Augen zu und durch! – Ergebnisse des Coaching-Projektes „Führungshilfe“ für niedergelassene Ärzte

Ausgangssituation: Die Mitarbeiterführung ist die zentrale Steuerungsgröße des Praxiserfolges, denn die meisten im Arbeitsalltag auftauchenden Probleme resultieren aus einem unzureichenden oder falschen Führungsmanagement. Aufgrund dieser Erfahrung aus Praxisanalysen wurde das Coaching-Projekt „Führungshilfe“ gestartet. Sein Ziel ist, Praxisinhaber zu unterstützen, problematische Führungssituationen besser zu bewältigen.
Untersuchungsdesign: Seit Beginn der Aktion gingen mehr als 2.000 Anfragen ein, die einen detaillierten Einblick in die Führungsrealität deutscher Arztpraxen geben. Da es sich um qualitative Beschreibungen handelt, sind sie nur bedingt statistisch auswertbar, können aber nach Themen- und Problem-Clustern systematisiert werden.
Auswertungsergebnisse: Insgesamt belegen die Anzahl der Anfragen sowie die Art und Ausführlichkeit der Schilderungen, dass die Mitarbeiterführung das zentrale Problem in Arztpraxen ist und auf diesem Gebiet ein hoher „Leidensdruck“ besteht. In vielen Anfragen werden Hilflosigkeit und Überforderung deutlich. Unterstrichen wird diese Situationsanalyse auch durch Anfragen des Parallel-Projektes „Kummerkasten“ für Medizinische Fachangestellte, die die Thematik aus Sicht der Praxismitarbeiterinnen widerspiegeln. Dieses Ergebnis ist allerdings nicht verwunderlich, zeigen doch wiederum Praxisanalysen, dass niedergelassene Ärzte durchschnittlich nur 49% der für einen ausgewogen funktionierenden Praxisbetrieb notwendigen Führungsinstrumente einsetzen, also 51% unausgeschöpft bleiben. Die Anfragen der Praxisinhaber bezogen sich auf folgende Problemkreise (Mehrfachnennungen):
– Mangelnde Motivation der Mitarbeiterinnen
(73%) Die Ärzte beklagten eine fehlende Leistungsbereitschaft ihres Personals. Zeitweise anfallende Zusatzarbeiten und Überstunden würden nur unwillig übernommen und absolviert, zu erledigende Aufgaben nur halbherzig ausgeführt und „Dienst nach Vorschrift“ geleistet.
– Teamkonflikte (67%)
An zweiter Stelle folgen Beschreibungen von meist seit längerem bestehenden Spannungen zwischen einzelnen Mitgliedern oder einzelnen Gruppen des Teams. Besonders häufig wird berichtet, dass länger in der Praxis arbeitende Mitarbeiterinnen neue, die ihnen vorgesetzt werden, nicht akzeptieren oder dass Erstkräfte neuen Kolleginnen die Arbeit erschweren.
– Schlechtes Betriebsklima (59%)
Hierunter fallen Schilderungen von gespannter Atmosphäre und schlechter Stimmung innerhalb der Teams. Ebenso wird ein unfreundlicher Umgang miteinander skizziert, der auch den Patienten auffällt. Hinzu kommt eine grundsätzlich negative Arbeitseinstellung.
– Mangelnde Fortbildungsbereitschaft (54%)
Immer wieder wird von den Anfragern auf die geringe Bereitwilligkeit des Personals verwiesen, an
Fortbildungen, auch außerhalb der Praxis, teilzunehmen
– Ablehnung von Veränderungen und Neuerungen (52%)
Fast ebenso häufig wird auf eine demonstrative „Resistenz“ gegen Veränderungen im Arbeitsablauf, der Aufgabenverteilung oder gegen die Einführung neuer Arbeitstechniken hingewiesen. Das notwendige Aufbrechen eingefahrener Routinen und etablierter Positionen, beispielsweise im Rahmen von Qualitätsmanagement-Maßnahmen, gestaltet sich deshalb äußerst schwierig.
– ​Geringe Arbeitsqualität (46%)
Auch die Arbeitsqualität steht im Focus der Kritik, insbesondere die Aneinanderreihung von Flüchtigkeitsfehlern, die aus Nachlässigkeit entstehen sowie ständige gegenseitige Schuldzuweisungen der Teammitglieder.
– Unfreundlicher Umgang mit Patienten (42%)
Hier kennzeichnen barsche Zurechtweisungen, das Ignorieren von Patienten z. B. am Empfang, ein ruppig-abweisendes Verhalten sowie Privatunterhaltungen in Gegenwart von Patienten das von den anfragenden Ärzte skizzierte Problemfeld. Ihre Befürchtung ist, dass unfreundlich behandelte Patienten in vielen Fällen nicht wieder in die Praxis kommen.
HIntergrund-Informationen zu den Problemsituationen:
– ​In 2/3 der Praxen bestanden die Problemsituationen bereits länger als ein Jahr und beeinflussten den Praxisbetrieb in erheblichem Ausmaß negativ. Nach Schilderung der Ärzte hatte es vereinzelte Versuche einer Problembeseitigung gegeben – allerdings erfolglos. – In keiner der Praxen existierte – soweit dies den Beschreibungen zu entnehmen war – ein systematisches Führungsmanagement. – Bei 52% der Anfrager handelte es sich um Ärzte aus Einzelpraxen, die restlichen 48% arbeiteten in Gemeinschaftspraxen bzw. Praxisgemeinschaften. Insbesondere bei den Mehrarztpraxen konnte in einem Drittel der Fälle den Schilderungen ein die Problemsituation verschärfender, zusätzlicher Konflikt zwischen den Praxisinhabern identifiziert werden, der teilweise bei den Mitarbeiterinnen Loyalitätskonflikte auslöste.
Fazit: Die Dienstleistung von Arztpraxen ist personendominiert. Eine durch ein adäquates Führungsinstrumentarium richtig gesteuerte Mitarbeiterzufriedenheit bewirkt deutliche Effizienz- und Rationalisierungssteigerungen, die zwei wichtige Ergebnisse erbringen: der interne Effekt besteht darin, dass eine zufriedene Mitarbeiterin eine hohe Praxisidentifikation und Leistungsbereitschaft aufweist, wesentlich sorgfältiger und zuverlässiger arbeitet, kostenbewusst handelt und „mitdenkt“. Hinzu kommen die durch eine geringe Fluktuationsquote ebenfalls niedrig gehaltenen Personalwechsel-Kosten. Nicht zu vergessen ist der Selbststeuerungs-Effekt, der bei zufriedenen Mitarbeiterinnen aktiviert ist und dazu beiträgt, die ärztliche Arbeit deutlich zu entlasten. Insgesamt führt das zu einer ganz entscheidenden Steigerung von Arbeitsproduktivität und -qualität. Der externe Effekt drückt sich in einer optimierten Patientenbetreuung und der Schaffung eines positiven Praxis-Gesamtimages aus. Betriebsvergleiche zeigen, dass Praxisunternehmen, in denen professionell geführt wird, deutlich bessere Betriebsergebnisse aufweisen als Praxen ohne einen solchen Führungseinsatz. Die Anfragen der Aktion „Führungshilfe“ belegen, dass viele Praxisinhaber sich zu wenig mit Führungsfragen auskennen, um die o.a. Effekte nutzen zu können. In den meisten Fällen wird ein Laissez-faire-Führungsstil praktiziert, bei dem Interventionen nur dann erfolgen, wenn es wirklich unvermeidlich ist. Das führt zu einer Vielzahl von Problemen, die den Praxisbetrieb erheblich beeinträchtigen. Da zu spät und mit nicht adäquaten Instrumenten geführt wird, sind oft die Probleme kaum noch zu beseitigen.

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