Am 3. Juli 2013 ging in Kuala Lumpur die 7. Konferenz der Internationalen AIDS-Gesellschaft zur Krankheitsentwicklung, Behandlung und Prävention der HIV-Infektion zu Ende. Eine Nachlese von Carsten Schatz
„Warum eigentlich Malaysia?“ Diese Frage haben sich viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Tagen der Konferenz wieder und wieder gestellt.
Malaysia ist ein islamisch geprägtes Land, in dem Homosexualität illegal ist, in dem erst kürzlich wegen des unbewiesenen Handels mit Marihuana die Todesstrafe verhängt wurde, in dem Sexarbeit illegal ist und Transsexuelle von der Straße weg verhaftet werden können. Abgesehen vom Einreiseverbot für HIV-Positive, das auch durchgesetzt wird. Auf der Konferenz lernten wir, dass bei einer Veranstaltung vor einigen Jahren, an der vermutlich auch Menschen mit HIV teilnehmen würden, die Behörden nicht so genau hinschauten, um nur wenige Tage später eine öffentlich zelebrierte Abschiebung vorzunehmen.
Schwules Leben ist sichtbar, hat aber keinen Namen
Arbeitsmigrantinnen und -migranten können gegen ihren Willen auf HIV getestet und sofort abgeschoben werden – Wiedereinreise ausgeschlossen. Jedes muslimische Paar, das heiraten möchte, ist verpflichtet, einen Test zu machen.
Malaysia ist ein Land der Gegensätze. Reich an Bodenschätzen, mit einer vielfältigen und multiethnischen Kultur, die nicht spannungsfrei ist.
Und obwohl die Bedingungen so sind, wie sie sind, floriert in Kuala Lumpur eine Schwulenszene. Schwules Leben ist sichtbar, hat aber keinen Namen. Selbst Schwule unter sich reden über „PLU“ – people like us oder „Leute wie wir“. Malaysia hat sich wie alle Mitglieder des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN) verpflichtet, bis 2015 ein drogenfreies Land zu werden.
Dennoch hat die Regierung Anfang der 2000er Jahre, als die HIV-Epidemie in Malaysia außer Kontrolle zu geraten schien, Spritzentausch- und Methadon-Programme aufgelegt. Schritt für Schritt weicht die harte ideologische Haltung auf. Zu Beginn der Konferenz äußerte die Ministerin im Büro des Premierministers zum ersten Mal öffentliche Zweifel am Ziel der ASEAN. Für viele Teilnehmende aus Malaysia ein ermutigendes Signal.
Beim Besuch der PT-Foundation – einst unter dem Namen Pink Triangle (Rosa Winkel) gegründet – erfuhren wir mehr über die Arbeit einer Nichtregierungsorganisation, der einzigen in Kuala Lumpur, die für schwule Männer, Drogen Gebrauchende, Sexarbeiterinnen und Transsexuelle da ist. Sie rekrutiert sich auch aus den Reihen der Zielgruppen und kann deshalb nah an den tatsächlichen Bedürfnissen arbeiten.
Die PT Foundation ist die einzige NGO, die kostenlose und anonyme HIV-Tests in Malaysia anbietet. Etwa tausend Menschen kommen pro Jahr. Genutzt wird ein Schnelltest, für Bestätigung und Behandlung wird an das staatliche Gesundheitssystem vermittelt und ein Begleitservice angeboten. Allerdings steht es den Ratsuchenden auch frei, nach dem Test und dem Beratungsgespräch zu gehen. Wer Hilfe braucht, ist hier sicher gut aufgehoben, war mein Eindruck.
In drei niedrigschwelligen Anlaufstellen wird zielgruppenspezifisch gearbeitet: Gruppenangebote und soziale Aktivitäten für schwule Männer und HIV-Positive. Essen, Waschmöglichkeiten, Gesundheitstipps für Sexarbeiterinnen, die meist auf der Straße leben, wie auch für Drogen Gebrauchende. Aufsuchende Arbeit in allen vier Zielgruppen, Kondome, rechtliche Hinweise, Jobangebote für Leute, die sich ein neues Leben aufbauen wollen. Das Angebot ist groß und wird mit viel Engagement umgesetzt.
Veränderungen gibt es nur mit langem Atem
Immer unter den Augen der Polizei und anderer Behörden, die jederzeit Ärger machen können und das auch immer wieder tun. Alles in einem Klima, das von Angst und Ausgrenzung geprägt ist.
Gerne würde die PT Foudation auch Schnelltests für andere sexuell übertragbare Infektionen anbieten. Leider fehlt dafür das Geld. Für die Mitarbeitenden und ihre Ehrenamtlichen, die auch bei der Konferenz viel geleistet haben, steht jedenfalls fest: „Gut, dass ihr da wart. Gut, dass unsere Regierung mitbekommt, was bei euch so läuft. Gut, dass unser Gesundheitsminister auf der Konferenz zum ersten Mal über Männer, die Sex mit Männern haben, geredet hat. Bitte lasst uns in Kontakt bleiben.“
Und das sollten wir – will ich – wirklich tun. Veränderungen gibt es nur mit langem Atem, wie wir am Beispiel der Aufhebung der Reisebeschränkungen in den USA und in anderen Ländern gesehen haben. Auch diese Schlacht ist in vielen Ländern noch nicht geschlagen. Und auch hier gilt: Dranbleiben!