In einem DDR-Krankenfahrstuhl macht sich Kai Bagus heute auf den Weg von Freiburg nach Wladiwostok. 20.000 Kilometer wird der 47-jährige Rentner mit diesem Fahrzeug zurücklegen. Selbst HIV-positiv, möchte er die Tour nutzen, um auf HIV und Aids aufmerksam zu machen. Im Rahmen von „Kilometer-Patenschaften“ sammelt er Spenden für ein Hilfsprojekt in Odessa. Christina Laußmann sprach mit ihm über die außergewöhnliche Aktion.
Kai, in einer Woche geht’s los. Was geht dir jetzt im Kopf herum?
Ich habe noch viel zu erledigen. Es wird noch mal der Motor gewechselt, dann muss ich packen und dabei wirklich genau gucken, was ich alles mitnehme. Ein paar Dinge in der Wohnung und im Garten muss ich noch organisieren. Einen Termin bei der Bank habe ich auch noch. Ansonsten freue ich mich einfach auf Sonntag, weil es dann endlich losgeht.
Nun nimmst du nicht den Zug und fährst auch nicht mit dem Auto, sondern du bist mit einem ganz ungewöhnlichen Fahrzeug unterwegs. Was ist das für ein Gefährt?
Das ist eine Krause Duo, viele sagen auch Simson Duo, ein Krankenfahrstuhl aus der DDR. Aber der ist nicht vergleichbar mit einem Rollstuhl, wie wir ihn sonst so kennen. Er hat drei Räder, einen Zweitaktmotor und fährt knapp 60 Spitze. Ich habe mir die Duo vor ein paar Jahren mal gekauft – einfach weil ich’s schön fand und ich mit dem Fahrzeug mobil bin. Ein Auto kann ich mir nicht leisten, und ich habe auch keinen Führerschein für ein Auto. Da ist das genau das richtige Fahrzeug für mich.
Hilfe für HIV-positive Straßenkinder
Mobil sein ist das Eine. Jetzt willst du aber mit deiner Duo 20.000 Kilometer bis nach Wladiwostok zurücklegen. Wie bist du denn auf diese Idee gekommen?
Ich wollte schon immer mal durch Sibirien fahren, weil mich das Land einfach interessiert. Ich war letztes Jahr mit meiner Duo 6.000 Kilometer in Frankreich unterwegs. Eigentlich hatte ich für dieses Jahr eine Mittelmeerfahrt geplant. Ich war auf Google Maps und bin dann irgendwie an die Maus gestoßen. Die Karte verkleinert sich plötzlich, und dann sehe ich dahinten in der Ecke Wladiwostok. Aus Spaß habe ich einfach mal eingegeben: Freiburg – Wladiwostok, Autobahnen und Mautstraßen vermeiden. Das Ergebnis waren 12.078 Kilometer als direkter Weg.
Eine enorme Strecke für einen alten Krankenfahrstuhl.
Sie erschien mir in diesem Moment gar nicht mehr so lang. Und dann habe ich eben geguckt, ob es überhaupt möglich ist, dass ich mit diesem Fahrzeug diese Strecke zurücklegen kann. Ich habe Globetrotter-Treffen besucht, Leute getroffen, die den Weg mit einem anderen Fahrzeug schon gefahren sind. Ich will sogar noch einen Abstecher in die Mongolei machen. Insgesamt werden es dann um die 20.000 Kilometer sein. Ich schätze, dass ich ungefähr Mitte August in Wladiwostok ankommen werde.
Abgesehen von diesem geografischen Ziel, was möchtest du mit deiner Reise erreichen?
Ich möchte damit das Thema HIV und Aids in den Vordergrund rücken – und das mal mit einer anderen Aktion als einer Plakat-Kamapgne. Und ganz direkt möchte ich ein bestimmtes Hilfsprojekt unterstützen, „The Way Home“ in Odessa. Das unterstützt unter anderem HIV-positive und aidskranke Straßenkinder in Odessa. Davon gibt es viele.
“Die kranken Menschen leben dort teilweise in Ruinen”
Wie bist du auf dieses Hilfsprojekt gekommen?
Ich habe mir gedacht, wenn ich diese Tour mache, dann bleibt das nicht unbemerkt, dann kommen sicherlich auch die Medien auf mich zu. Ich möchte diese Aufmerksamkeit nutzen. Und ich als HIV-Positiver – was liegt da näher, als dieses Thema aufzugreifen? Ich habe dann mit der Caritas International Kontakt aufgenommen. Die haben mir ein paar Projekte vorgestellt, die sie selber unterstützen, darunter auch dieses. Ich werde es auf meiner Fahrt natürlich auch besuchen.
Was weißt du bisher über die Situation vor Ort?
Die ist richtig schlimm. Ich habe einen TV-Bericht gesehen und war schockiert. Die Menschen leben teilweise in Ruinen. Es sieht aus wie nach dem Krieg. Viele Kinder und Erwachsene haben große Drogenprobleme. Sergej Kostin, der das Projekt ins Leben gerufen hat, versucht, das Leid ein bisschen zu mindern. Er hat verschiedene Anlaufstellen geschaffen, ist selbst auch positiv und hat lange auf der Straße gelebt. Dass er so etwas auf die Beine stellt, finde ich außergewöhnlich.
Wie kann man dich bei deiner Aktion unterstützen?
Eine wichtige Hilfe für die Aktion wäre, die Geschichte öffentlich zu machen. Für „The Way Home“ biete ich Kilometer-Patenschaften an. Jeder hat die Möglichkeit zu spenden – ein Kilometer, ein Euro. Ich hoffe, dass eine Menge reinkommt!
Deine Probefahrt hast du wegen schlechten Wetters verschoben. Nun wird dir auf deiner Reise sicherlich auch die eine oder andere Schlechtwetterfront begegnen. Wie bist du darauf vorbereitet?
Ich wollte die Probefahrt über Ostern machen, nur war da ja noch tiefster Winter – mit Schneefall und allem! Davon ist nicht auszugehen, wenn ich jetzt an die Schwarzmeerküste fahre. Wenn ich unterwegs bin und es ist mal richtig blöd läuft mit dem Wetter, dann mache ich halt einen Tag Pause und suche mir ein Zimmer in einer Pension.
“An einem Zweitakter kann nicht viel kaputt gehen”
Und was hast du an Ausrüstung dabei?
Über mein Fahrzeug kann ich ein Verdeck machen. Dann habe ich eine Campingausrüstung im Gepäck. Das Wetter soll zu der Zeit in Sibirien sehr gut sein, richtig stabiles kontinentales Klima, wenig Niederschlag. Auch in Sibirien wird es im Sommer richtig warm!
Und was machst du, wenn deine Duo unterwegs den Geist aufgibt?
Erst mal gucken, woran das liegt. Ersatzmotor und Ersatzteile habe ich dabei. Entweder kann ich es selber richten oder ich muss jemanden finden, der mir dabei hilft. Ich fahr ja nicht durch eine total verlassene Gegend. Hinterm Baikalsee wird es ein bisschen ruhiger, oder mal zwischen zwei großen Städten – aber insgesamt: Das wird klappen! Bei einem Zweitakter kann nicht so viel kaputt gehen.
Das klingt alles sehr gelassen. Hast du gar keine Angst oder Bedenken?
Nö, dann würde ich nicht fahren. Es ist nicht davon auszugehen, dass alles hundertprozentig klappt. Es wird mit Sicherheit unterwegs Schwierigkeiten geben – keine Frage. Aber wenn ich jetzt schon davor Angst hätte, dann sollte ich am Sonntag besser zu Hause bleiben.
“Ich möchte Positiven Mut machen, offen mit ihrer Infektion umzugehen.”
Wie kann man dich denn von zu Hause aus auf deiner Reise im Auge behalten?
Auf meiner Facebook-Seite „Duo auf Reisen“ kann man mich begleiten. Ich habe einen Laptop mit und werde zwischendurch immer mal wieder was posten. An meiner Duo habe ich einen GPS-Tracker. Auch wenn ich mich mal nicht melde, wird man sehen, wo ich gerade bin.
Noch mal zurück zu den Zielen: Welches ganz persönliche Ziel verfolgst du mit dieser Reise? Was treibt dich an?
Mein ganz persönliches Ziel ist, in Wladiwostok anzukommen – und das eben mit diesem Fahrzeug zu schaffen. Ich will das einfach machen. Das ist ein Traum! Und dann kommt noch dazu, dass ich als HIV-Positiver Gesicht zeigen möchte. Seit ich mich geoutet habe, waren meine Erfahrungen durchweg gut. Ich möchte Positiven Mut machen, ebenfalls offener mit ihrer Infektion umzugehen. Ich hoffe, dass ich auf diesem Weg was bewegen kann.
Lieber Kai, wir wünschen dir eine gute und erfolgreiche Reise!
Facebook-Seite „Duo auf Reisen“
Beitrag auf der Seite der Caritas
TV-Bericht aus Planetopia (Sat1)