Zum ersten Mal haben Jugendliche mit HIV im Rahmen eines bundesweiten Treffens im Juni die Möglichkeit, sich mit Gleichaltrigen in einer ähnlichen Lebenssituation auszutauschen.
Die Veranstaltung wird gemeinsam von der Deutschen AIDS-Hilfe und der Bundesarbeitsgemeinschaft „Kinder und Jugendliche im Umfeld von HIV und Aids“ organisiert und knüpft an an die erfolgreiche Veranstaltung für Jugendliche bei den Positiven Begegnungen im vergangenen Jahr in Wolfsburg an. An dem Rahmenprogramm speziell für HIV-positive Jugendliche hatte auch die 17-jährige Anna teilgenommen. Über ihre Erfahrungen dort und ihr Leben mit HIV erzählt sie im Gespräch mit Axel Schock.
Waren die Positiven Begegnungen in Wolfsburg dein erstes Positiventreffen überhaupt?
Ich war schon mal beim Frauentreffen im Waldschlösschen, und als Kind hatten mich meine Eltern auch schon zu Veranstaltungen mitgenommen.
Ein paar gute Freunde wissen Bescheid
Wie war es für dich, nun erstmals unter positiven Jugendlichen zu sein?
Es war sehr gut, sich mit Gleichaltrigen unterhalten zu können, aber genauso auch spannend, Sachen von Erwachsenen zu hören. Vielleicht sollte man künftig im Programm angeben, wenn Workshops für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen passend sind.
Wie war die Stimmung bei euch?
Ganz gut. Ein bisschen doof war es, wenn wir in Kleingruppen aufgeteilt wurden und ich dann zum Beispiel mit dreizehnjährigen Jungs über Liebe und Sex reden sollte. Man ist bei solchen Themen altersmäßig eben nicht auf der gleichen Wellenlänge. Aber wir haben uns ansonsten alle sehr gut verstanden und austauschen können, zum Beispiel zu der Frage, ob man es seinen Freundinnen und Freunden sagt oder nicht.
Wie hast du das bislang für dich gehandhabt?
Ein paar gute Freunde wissen Bescheid, aber es gibt da schon Unterschiede. Eine Freundin, die ich seit der Kindergartenzeit kenne, weiß es immer noch nicht, eine andere, mit der ich zusammen in die Schule gekommen bin, weiß es wiederum. Auf meiner neuen Schule habe ich es bislang noch niemandem gesagt, und das werde ich auch erst einmal so belassen.
Mein Ex-Freund kam nicht so recht klar damit
Weil du negative Erfahrungen gemacht hast?
Eine Freundin hatte es in meiner alten Schule damals weitererzählt. Ich kann ihr nicht wirklich einen Vorwurf machen, wir waren damals beide noch sehr jung. Aber es tauchten dann Zettel auf: „Scheiß Aidskind!“. Im Medizinwesen habe ich auch schon unschöne Dinge erlebt. Letztes Jahr hat sich ein HNO-Arzt bei einer Untersuchung extra doppelt Handschuhe angezogen.
Aber ich habe auch sehr viele gute Erfahrungen gemacht. Alle, denen ich es bislang erzählt habe, reagierten eigentlich ganz positiv darauf. Es hat sich niemand von mir abgewendet. Nur mein Ex-Freund kam nicht so recht klar damit. Er hat sich dann von mir getrennt, aber andere Gründe dafür angegeben.
Du wirst immer wieder aufs Neue entscheiden müssen, wie offen du mit deinem HIV-Status umgehst. Ist das inzwischen zur Routine geworden oder eher eine dauernde Belastung?
Ich denke nicht jeden Tag daran, dass ich positiv bin, auch wenn ich inzwischen wieder Medikamente nehme. Ab und zu habe ich meine Phasen, in denen ich sehr traurig bin und es mich richtig ankotzt. In diesen Momenten frage ich mich dann: Warum gerade ich? Nun bin ich bzw. war ich in der Pubertät, da hat man ohnehin Stimmungsschwankungen. Eigentlich komme ich gut klar damit, aber es wäre schon schöner ohne das Virus.
Es wäre schon schöner ohne das Virus
Gibt es auch mal Momente, in denen du wegen der Infektion wütend bist?
Manchmal habe ich so eine Phase. Dann denke ich: Toll, andere bekommen es, wenn sie erwachsen sind. Ich habe es schon mein ganzes Leben und muss auch noch die nächsten 50 Jahre ständig aufpassen. Ein-, zweimal war ich auf meine Mutter deswegen wütend, aber eigentlich kann ich ihr deswegen nicht böse sein. Ok, sie hat damals einen Fehler gemacht, als sie sich infizierte, aber ohne sie wäre ich gar nicht auf der Welt.
Hast du Menschen, bei denen du dich ausweinen kannst, wenn dir danach ist?
Ab und zu bei meinen Eltern, aber ich habe auch nicht Lust, dauernd mit ihnen darüber zu reden. Bei meinen Freundinnen kann ich mich zwar ausheulen und trösten lassen, aber mehr auch nicht. Meist mache ich das alles mit mir selbst aus.
Was würde dir da helfen?
Ich finde es schon ganz gut, wenn ich einmal im Jahr, wie bei den Positiven Begegnungen, andere Jugendliche treffen kann. Mit denen konnte man eben auch über Dinge reden, die meine nicht-positiven Freunde nicht wirklich nachvollziehen können.
Für das Treffen vom 21. bis 23. Juni in einer hessischen Jugendbildungsstätte sind noch einige wenige Plätze frei. Weitere Informationen zur Anmeldung gibt es auf aidshilfe.de.