Zuviele Computertomographien bei Kindern

(P. Köhler) Medien wie der Fakten-Fakten-Fakten-FOCUS sind arlamiert: Computertomographie löst bei Kindern Krebs aus! Tausende von Krebsfällen bei amerikanischen Kindern würden durch jährlich vier Millionen – oft überflüssige – CTs verursacht; etwa ein zusätzlicher Krebstumor pro 300 CTs.
Die Autoren der vom Focus und anderen Zeitungen aufgegriffenen Studie werteten Daten amerikanischer Krankenversicherungen aus. Von 1996 bis 205 stieg die Anwendung von CT bei Kindern unter 5 Jahre von 11 auf 20 pro 1000 Kinder, und bei älteren Kindern von 10.5 auf 27 pro 1000 Kinder. Bis 2010 war die Verwendung zwar wieder auf 15.8/1000 bei <5-Jährigen und auf 23.9/1000 bei älteren Kindern gesunken, die Zahlen sind aber nach wie vor ungewöhnlich hoch.  Hier ein Interview mit der Hauptautorin, in dem sie fordert, unnötige Untersuchungen zu unterlassen, nötige Untersuchungen strahlensparend durchzuführen, und mit den Eltern über die Problematik zu sprechen.
Die Warnung ist nicht neu. Kinder sind bis zu 15x strahlenempfindlicher als Erwachsene und müssen deshalb besonders geschützt werden. Pearce et al. hatten vor zuletzt einem Jahr genauso geäußert (siehe meinen Blogeintrag vom 27.6.12). Die Fachgesellschaften versuchen seit langem, die Nutzung von bildgebenden Verfahren mit Leitlinien zu steuern, etwa die Pediatric Head Injury Algorithm von 2005, oder die aktuelle Choosing-Wisely-Kampagne, siehe den Blogeintrag vom 25.2.13.
Insgesamt kommen in den USA 4-7 Mio pädiatrische CTs pro Jahr zusammen, das sind ca. 6.5% der Gesamtuntersuchungszahl [Quelle]. Das ist ein Problem. Nun aber die Entwarnung: das ist ein U.S. Problem, kein europäisches. In Deutschland werden nur etwa 1% der jährlich 8 Mio Computertomographien bei Kindern durchgeführt, also etwa 80.000 [Quelle].
In unserer Praxis waren 2012 sogar nur 0.4% aller CTs bei Kindern  und Jugendlichen (<18 J.) erforderlich. Die Indikationen der Zuweiser werden bei uns in allen Fällen rechtzeitig fachradiologisch geprüft. Häufig kann die geplante Untersuchung unterbleiben, oder durch eine Sonographie oder Kernspintomographie ersetzt werden. Sinnvolle Indikationen sind z.B. Gelenkfrakturen oder Knochentumoren.
Die vielen vielen CTs, die in Amerika eingesetzt werden, drücken m.E. nicht die Unwissenheit der dortigen Kollegen aus, sondern spiegeln ihre berechtigte Sorge wieder, für unerkannte Schäden aus Unterlassung haftbar gemacht zu werden, was extrem teuer werden kann. Ein Spezialist in den USA muß Defensivmedizin betreiben, um sein extremes Prozessrisiko zu minimieren. Das blüht uns erst in der Zukunft, wenn unser Arzthaftungsrecht sich dem amerikanischen weiter annähert.
Ein interessantes Detail ist, dass Kinder aus nichtweißen Minderheiten bei sonst gleichen Verletzungen seltener im CT untersucht werden. Sie haben vielleicht weniger Anwälte.

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