsamen roten Fleck auf der rechten Schulter begutachten darf, Diagnose: Mückenstich.
“Können Sie überhaupt impfen? Das macht man doch in der Klinik gar nicht.”
“Ach, Sie haben Kinder? Und die sind jetzt alleine zuhause?” – “Äh, nein? Bei ihrem Vater?” – “Ach, dann sind Sie wohl getrennt?” etc.
Das ließe sich beliebig fortsetzen.
Klar bin ich der Chef im Laden, das ergibt sich alleine daraus, dass mein Name auf dem Schild steht. Und trotzdem: Es ist erstaunlich, wieviele Eltern sich mit einem Mal zieren, sich von der angestellten Kollegin versorgen zu lassen, obwohl sie im Notdienst oder am Feiertag zu jedem x-beliebigen russischen Urologen Aushilfsmediziner in der Notfallpraxis springen würden. Schauen wir mal, wie das weitergeht – schließlich soll Frau Reus nicht nur die akuten Fälle versorgen, sondern sich auf Dauer in meiner Praxis einen eigenen Patientenstamm aufbauen – beginnend mit den U3s bei den Neugeborenen, die sie dann weiterversorgt durch die Vorsorgen, Impfungen und Beratungen.