Hierzu ein Beispiel von einem Betroffenen:
Meine erste Begegnung mit dem Jobcenter gestaltete sich recht sonderbar. Wurde ich doch ernsthaft gefragt, warum ich denn arbeiten wolle. Ich sei doch behindert und könne wunderbar von der Grundsicherung leben und solle es mir daher gründlich überlegen. Ich überlegte – gründlich – und revanchierte mich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde. War das gründlich genug? Bereits während meines Jurastudiums musste ich feststellen, dass mir die Materie nicht wirklich Freude bereitete, aber ich kämpfte mich durch und erwarb dann einen Abschluss mit einem sogar überdurchschnittlichen Resultat. Er sollte mir helfen, meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Und dann so was!
Meine Bewerbungen auf dem freien Arbeitsmarkt verliefen alle erfolglos. Durch eine Beziehung durfte ich immerhin ein Praktikum als Lektor absolvieren. Das Jobcenter bewilligte mir vier Wochen, in denen es den Fahrdienst zahlen würde, der den Weg zum Arbeitsplatz und nach Hause sicherstellen sollte. Wenn man bedenkt, dass ein Praktikum üblicherweise mindestens sechs Monate und länger dauert, fühlte ich mich erneut diskriminiert.
Inklusion? Nicht mehr als eine Farce.
Teilhabe am Arbeitsleben? Bloß nicht. Für das Jobcenter war mein Weg ohnehin vorgezeichnet. Ich müsse eine juristische Laufbahn einschlagen, denn schließlich habe ich das auch studiert. Meine Bedürfnisse und Wünsche spielten keine Rolle. Nein, ich solle mich bei Behörden bewerben. Da finden sich so viele von meinesgleichen, da fühle ich mich doch bestimmt am wohlsten…
Ich habe mir also selbst einen Job geschaffen. Seit 2011 bin ich als freier Lektor tätig. Lesen und schreiben war mir stets ein Hochgenuss. Aber es reicht natürlich finanziell immer noch nicht, um über die Runden zu kommen. Vor kurzem habe ich einen Lehrgang als Budgetberater für das Persönliche Budget mit einem Zertifikat abgeschlossen. Ein bisschen Jura ist ganz okay, aber bitte nicht zu viel davon. Der Anspruch auf ein Persönliches Budget besteht seit 2008. Banal ausgedrückt handelt es sich dabei um die Umwandlung einer Dienst- und Sachleistung in eine Geldleistung. Der Behinderte kann auf diese Weise selbst bestimmen, wer für ihn tätig wird. Ich bin nun als freier Mitarbeiter bei taktilum – Jobvermittlung für Menschen mit Behinderung tätig. Bislang stehen wir mit dem Persönlichen Budget noch am Anfang. Aber ich freue mich, diese Chance bekommen zu haben.
Wenn ich als Rollstuhlfahrer, der ich nun mal bin, durch die Straßen Berlins ziehe, sehe ich häufig ein Schild an der Hauswand eines Geschäfts. Darauf abgebildet ein Hund mit den Worten: „Wir müssen draußen bleiben.“ Wenn ich dann die Eingangsstufen betrachte, die ich nicht überwinden kann, fühle ich mich wie der Hund, denn auch ich muss draußen bleiben.
Inklusion? Nicht mehr als ein schlechter Witz.
Auf dem evangelischen Kirchentag in Hamburg hatte unser Bundespräsident Joachim Gauck geäußert: „Behinderte sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft.“ Nur allzu gern würde ich diesen Worten Glauben schenken, sehe es aber derzeit noch lange nicht. Ich bin ein Teil dieser Gesellschaft. Ob man dieses nun akzeptieren mag oder nicht. Aber ich fühle mich noch nicht zugehörig.
Ich möchte, dass die Barrieren im Kopf verschwinden. Möchte als Mensch wahrgenommen und nicht als Problem definiert werden. Ich wünsche mir, dass man nicht über uns, sondern mit uns redet. Gemeinsam Lösungen für die Bewältigung alltäglicher Probleme findet und nicht verächtlich die Nase rümpft. Ich wünsche mir Gespräche auf Augenhöhe und nicht von oben herab. Ein aufeinander Zugehen anstatt sich zu ignorieren.
Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung.