Wenn es etwas gibt, was die meisten Allgemeinmediziner sich wünschen, dann ist das wohl: mehr Zeit für den Patienten. Angesichts des zunehmenden Zeitdrucks, der ständig steigenden Patientenzahlen und des immer höheren Aufwands für Abrechnungen und Dokumentationen scheint das aber mithin ein Wunsch an den Weihnachtsmann zu sein. Die Realität entwickelt sich – zumindest momentan – in genau die entgegengesetzte Richtung. Die wirklich wichtige Frage für einen Arzt ist deshalb: wie gehe ich mit dieser Situation um – und was kann ich für mich daran besser machen, oder wenigstens entschärfen? Wie kann ich die Behandlungsqualität hier doch noch auf einem guten Niveau halten? Im nachfolgenden Beitrag werden deshalb einige mögliche Lösungsmöglichkeiten für die Allgemeinpraxis angeboten.
Der Arzt und die Qualität ärztlicher Behandlung
Der Arzt übt, so wie auch der Rechtsanwalt, eigentlich einen beratenden Beruf aus – jedenfalls wenn es nach der Anschauungsweise mancher Gesetze geht. Nirgends anders ist die Diskrepanz aber so groß wie zwischen Ärzten und Rechtsanwälten. Kein Anwalt würde nach einer eineinhalbminütigen Anhörung ein Formular herausziehen und eine Klage fertig formulieren – bei Ärzten ist genau das aber normal. Dass das überhaupt so oft gut geht, ist allein der Konzentrationsfähigkeit, der enormen Sachkenntnis und dem durch Erfahrung geschulten Auge des Arztes zu verdanken. Selbst der beste Anwalt muss immer wieder einmal in den Gesetzbüchern nachschlagen – die Medizin ist ein wesentlich komplexeres Gebiet, und Ärzte schlagen so gut wie niemals nach. Soviel dazu – ein Ausweg ist das allerdings nicht. Und die meisten Ärzte können den gebotenen Zeitdruck bei der Beratung oft nur schwer mit ihrem Gewissen vereinbaren. Für manche Patienten möchte man gerne mehr tun, sollte sich vielleicht auch intensiver mit ihm auseinandersetzen – allein, die Zeit erlaubt es nicht. Was aber kann man tun?
Beratung findet nicht nur im persönlichen Austausch statt
Beratung bedeutet – unter anderem – auch, dass man einem Patienten so viel Information über seine Krankheit wie möglich mit auf dem Weg gibt. Je besser ein Patient eine Erkrankung oder die Ursache von Symptomen versteht, desto sicherer fühlt er sich, und desto besser kann er den Sinn einer Behandlung nachvollziehen. Dort, wo lange Erklärungen zeitlich einfach nicht möglich sind, kann schon einmal eine gute Basis durch Broschüren und Handouts geschaffen werden. Diese kleinen schriftlichen Informationen aus ärztlicher Hand vermeiden, dass der Patient sich Halbwissen aus dubiosen Internetquellen aneignet, oder auf unseriöse Therapieangebote hereinfällt. Beratung kann auch bedeuten, dass jemand anders die notwendige Zusatzberatung übernimmt – ein Diätassistent, beispielsweise, oder ein Physiotherapeut. Hier geht es um Delegieren, darum, dem Patienten so viel wie möglich an Information und Beratung zukommen zu lassen. Immerhin ist er es, der unter seiner Krankheit zu leiden hat. Die Möglichkeiten hier sind vielfältig – und man sollte sie im Interesse des Patienten nützen.
Gesundheitsvorsorge als Prophylaxe
Wer rechtzeitig mögliche Problembereiche angeht, kann manches schon im Vorfeld vermeiden. Übergewicht, Bewegungsmangel, psychisch belastende Lebensumstände, Alkoholmissbrauch und Stress – alle diese Dinge sind meist schon lange vorher sichtbar, bevor sie tatsächlich schwere Erkrankungen auslösen. Und sie können auch schon lange im Vorfeld angegangen werden. Ärztliche Informationsabende im Kreis der eigenen Patienten, Broschüren, umfassende Gesprächstermine außerhalb der Praxiszeiten – all das sind wichtige prophylaktische Möglichkeiten, ebenso wie Hinweise auf unterstützende Maßnahmen, die der Patient selbst durchführen kann. Das zeigt dem Patienten, dass der Arzt sein Leiden ernst nimmt – und dass er es auch tun sollte. Immerhin wissen wir, dass mehr als zwei Drittel unserer typischen Zivilisationskrankheiten in enger Verbindung mit einem gesundheitlich abträglichen Lebenswandel stehen. Deutliche Hinweise und vor allem konkrete Handlungsanweisungen und Erklärungen, wo das sichtbar der Fall ist, schaden auch Patienten nicht. Ganz im Gegenteil, der Patient ist damit im wahrsten Sinne des Wortes gut beraten. Und als Arzt hat man möglicherweise auch einiges an zukünftigem Schaden verhindern können – was auch dem eigenen Gewissen in all dem Zeitdruck ein wenig gut tut.