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Frage (Update 14)
Bin ich der einzige, der die gestrige ARD-Dokumentation über die von der bösen Pharmaindustrie seit 20 Jahren verhinderte rosafarbene Vitamin-B12-Salbe namens “Regividerm”, die Neurodermitis zu “heilen” in der Lage ist, spontan für einen aberwitzigen PR-Stunt erster Güte hält?
Hier der Link zur Sendung.
Die Süddeutsche Zeitung glaubt die Geschichte.
Fefe, unumstrittener Experte für Verschwörungen jeglicher Art, glaubt sie auch.
Die Home-Page des Herstellers: www.regividerm.de
Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm® Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!
Update: Mehr über die Hintergründe gibt es in einem gut 5 Jahre alten Artikel der Boocompany.
Update 2: Vielleicht fehlt ja dem Autor auch ein wenig Abstand zu seiner Geschichte:
Update 3: Martens’ Rezeptbuch zur Doku erreicht Platz 5 der Amazon-Bestsellerliste.
Update 4, 14:30: Platz 3. Herta Müller ist gepackt. Da geht noch was.
Update 5, 17:45: Wer das Rezeptbuch noch nicht bestellt hat, kann sich auch gleich die fertig zusammengerührte Wundersalbe holen. Das ging ja dann doch erstaunlich fix, wenn man das resignierte Gejammer im Film noch vor Augen hat.
Update 6. 18:05: Die Süddeutsche Zeitung bringt einen weiteren Artikel und hat noch nicht Lunte gerochen:
So lange wird er jedenfalls nicht mehr auf Regividerm warten müssen, dem Mann kann geholfen werden. Siehe Update 5.
Update 7: Ich habe ja schon so manche Markteinführung von fragwürdigen Medikamenten und Medizinprodukten verfolgt. Aber diese Geschichte hier hätte man nicht besser inszenieren können. Allein das Timing ist schon ein Meisterstück.
Update 8: Meine absolute Lieblingsstelle im Film ist übrigens ein Zitat von Professor Peter Altmeyer, einem der verantwortlichen Wissenschaftler der beiden bislang bekanntgewordenen Regividerm-Studien (bei ca. 11:25):
Update 9: Hier hat sich jemand die beiden rosabedingt unverblindeten Studien genauer angesehen und ist nicht überzeugt.
Update 10: Die Süddeutsche Zeitung freut sich jetzt in ihrem dritten ahnungslosen Artikel mit uns, dass Regividerm überraschenderweise doch nicht erst in 14 Jahren zu haben sein wird.
TV wirkt.
Update 11: In einem hektisch nachgeschobenen vierten Artikel beginnt die Süddeutsche Zeitung jetzt, mit kräftigen Schlägen zurückzurudern. Aber sie glauben immer noch, dass die Studien verblindet gewesen seien:
Nein. Denn wir wissen ja:
[Edit: In der zweiten Studie ging es dann doch, obwohl “das rosa ist”. Der unglaubliche Trick: Die Placebosalbe war auch rosa!]
Und:
Hätte mich ehrlich gesagt auch überrascht.
Update 12: 21.10., 21:00 Jetzt übernimmt Spiegel Online die PR-Arbeit für die Wundersalbe.
Update 13: Martens bekommt bei Frank Plasberg mit einem seltsam deplaziert wirkenden Auftritt noch einmal eine Plattform für seine Wundersalbenmär, eiert aber gewaltig herum und kommt in der Diskussion mit den anderen Gästen gewaltig unter die Räder (gegen Ende der Sendung). Auch Markus Grill, nicht im Verdacht, ein Pharmalobbyist zu sein, zeigt sich überaus skeptisch. Er weist auf einen weiteren fundamentalen Denkfehler in der Geschichte hin: Der Preis der Zutaten bestimmt in diesem Markt bekanntermaßen nicht den Preis des Medikaments. Ganz im Gegenteil könnte ein Pharmaunternehmen, das die Patentrechte besitzt, nahezu jeden beliebigen Preis für die Salbe verlangen, wenn sie denn nur besser wirken würde als Vergleichspräparate (wofür es in den beiden vorliegenden Studien keinerlei Anhaltspunkte gibt). Eine zentrale Säule von Martens’ Verschwörungstheorie ist es ja, dass der “günstige” Preis der Salbe quasi vom Erfinder oder durch den geringen Preis der Zutaten vorgegeben sei, und dadurch im Falle einer Vermarktung der Salbe durch Big Pharma der bisherige große Reibach mit teuren (und schlechten) Präparaten ein Ende gehabt hätte.
Update 14: Jetzt ist die Story in den Nachrichten der ARD-Radiosender angekommen. Als Quelle für die Geschichte dient Spiegel Online. Märchen-Ping-Pong.
Perry und die qlasse Pille
Kate Perry nimmt Qlaira®. Dies will ein Artikel im Freizeit-Magazin, der Wochenend Beilage der österreichischen Zeitung “Kurier”, nahelegen, in dem als Einstieg für die Schleichwerbung für die Verhütungspille von Bayer das Bekenntnis der Sängerin gewählt worden ist. “Ich werfe die Anti-Baby-Pille ein wie andere Vitamin C”. Laut dem Bericht soll Perry beim Wiener Lifeball im Mai verraten haben, dass sie sich mit Pillen der neuesten Generation schütze. Zum Nachrechnen: Der Ball war einen Tag nach Markteinführung des Medikaments in Europa. In der Heimat der Sängerin, den USA, ist die Pille noch nicht zu haben. Perry als early Adopter mit direktem Draht zu Bayer? Danach gibt der Autor Hinweise auf die neue Pillengeneration, die den Körper weniger stark belaste und eine Warnung: Trotzdem ist Estradiol noch lange kein Vitamin-C-Zuckerl.
Soweit redaktionelle Sauberkeit im Pharmawerbebusiness. Für die schmutzigen Teil darf die Expertin Dr. Monika Schaffner ran. In einem Kasten erklärt die Frauenärztin, die auch schon für “News Leben” Qlaira® positiv gewürdigt hat und für Bayer auf Kongressen das Medikament vorstellt, die nicht durch Studien bestätigten werbewirksamen Vorteile des Kontrazeptivums
Sie verschreibe die Pille deswegen häufig. Damit auch jede Frau, weiss um was es geht, ist eine Packung mit Handelsnamen abgebildet. Leserinnenservice.
Zugegeben, mal neue Value Messages, sollten doch bisher Vorteile bei Haut, Haare, Körpergewicht und kürzere Blutungen, die in redaktionellen Artikeln von Experten herausgestellt wurden, die Frauen zum Gang zum Arztbesuch motivieren. Könnte ein Strategiewechsel sein, um andere, ältere Zielgruppen zu erreichen – was bedeuten würde, dass die hippe
Q-Punkt-Kampagne in Österreich zuwenig junge, Lifestyle orientierte Frauen erreicht hat.
Auswertung der unterstützten Forschungsprojekte der MS-Gesellschaft (2008 – Frühling 2014)
Die MS-Gesellschaft hat die Liste der unterstützten Forschungsprojekten mit den Projekten bis Frühling 2014 ergänzt. Besten Dank an die MS-Gesellschaft für das Pflegen dieser Angaben.
Mit diesen neuen Daten habe ich die letzte Auswertung mit den neuen Projekten ergänzt.
Auswertung Forschungsförderung
Die graphische Auswertung der unterstützten Forschungsprojekte von 2008 bis Frühling 2014 zeigt folgendes Bild:
Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2008 – Frühling 2014
Unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2008 – Frühling 2014
Auswertung
- Seit 2008 wurden 60 Projekte unterstützt.
- Rund 8.2 Mio. Franken wurden in den letzten 6½ Jahren für die Forschungsförderung ausgegeben. Die MS-Gesellschaft vergibt jährlich etwa 1.2 Mio. Franken.
- Ein unterstütztes Projekt erhält im Durchschnitt 50‘000 Franken.
- Die unterstützten Projekte werden mehrheitlich an die Schweizer Universitäten vergeben. Etwa die Hälfte der Projekte wurde an die Universitäten Basel und Zürich vergeben. Die Aufteilung ist in der ersten Grafik dargestellt.
- Die MS-Gesellschaft hat zu über zwei Dritteln immunologische Forschung unterstützt, wovon 17 Projekte zur Mausforschung (EAE) gehören. Die zweite Grafik zeigt die Aufteilung nach Fachgebieten.1
- Die 160 unterstützten Projekte wurden auf 87 verschiedene Personen verteilt.
- 35 Projekte wurden an Forscher vergeben, die selbst im wissenschaftlichen Beirat (2013: 31 Mitglieder) sind, der diese Forschungsförderung vergibt.
- 61 unterstützte Projekte wurden von Professoren eingereicht.
- Die am stärksten geförderten Unis der letzten sechs Jahre sind:2
- Universität Zürich: Fr. 2.1 Mio. Franken
- Universität Basel: Fr. 1.9 Mio. Franken
- Universität Genf: Fr. 1.4 Mio. Franken
Die folgende Tabelle zeigt die Forscher mit drei und mehr Projekten:
Forscher | Anzahl Projekte | ~Förderungsbetrag kCHF2 |
---|---|---|
Walter Reith | 7 | 359 |
Britta Engelhardt | 6 | 308 |
Burkhard Becher | 6 | 308 |
Danielle Burger | 6 | 308 |
Patrice Lalive | 6 | 308 |
Raija Lindberg | 6 | 308 |
Ruth Lyck | 6 | 308 |
Adriano Fontana | 5 | 256 |
Tobias Suter | 5 | 256 |
Nicole Schaeren-Wiemers | 4 | 205 |
Norbert Goebels | 4 | 205 |
Paul Grossman | 4 | 205 |
Renaud Du Pasquier | 4 | 205 |
Andrea Huwiler | 3 | 154 |
Cornel Fraefel | 3 | 154 |
Jan Lünemann | 3 | 154 |
Nanco van der Maas | 3 | 154 |
Burkhard Ludewig | 3 | 154 |
Stéphanie Hugues | 3 | 154 |
Forscher, die seit 2008 drei und mehr geförderte Projekte haben. Die Veränderungen seit der letzten Auswertung sind gelb markiert und schräg geschrieben. kCHF = Kilo Franken, also Beträge in 1000 Franken; Datenquelle: MS-Gesellschaft, eigene Auswertung.
Im Sinne von Open Data ist die Auswertung als Tabellendokument, wie schon seit Beginn, als Anhang verfügbar.
Unterstützte Projekte Frühling 2014
Die folgenden Grafiken zeigen die im Frühling 2014 unterstützten Projekte.
Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, Frühling 2014
Neu unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, Frühling 2014
Kohortenstudie (SMSC-Study)
Zur Kohortenstudie wurden keine Daten veröffentlicht, oder zumindest sind mir diese nicht bekannt.
MS-Register
Wie viele MS-Betroffene gibt es in der Schweiz? Wie geht es ihnen?
Diese Fragen können nicht beantwortet werden. Keine Daten sind verfügbar. Man ist auf grobe Schätzungen angewiesen. Die MS-Gesellschaft hat deshalb die Einführung eines MS-Register für die Schweiz beschlossen. Das ist ein wichtiges Projekt.
Fazit
Die Verteilung der Projekte auf die verschiedenen Universitäten und die einzelnen Personen ist ok. Inhaltlich ist die immunologische Forschung mit zwei Drittel der Projekte klar dominant. Die Immunologie ist der deutliche Schwerpunkt der geförderten Forschung der MS-Gesellschaft.
Aus Patientensicht würde ich mir wünschen, wenn die MS-Gesellschaft als Betroffenenorganisation die Prioritäten der Betroffenen in die Forschungsförderung klarer einfliessen lassen würde. Für Patienten relevante Fragestellungen, die sonst zu kurz kommen, sollten in der geförderten Forschung in erster Linie berücksichtigt werden.
Offenlegung
Seit Ende 2013 bin ich Mitglied es Wissenschaftlichen Beirates der MS-Gesellschaft. Die Auswahl der Projekte wird von einem Fachgremium vorgenommen. Für diese Auswertung habe ich mich auf die öffentlich verfügbaren Informationen, wie bereits seit der ersten Auswertung 2011, gestützt. Im Blog drücke ich meine persönliche Meinung aus, die nicht mit jener der MS-Gesellschaft übereinstimmen muss.