HIV-Heilung Nummer 3 und 4?

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Internationale HIV-Konferenz in Kuala Lumpur: Zwei neue Heilungsfälle? (Foto: Katharina Wieland-Müller, pixelio.de)

Timothy Brown war der erste von HIV geheilte Patient: Seit einer Stammzelltransplantation im Jahr 2007 ist bei ihm kein Virus mehr nachweisbar. Im März 2013 wurde auf der Retroviruskonferenz in Atlanta ein Kind vorgestellt, das aufgrund einer sehr frühen Therapie wahrscheinlich geheilt ist. Auf der Internationalen HIV-Konferenz in Kuala Lumpur berichtete nun ein Forscherteam aus Boston über zwei weitere Heilungsfälle. Von Armin Schafberger

Der „Berliner Patient“ Timothy Brown erhielt 2007 Stammzellen von einem Spender mit einer seltenen Genvariante beim Zellrezeptor CCR5: HIV kann bei diesen Menschen nicht an der Zelle andocken, um in sie einzudringen – sie sind so gut wie immun gegen die Infektion. Und so dachte man, die defekten Rezeptoren seien der Grund für Timothy Browns Heilung von HIV.

Nach der Präsentation von zwei erwachsenen Patienten auf der Konferenz der Internationalen AIDS-Gesellschaft in Kuala Lumpur, bei denen möglicherweise ebenfalls von einer (funktionellen) HIV-Heilung gesprochen werden kann, wird man diese These überdenken müssen. Denn beide erhielten bei einer Transplantation Stammzellen mit ganz normalen CCR5-Rezeptoren – die Spenderzellen sind also prinzipiell empfänglich für HIV.

Timothy Brown

Der erste von HIV geheilte Patient: Timothy Brown (Foto: privat)

Die beiden HIV-Patienten aus Boston waren, wie Timothy Brown, schon lange mit HIV infiziert und an einem Lymphom erkrankt, weshalb eine Stammzell-Transplantation notwendig wurde. Doch anders als beim „Berliner Patienten“ setzte man danach die HIV-Therapie nicht ab, sondern führte sie weiter.

Nach der Transplantation war bei beiden Patienten die HIV-Menge im Blut (Viruslast) unter der Nachweisgrenze der üblichen Verfahren. Zusätzlich wurde mit sehr empfindlichen Messmethoden nach Viren und Virenresten im Blut und in Geweben gesucht. Dabei konnte man feststellen, dass in den Zellen die Zahl der Viren in den Monaten nach der Transplantation abnahm.

Schließlich hat man 25 Millionen beziehungsweise 50 Millionen Immunzellen aus dem Blut und aus der Darmschleimhaut entnommen und sie mit Spezialmethoden nach HIV durchsucht. Bei diesen Methoden liegt die Nachweisgrenze bei 0,07 beziehungsweise 0,01 Viren pro Million Immunzellen. Ergebnis: keine Viren. Auch nach der Anzucht von Lymphozyten konnten keine Viren gefunden werden. Waren die Patienten nun geheilt?

Es konnten immer noch infizierte Zellen im Körper sein – in Geweben, die man nicht untersuchen kann, wie beispielsweise in den Zellen des Nervengewebes. Hier sind den Untersuchungsmethoden Grenzen gesetzt. Die Bostoner Forschergruppe um Timothy Henrich entschloss sich, die Frage der „letztgültigen Prüfung“ mit den beiden Patienten zu diskutieren.

Ihnen wurde nun empfohlen, die HIV-Therapie abzusetzen. Gäbe es noch infizierte Zellen, könnten diese vielleicht die HIV-Virusproduktion wieder aufnehmen. Aber man zögerte. Die Befürchtung war, der Zeitpunkt fürs Absetzen der Therapie sei zu früh. Vielleicht waren ja noch ein paar infizierte Zellen da, die das neu transplantierte Immunsystem nach einem weiteren halben Jahr oder einem Jahr abgeräumt haben könnte. Vielleicht also würde ein zu rasches Absetzen die Chance auf Heilung zunichte machen.

Für den endgültigen Beweis einer Heilung ist es noch zu früh

Doch beide Patienten willigten in das Experiment ein. Inzwischen sind sie sieben beziehungsweise 14 Wochen ohne Therapie – HIV konnte bislang bei keinem der beiden nachgewiesen werden.

Für den endgültigen Beweis einer Heilung ist es aber noch zu früh. Zum Vergleich: Der „Berliner Patient“ galt erst drei Jahre nach der Transplantation – das heißt, drei Jahre nach Absetzen der HIV-Therapie – als geheilt. So lange wird man bei den Bostoner Patienten nicht warten müssen, denn mittlerweile gibt es ja erste Erfahrungen auf dem Gebiet.

Die Forschung zur HIV-Heilung nimmt Fahrt auf (Foto: Andreas Dengs, pixelio.de)

Die Forschung zur HIV-Heilung nimmt Fahrt auf (Foto: Andreas Dengs, pixelio.de)

Was war nun der Grund für die – angenommene – Heilung? Die CCR5-Rezeptoren können es bei den Patienten aus Boston nicht gewesen sein. Vielleicht, so eine Vermutung, war die Reaktion der transplantierten Immunzellen gegen die trotz Chemo- und Strahlentherapie verbliebenen eigenen Immunzellen ausschlaggebend. Denn bei beiden Patienten haben die Spenderzellen die eigenen Immunzellen fast vollständig ersetzt.

Weist nach den Boston-Patienten die Stammzelltransplantation den Weg zur Heilung?  „Das ist keine praktische Strategie für die meisten HIV-Positiven“, sagt der Leiter der Forschungsgruppe, Dr. Timothy Henrich. Die Sterblichkeit bei einer Stammzelltransplantation liegt bei bis zu 20 Prozent.

Aber die Forschung lernt an solchen Fällen und versucht andere Wege zur Heilung. Dabei gilt es immer, dieses Ziel zu erreichen: Die langlebigen, „verborgen“ mit HIV infizierten Zellen müssen irgendwie ausgeschaltet werden. Und die Boston-Patienten liefern Hinweise darauf, dass man diese infizierten Zellen wahrscheinlich nicht zu 100 Prozent ausschalten muss. Denn ein – wenn auch kleiner – Rest des „alten“ Immunsystems hat die Transplantation ja überlebt.


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