Vor dem Containerhotelfenster ist es hell geworden.
Systemcheck: ich bin wach.
Status: ausgeschlafen und nicht mehr morgenmuffelmüde.
Fenster aufgerissen. Frische Luft. Dahinter eine langweilige Nicht-Landschaft. Felder. Gestrüpp. Wiesen. Immerhin sommerlich grün.
Ich klettere in meine Lady und gebe Gas.
Die Gegend ist flach wie ein leicht verzogenes Baumarktbrett, Rapsfelder, Wiesen, dreiflügelige Stromwindräder, ab und zu der eine oder andere Kirchturm.
Ab geht’s, eine Kurve und dann immer geradeaus. Links von mir ist Gestrüpp und irgendwo dahinter verbirgt sich eine Art Fluss.
Dahinter ist die Welt zu Ende.
Im nächsten Dorf gibt’s eine Fähre. Die führt hinüber nach Spelunkistan. Was will ich da?
Dann kommt ein Ort mit breitem, langgezogenen Hauptplatz, in der Mitte Grün, darauf Kastanienbäume. Links und rechts gelb getünchte und Stuckverzierte Häuser, links ein zünftiges Gasthaus, rechts ein Café. Der Besitzer ist soeben dabei, aufzusperren und stellt Tische und Sonnenschirme nach draußen.
Ich habe die Lady geparkt und ordere einen Kaffee. Der ist sogar ganz ordentlich.
“Waren Sie schon bei den Störchen?” fragt der Wirt, als er mir die Tasse bringt.
Was hat es mit den Störchen auf sich?
“Ach, alle Fremden wollen doch die Störche sehen! Sonst gibt’s hier ja nichts…”
Danke für den Tipp… und wo…?
Der Wirt macht eine unbestimmte Handbewegung.
“Da drüben hinterm Schloss!”
Ich trinke aus.
Das Schloss ist ein ausladendes, niedriges gelbgetünchtes Gebäude mit einem parkartigen Hof davor, auch hier schattige Kastanienbäume, und dahinter ist ein Bach, der von einem Deich geschützt ist.
Jenseits des Baches ist Gebüsch und Gestrüpp. Darin klappert es. Einmal fliegt auch irgendwas auf… war das ein Storch?
Ich gehe am Bach entlang bis zu dessen Mündung in den größeren Fluss, und dessen anderes Ufer gehört schon zu Spelunkistan.
Damit habe ich ein Etappenziel erreicht: Ich habe dieses Land einmal der Länge nach durchmessen… bin so ziemlich die längste Strecke gefahren, die man in diesem Land fahren kann ohne zwischendurch eine Grenze zu überqueren.
Aber dieses Ende ist eher unspektakulär… reizlos… jetzt mache ich mich auf den Weg zum nächsten Ende!
Ich gehe zurück zum Auto, fahre weiter, parallel zur spelunkistanischen Grenze – hier und dort sieht man jenseits des Flusses in der Ferne die Häuser einer spelunkistanischen Hauptstadt hindurchblitzen, aber da will ich ja gar nicht hin, also biege ich ab, einmal rechts, einmal links, Landstraßen durch Raps- und Weinfelder… und dann gelange ich zum Steppensee.
Der Steppensee liegt inmitten einer weiten, leichtwelligen Ebene und die Straße führt ein wenig oberhalb an ihm vorbei. Der Steppensee verbirgt sich hinter einem kilometerweiten Schilfgürtel und einmal führt eine Stichstraße zu ihm hin – aber die endet prompt an einem kostenpflichtigen Schwimmbadparkplatz, das brauche ich jetzt nicht, drehe um und fahre durch den Schilfgürtel zurück.
Es ist heiß geworden.
Die Sonne brennt, die Alleebäume bieten ein wenig Schatten, in den Feldern knattert ein Traktor und irgendwo im Schilf liegt ein Boot.
Ich fahre weiter.
Ich will wieder zurück in die Berge.
Die Straße kurvt sich durch Dörfer und kleine Städtchen – eines davon trägt den stolzen Beinamen “am Gebirge” und liegt doch mitten in einer der flachsten Ebenen, die dieses Land zu bieten hat.
Die Straße wird breiter, wird zur Schnellstraße, wird autobahnartig, und ich brause dahin, die Landschaft wird hügeliger, waldiger… und dann komme ich an einen Ort, dessen Name klingt nach Sommerfrische und Kaiserwetter, hier kann man Skifahren, hier fangen die Berge an!
Es gibt eine Panoramastraße, oben am Hang mit Blick über ein bewaldetes Tal und die Ebene aus der ich gerade gekommen bin, es gibt elegante Hotels an jener Panoramastraße und auf dem Parkplatz ist meine Lady in guter Gesellschaft… abgestellt… Knöpfchen gedrückt… Halt! Was ist das? Das Verdeck klemmt?
Am Armaturenbrett blinkt eine Warnleuchte und ein unangenehmes “Plins!” fordert mich auf, unverzüglich eine Werkstatt aufzusuchen.
Ich erstarre. Mir läuft es siedend heiß den Rücken hinunter. Wenn das mal nicht…
Ich drücke den Knopf erneut, einmal auf, einmal zu… es plingt immer noch… nochmal auf, nochmal zu…
das plingen hört auf, mit gewohntem Surren schließt sich das Dach.
Mit wackeligen Knien steige ich aus, aber nach Sightseeing ist mir jetzt nicht mehr der Sinn, ich habe eh schon fast alles gesehen, also wieder eingestiegen und weiter.
Hinter der Paßhöhe bin ich tatsächlich wieder in den richtigen Bergen. Je weiter ich fahre, desto höher werden sie, dann hört die Autobahn auf, die Straße wird kurvig, idyllisch, romantisch und zieht sich Stunde um Stunde dahin.
Am frühen Abend erreiche ich den Glamoursee. Mein Hotel (Vier Sterne, fünfundvierzig Euro), liegt vielleicht fünfzehn Kilometer entfernt in einem Dorf, wo… eigentlich sonst nix los ist.
Ich checke ein und steige gleich wieder ins Auto und dann nix wie hin zum Glamoursee.
Und da tobt das Leben! Blauer Himmel, milde Sommerabendluft und endlich kann ich mit offenem Verdeck und cooler Sonnenbrille, die linke Hand locker aufs Fenster gelehnt ganz langsam die Uferpromenade entlangfahren und da schmeckt das Eis gleich doppelt so gut.