Warum mechanistische Analogien mit der menschlichen Psyche meistens falsch sind

Im Versuch, die Funktion der menschlichen Psyche zu begreifen, werden oft mechanistische Analogien mit einfachen Maschinen herangezogen. Diese sind griffig, aber meistens falsch. Einige gängige sind:

Der Druck hatte sich so weit aufgebaut, es musste zur Explosion kommen

Dies stimmt für Dampfkessel ohne Überdruckventile. Die menschliche Psyche ist anders. Sie hat eben doch meist sehr viele ganz unterschiedliche Überdruckventile und Menschen sind normalerweise in der Lage, Anspannung sehr wohl auch graduiert abzubauen. Es muss nicht notwendigerweise zur Explosion kommen, auch wenn vieles zusammen kommt.

Ich habe diese Erinnerung abgespeichert

Das würde sich jeder Richter von seinen Zeigen wünschen, aber Menschen sind nicht besonders gut darin, sich Dinge genau so zu merken, wie ein Computer, der ein Dokument abspeichert. Tatsächlich erinnern wir uns regelmäßig an ein Konglomerat aus verschiedenen Sinneseindrücken, also optischen, akustischen, olfaktorischen und taktilen Sinneseindrücken. Natürlich konstruieren wir uns auch eine abstrahierte verbale Beschreibung von Geschehnissen, an die wir uns ebenfalls erinnern. Die Prozesse des Merkens und des Erinnerns sind jedoch sehr störanfällig und unterliegen oft ausgedehnten Verzerrungen, Ergänzungen und Verlusten.

Erlebnisse müssen "verarbeiten" werden

Verarbeiten muss man anfallenden Kompost, Kartoffeln für das Abendessen und manchmal Rohstoffe zu Endprodukten. Erlebnisse kann man auch akzeptieren, verdrängen, gut finden, manchmal dran denken oder einfach so stehen lassen, wie sie sind. Es kann sinnvoll sein, sich Zeit zu nehmen, einen Weg auszutüfteln, mit etwas umzugehen. Muss man aber nicht immer. Das Ereignis bleibt nicht wartend liegen, bis man es "verarbeitet" hat.

Die Luft ist raus

Ist sie nicht. Gerade wenn man erholungsbedürftig ist, kann es gut sein, dass man viel Kraft hat, schwimmen, feiern und quatschen zu gehen. De Psyche ist eben kein Reifen. Sie hat in jeder gegebenen Situation mehr Spielraum als "voll" und "leer".

Er hat einen Knacks weg

Hat er nicht. Er ist ja kein Stück totes Holz. Die Psyche kann sich auch nach "Verletzungen" wieder vollständig regenerieren.

Ich habe ja Verständnis für vereinfachende Bilder. Aber sie vereinfachen regelmäßig die gesunde Vielschichtigkeit des menschlichen Reaktionsvermögens. Dadurch verstellt man sich oft den Blick auf heilsame Ressourcen. Und das ist nicht gut. Ich bin daher immer skeptisch, wenn ich eine mechanistische Beschreibung psychischer Vorgänge höre und überlege mir jedes Mal, welche Alternative man hier ausblendet, die tatsächlich möglich sein könnte.

Welche Bilder kennt Ihr, die Euch stören und die den Blick für alternative Sichtweisen verstellen? Schreibt sie in die Kommentare!

Einsortiert unter:Psychologie, Psychotherapie Tagged: Analogien, psyche

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