Down-Syndrom: Welche Auswirkungen können vorgeburtliche Testverfahren haben?

Bildnachweis: © muro - Fotolia.com

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Eine Frage, die mir in der Vergangenheit sehr häufig gestellt wurde und die mich unter anderem auch als Mutter eines 28-jährigen Sohnes mit Down-Syndrom sehr nachdenklich stimmt: „Können neue vorgeburtliche Testverfahren dazu führen, dass Trisomie 21 (Down-Syndrom) die erste Form der Behinderung sein wird, die per Abtreibung aus der Gesellschaft verschwindet?“Schon heute ist es Realität, dass die Mehrzahl der vorgeburtlich erkannten Babys mit Trisomie 21 abgetrieben wird. Aber was bedeutet es für Menschen, die bereits mit dem Down-Syndrom leben? Oder für Eltern, die sich zukünftig, trotz vorgeburtlicher Diagnostik, für ihr Kind mit Down-Syndrom entscheiden? Können sich Versicherungen in ihren Fragen zur Gesundheit künftig erkundigen: Haben Sie einen Gentest gemacht und wo kann das Ergebnis eingesehen werden?

Zugegeben, dies ist noch nicht die Realität, aber ein mögliches Szenario der Zukunft. Dabei werden nur ca. 3 Prozent aller Kinder mit vorgeburtlich entstandenen Fehlbildungen geboren. Das Down-Syndrom macht davon nur einen geringen Anteil aus. Der bei weitem größte Anteil an Behinderungen ist vorgeburtlich nicht feststellbar. Ca. 95 Prozent aller Behinderungen entstehen während oder nach der Geburt.

Heute wissen wir, dass das Down-Syndrom keine Krankheit ist, sondern eine unveränderbare genetische Besonderheit. Das Chromosom 21 mit seinen etwa 250 Genen macht gerade einmal 1 Prozent unseres gesamten Erbgutes aus. Ein Mensch mit Trisomie 21 ist also in seinem Chromosomensatz wie jeder andere auch (selbstverständlich genauso hundertprozentig) das Kind seiner Eltern, ebenso wie seine Geschwister mit 46 Chromosomen. Trotzdem sind Unglaube, Verzweiflung, Trauer und Zukunftsängste die Reaktionen, die Eltern in den Stunden und Tagen durchleben, wenn sie erfahren haben, dass ihr Kind mit Down-Syndrom geboren ist, bzw. damit auf die Welt kommen wird.

Sie benötigen Unterstützung, um sich von ihrem Wunschkind verabschieden zu können. Daher ist es wichtig, Eltern gemeinsam das Ergebnis der Untersuchung zu übermitteln und Wege zur Bewältigung der Diagnose aufzuzeigen. Wirklichkeitsnahe Bilder über Down-Syndrom können helfen Berührungsängste und Vorurteile abzubauen. Prognosen, welche Erkrankungen mit dem Down-Syndrom einhergehen können, eher weniger. Niemand kann die Entwicklung eines Kindes vorhersagen, ob nun mit oder ohne Down-Syndrom. Eins ist sicher: Jedes Kind entwickelt sich nach seinen Fähigkeiten. Diese Entwicklung läuft bei Kindern mit Down-Syndrom zwar in gewisser Variationsbreite, aber doch in gesetzmäßiger Folge, ab − genauso wie bei Kindern mit 46 Chromosomen. Die geistigen und körperlichen Fähigkeiten der Menschen mit Down-Syndrom wurden in der Vergangenheit unterschätzt, denn bis vor wenigen Jahrzehnten lernten Kinder mit Down-Syndrom nicht lesen und schreiben – nicht, weil sie dazu nicht fähig gewesen wären, sondern weil es für sie als unerreichbar galt, dass sich niemand bemühte es ihnen beizubringen. Den in den letzten Jahrzehnten größten Zuwachs an Lebenserwartung haben Kinder mit Down-Syndrom erst dadurch erfahren, dass ihnen der Zugang zu lebensrettenden Herzoperationen nicht mehr pauschal verweigert wurde.

Für Menschen mit Down-Syndrom gelten heute die gleichen Empfehlungen in Bezug auf die Gesundheitsvorsorge, wie für die übrige Bevölkerung. Das Risiko angeborener Fehlbildungen oder bestimmter Erkrankungen und Funktionsstörungen, die auch später im Laufe ihres Lebens erworben werden können, ist jedoch erhöht. Deshalb sind zusätzlich spezifische Untersuchungen und Vorsorgemaßnahmen erforderlich, damit eine optimale Förderung und gesellschaftliche Integration gewährleistet ist. Man kann allerdings nicht feststellen, dass alle Kinder mit Down-Syndrom überempfindlich und häufig krank sind. Die meisten Kinder erfreuen sich guter Gesundheit.

Ebenso weiß man, dass Kinder mit Down-Syndrom durchaus lernfähig sind und ihre individuellen Stärken durch gezielte Förderung entscheidend beeinflusst werden. Entwicklungsdefizite gleichen sie geschickt durch lebenspraktische Schläue aus. Sie besitzen die Fähigkeit im „Hier und Jetzt“ zu leben und können Wesentliches in wenigen Sätzen auf den Punkt bringen. Vieles im Leben gelingt ihnen, wenn sie die nötige Unterstützung erhalten und als Erwachsene sind sie engagiert im Beruf, treiben Sport, spielen Theater, machen Musik u.v.m.: Dafür gibt es mittlerweile viele positive Beispiele in unterschiedlichen Printmedien oder Filmen.

Auch unsere Gesellschaft sollte lernfähig sein und erkennen, dass Menschen mit Down-Syndrom zu uns gehören – ohne wenn und aber. Ihr Recht auf Sein will respektiert werden. Menschen mit Down-Syndrom wertzuschätzen und in ihrem Leben zu unterstützen, gibt unserer Gesellschaft ein menschenfreundliches Gesicht.

 

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