Fantastische Paare: «Les couples imaginaires» von Olivier Ciappa

Mann hält Plakat vor der Brust

Auch André Téchiné zählt zu den prominenten Unterstützern (Quelle: www.olivierciappa.com)

Der Fotograf und Zeichner Olivier Ciappa hat Prominente gebeten, sich als Homo-Paare fotografieren zu lassen. Als Botschafter für die „Homo-Ehe“ und gegen Diskriminierung. Das Echo war überwältigend. Sophie Neuberg hat mit dem Künstler gesprochen

Er fotografiert in schwarz-weiß und hatte schon viele Berühmtheiten vor der Kamera, vor allem französische, aber auch internationale wie Whoopi Goldberg oder Tim Burton. Und kürzlich war der Künstler Olivier Ciappa in Frankreich in aller Munde, denn sein „Marianne“-Entwurf für die neue französische Briefmarke wurde von Präsident François Hollande unter drei Finalisten ausgewählt.

Francois Hollande vor neuer Briefmarke

Bild der neuen „Marianne“-Briefmarke (Foto: www.olivierciappa.com)

Die „Marianne“ ist das Frauengesicht auf den einfachen Briefmarken der französischen Post und stellt die Republik dar. Regelmäßig mit einem neuen Präsidenten kommt eine neue „Marianne“. Als Vorbilder dienten schon Brigitte Bardot und Catherine Deneuve, aber wer war Ciappas Modell? „Es waren verschiedene Frauen“, sagt er „aber hauptsächlich die Femen-Gründerin Inna Shevchenko“. Eine barbusige Aktivistin auf ehrwürdigen Briefmarken? Die Konservativen in Frankreich tobten, wollten einen Boykott gegen die Briefmarke anzetteln. Inna Shevchenko lachte sich kaputt: „Jetzt müssen die Konservativen meinen Hintern lecken, um einen Brief zu verschicken“, verkündete sie per Twitter.

Und Olivier Ciappa? War das jetzt der Höhepunkt seiner Karriere? „Um Gottes willen“, sagt er „ich bin erst 34, ich hoffe nicht, dass ich bereits den Höhepunkt meiner Karriere erreicht habe.“

„Ich wollte seit Jahren Bilder ohne Klischee sehen“

Dem in Marseille geborenen Künstler, der keine Kunsthochschule besuchte, sondern sich vieles selbst beigebracht hat, liegt ein anderes aktuelles Projekt ohnehin mehr am Herzen: „Les couples imaginaires“. Es handelt sich um eine Serie von Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen sich Prominente als ganz normale Homo-Paare haben ablichten lassen: Gemütlich zu zweit unter einer Kuscheldecke, zärtlich mit nacktem Oberkörper, lachend mit Kind in der Mitte, im Anzug mit Baby im Arm, manchmal auch als Comic- oder Fantasyfiguren gezeichnet, immer attraktiv, sympathisch und unaufgeregt. „Ich hatte seit Jahren das Bedürfnis, solche Bilder ohne Klischees zu sehen, mit denen jeder Hetero sich identifizieren kann“, erklärt Ciappa. Da er sie im Kino und in der Fotografie nicht sah, musste er selber tätig werden.

zwei Frauen- und ein Männer-Paar mit Kind

Prominente bilden „imaginäre Paare“ (Quelle: www.olivierciappa.com)

Mit den gleichen Prominenten gestaltete er auch Einzelporträts, auf denen sie ein Plakat für Gleichberechtigung halten: „Stop à l’homophobie. Mariage, adoption, filiation, PMA. OUI à l’égalité“ (Stopp Homophobie. Ehe, Adoption, Elternschaft, künstliche Befruchtung. JA zur Gleichheit). Darunter hat jede und jeder eine persönliche Botschaft hinzugefügt und unterschrieben. Manchmal einfach nur „Ja“, manchmal einen längeren Satz. Das war Ciappas Antwort auf die extrem aggressiven Demonstrationen gegen die Einführung der „Ehe für alle“ in Frankreich. Er wolle einerseits darauf hinwirken, dass sich Einstellungen verändern, andererseits Personen Trost spenden, die unter Homophobie zu leiden haben, sagt er.

 „Keiner hat nein gesagt“

Um die Schauspieler und Schauspielerinnen, Sänger und Sängerinnen und anderen Showgrößen anzufragen, ging er zunächst den Weg einer offiziellen Anfrage bei den Künstleragenturen und -managern. Ohne Erfolg: Immer hatten die angefragten Künstler angeblich keine Zeit, oder es kam für sie nicht in Frage, ihr Gesicht für ein solch umstrittenes Thema wie die „Homo-Ehe“ zur Verfügung zu stellen. „Dann habe ich mich sechs Monate lang mit den Fans am Ausgang von Konzerthallen, Theatern usw. postiert und die Künstler direkt auf meine Idee angesprochen.“ Und siehe da: „Keiner hat nein gesagt!“

Mehr als hundert Prominente konnte er so für seine Fotokampagne gewinnen, darunter die Schauspieler und Schauspielerinnen Pierre Arditi, Isabelle Carré, Virginie Efira, Julie Gayet, Mélanie Laurent, Eva Longoria, Mathilde Seigner und Jean-Paul Rouve, TV-Moderator Antoine de Caunes, Politikerin Roselyne Bachelot, die Comedians Sophia Aram, François-Xavier Demaison und Fred Testot, die Sänger und Sängerinnen Sofia Essaïdi, Lara Fabian, Emmanuel Moire, Yael Naïm, Julie Zenatti und, und, und …

Zerstörte Fotos vor Zaun

Rechte Gegner der „Ehe für alle“ zerstörten die Ausstellung (Quelle: www.olivierciappa.com)

Die Fotoreihe mit dem Plakat kam zuerst in die Öffentlichkeit und fand breiten Anklang in den Medien. Dann kam eine Ausstellung mit den Fotos der Fantasiepaare „Les couples imaginaires“ in und vor zahlreichen Rathäusern in Paris. Eine dieser Ausstellungen, die im Juni vor dem Rathaus des 3. Arrondissements stattfand, wurde sofort zweimal von Rechtsextremisten verwüstet. Olivier Ciappa war zunächst zutiefst schockiert, doch die Unterstützung, die er dann erfuhr, hat ihn wieder bestärkt. Die Fotos wurden neu neben den zerschnittenen Bildern aufgestellt: „Eine Liebesbotschaft neben einer Hassbotschaft“ sei dies für ihn. Hinzu kamen unzählige Kinderbilder und Botschaften, die Menschen an Ort und Stelle hinterlassen haben, um ihre Solidarität mit dem Künstler zum Ausdruck zu bringen. Mittlerweile wurden die Täter übrigens gefasst und verschiedene Organisationen haben Strafanzeige erstattet.

„Aids hat viele Paare zerstört“

Andere Gegner seines Tuns melden seine Fotos als anstößig bei Facebook an, sodass sie von seiner Facebook-Seite verschwinden. Aber das ist ihm egal, er stellt sie wieder auf die Seite und die Aufmerksamkeit wird dadurch nur größer. „So läuft das Spiel“, sagt er. Facebook macht er keinen Vorwurf: „Das läuft automatisch: Wenn eine bestimmte Anzahl Meldungen vorliegt, verschwinden die Fotos“, meint er.

Als nächstes ruft eine weitere Herausforderung: Olivier Ciappa will seine Fotos in Ländern ausstellen, die Homosexualität unter Strafe stellen, zum Beispiel im Iran. Und natürlich ist er auch diesmal guter Dinge, dass das klappen wird.

Im Herbst werden übrigens Fotos der „Couples imaginaires“ in Paris versteigert. Der Erlös wird Olivier Ciappa der französischen Aids-Organisation „AIDES“ spenden: „Durch Aids wurden viele Paare zerstört, viele Menschen blieben außerdem mit leeren Händen zurück, es waren sehr harte Situationen. Es geht mir darum, dieser frühen Opfer zu gedenken.“

Ein Mann, eine Frau und ein Männerpaar halten Plakate

Prominente gegen Homophobie (Quelle: ww.olivierciappa.com)

 


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