Ein Bericht von Luise Kirchhoff über ihren Einsatz in Chittagong, Bangladesch
Einmal pro Woche fahren wir ins CbC (community-based project for malnourished children). Das ist unser „Feeding-Center“ inmitten eines der Slums, aus welchen unsere Patienten kommen. Es hat geregnet und die Straßen, auf denen unsere Rikscha fährt, sind teilweise zu Schlammstraßen geworden. Am Eingang des Slums müssen wir erst mal wie alle Slumbewohner durch knöcheltief stehende Schlammwasser waten. Das Regenwasser kann an dieser Stelle schlecht abfließen und so kann es in der Regenzeit manchmal sogar hüfthoch ansteigen. Meine Kollegen werden unter diesen Umständen nicht mehr ins CbC kommen können. Unsere Patienten und Slumbewohner haben leider keine andere Wahl als zu “schwimmen”.
Im CbC erwartet man uns bereits. Da wir nur einmal pro Woche in den Slum hinausfahren (die restlichen Tage werden uns lediglich die schwerkranken Kinder in die Ambulanz geschickt), sind es heute einige Kinder, die krank sind und die ich mir anschauen soll. Täglich erscheinen bis zu 40 Kinder mit ihren Müttern im CbC, um dort ihr Khichuri (ein nahrhaftes Reis- und Erbsengericht) zu essen. Leider kommen die wenigsten Mütter regelmäßig, also täglich zu uns. Oft werden auch die großen Geschwister (meist selbst noch kleine Kinder) mitgeschickt.
Durchfall, Scabies, Wurmbefall oder ein einfacher Schnupfen, die im Slum üblichen Kinderkrankheiten also, die uns auch hier bei diesen unterernährten Kindern erwarten. Oft sind die Kinder zu schwach, um überhaupt Fieber auszubilden. Ein einfacher Virusinfekt wird leider allzu oft zu einer bakteriellen Lungenentzündung. Manche Kinder haben rezidivierende Infekte, sodass sie keine Chance haben, trotz unseres Khichuris, überhaupt zuzunehmen.
Wir sehen bei unseren Untersuchungen immer wieder Kinder, die einfach nicht zunehmen. Der häufigste Grund ist leider ein unregelmäßiges Erscheinen auf unserer „Feeding-Station“. Die Mütter kommen mit ihren Kindern in diesem Projekt nicht über Nacht zu uns. Sie müssen stattdessen jeden Morgen vorbeikommen und da die meisten Mütter noch fünf andere Geschwister zu Hause bekochen und versorgen müssen, ist das oft einfach nicht möglich. Eine Vielzahl an Müttern ist dazu noch alleinerziehend (meist von ihren Männern verlassen worden). Sie müssen also selbst in den Nähfabriken (unter uns nun gut bekannten schlechten Arbeitsbedingungen) arbeiten gehen.
Die wichtigsten Medikamente haben wir vor Ort im CbC und können die Kinder direkt behandeln. Einige müssen wir bitten, mit uns in die Ambulanz zu kommen. Ein stark unterernährtes Kind mit schwerer Lungenentzündung schicke ich direkt ins Kinderkrankenhaus.
Wir haben alle kranken Kinder von heute gesehen und machen uns nach kurzem Spielen mit den anderen Kindern auf den Heimweg. Wir können unsere Sozialarbeiterinnen und Köchinnen im „Feeding-Center“ allerdings nicht verlassen, ohne nicht eine Schale Khichuri und Milchreis probiert zu haben. Dazu natürlich eine Tasse (zu) süßen Schwarztee.
Unsere Rikscha bringt uns in der prallen Mittagssonne durch die vollen Straßen zurück in die Ambulanz, wo mich die anderen noch wartenden Patienten mit erwartungsvoll großen Augen ansehen.
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