Der Fall Gustl Mollath beschäftigt seit langem Forensische Psychiatrie, Presse, Justiz und Politik. Die Dokumentation des SWR, die am 3.6.2013 gesendet wurde, enthält eine sehr konzise Darstellung der Ereignisse und eine Fülle an Zeugenaussagen, Beurteilungen von Fachleuten und sehr ausführliche aktuelle Interviews mit Mollath selber.
Ich selbst hatte mich mit dem Fall Mollath bislang noch nicht wirklich beschäftigt. Ich habe zwar immer mal wieder etwas darüber gehört, dachte mir aber immer, dass man einem solchen Fall nur gerecht werden kann, wenn man den Betroffenen einmal gesprochen hat und zumindest die Gutachten und das Urteil gelesen hat. Ansonsten besteht ja die Gefahr, dass man einer möglicherweise einseitigen Berichterstattung ausgeliefert ist.
Die SWR Dokumentation ermöglicht aber meiner Einschätzung nach sehr wohl, sich ein eigenes Bild zu machen. Aus Sicht der Reporter handelt es sich ohne jeden Zweifel um ein Fehlurteil, gegründet auf Befangenheit des Vorsitzenden Richters, unterlassene Ermittlungen und unsorgfältige Begutachtung, gefolgt von Lügen der Bayrischen Justizministerin Beate Merk. Die Reporter haben daher auch den damaligen Vorsitzenden Richter, den Gutachter im ersten Verfahren und die Justizministerin Bayerns befragt.
Der damalige Vorsitzende Richter Brixner hat eine Stellungnahme verweigert. Er hatte sich aber im Untersuchungsausschuss allein dadurch schon selbst der Befangenheit überführt, dass er gesagt hat, er habe “anderes zu tun gehabt“, als die Verteidigungsschrift Mollaths zu lesen.
Der Gutachter im ersten Verfahren lehnte vor der Kamera ebenfalls jede Stellungnahme ab, angeblich wegen des laufenden Verfahrens. Ihm wird vorgeworfen, er habe Mollath gar nicht untersucht. Mollath hatte seine Frau angezeigt, dass sie im Auftrag der HypoVereins Bank Geld an der Steuer vorbei in die Schweiz geschafft habe. Dies hatte der Gutachter als “Wahn” diagnostiziert. Eine interne Ermittlung der Hypovereinsbank kam nun offenbar zum Ergebniss, dass “die verfolgbaren Ermittlungsansätze” alle zutreffend gewesen seien. Mehrere Mitarbeiter der HVB, darunter Mollaths Frau, verloren laut SWR daraufhin ihren Job.
Der Bayrischen Justizministerin Dr. Beate Merk wird vorgeworfen, sie habe die Öffentlichkeit und das Parlament wissentlich belogen, als sie Ende Oktober 2012 gesagt habe, die internen Ermittlungen der HypoVereins-Bank hätten eben gerade nicht ergeben, dass Mollaths Vorwürfe zutrafen. Dies hat sie auch in der SWR Reportage bestätigt. Diese Ermittlungen liegen aber der Süddeutschen Zeitung und dem SWR vor. Sie kommen offenbar zu genau dem gegenteiligen Ergebnis.
Am 11.06.2013 hat Mollath selbst die Möglichkeit, im Untersuchungsausschuss auszusagen.
Ich empfehle auf jeden Fall, diese SWR-Reportage in Ruhe anzusehen.
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