Walter Amoah, im Young Lions Gesundheitsparlament Mitglied im Ausschuss Dringende Probleme, besuchte Ende August das GIC Forum on Health and Social Protection der GIZ, der KFW und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Bonn. Im Interview berichtet er, welche Debatten sich durch die Veranstaltung zogen und was seine Highlights waren.
Lieber Herr Amoah, worum ging es bei der Veranstaltung genau?
Wie im Titel bereits klar wird, ging es um das Thema Universal Health Coverage (UHC), also der weltweit gesicherten Gesundheitsvorsorge für alle Menschen.
Das Ziel UHC baut auf die Alma-Ata Deklaration von 1978 auf. Diese setzte erstmals die Gesundheit und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit als Menschenrecht fest. Ihr Ziel ist es, jedem Menschen weltweit finanzierbare, qualitative und effektive Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, ohne dass die oder der Behandelte sich dafür verschulden muss. Jedes Jahr gibt es zu dem Thema eine große internationale Konferenz.
Die Veranstaltungen dienen dazu, eine Plattform zu schaffen, auf der sich Entscheider verschiedener Disziplinen wie Politik, Medizin, Wirtschaft, Naturwissenschaft und Gesundheitsökonomie aus verschiedenen Ländern zu ihren Erfahrungen bei der Umsetzung der UHC austauschen können.
In Bonn waren ungefähr 250 Teilnehmer aus aller Welt dabei, die über 50 Referenten waren selbst auch aktive Teilnehmer z.B. in den Workshops.
Was war ein besonders stark diskutiertes Thema und zog sich durch die zwei Konferenztage?
Das Thema, das durchgängig diskutiert wurde, war die Frage, wie man eine adäquate Gesundheitsversorgung finanzieren kann. Das ist auch ein Thema, das regelmäßig beim Young Lions Gesundheitsparlament im Fokus steht. Ohne die passende Finanzierung helfen eben auch die besten Maßnahmen und Ideen nichts.
Außerdem wurde häufig diskutiert, wie Menschen mit Beeinträchtigungen, seien sie sozial, psychisch oder physisch, optimal in die Gesundheitsversorgung eingebunden werden können. Ein Punkt, der mir in den Diskussionen allerdings ein bisschen zu kurz kam, war die Diskussion, dass eben auch ältere Menschen in gewisser Art beeinträchtigt sind und wie auch für sie optimale Gesundheitsversorgung gewährleistet werden kann. Die Debatte führen wir unter dem Gesichtspunkt der Demographie auch häufig im Gesundheitsparlament. Der demografische Gesichtspunkt führt uns dann auch häufig weiter zum Thema Fachkräftemangel in der Pflege in Deutschland. Die demografische Entwicklung in Deutschland geht abwärts, in anderen Ländern ist sie steigend. Das war auch eine häufig gestellte Frage: Was muss sich ändern, um weltweit gute Fachkräfte zu haben?
Wurde eine Art der Finanzierung des Gesundheitssystems präsentiert, von der auch andere Länder profitieren können?
Die weltweiten Gesundheitssysteme sind so unterschiedlich, da kann die Finanzierungsart nicht wirklich verallgemeinert werden. Während westliche Länder zum großen Teil eigenfinanzierte Gesundheitssysteme haben, sind die Systeme von Entwicklungsländern häufig kredit- und spendenfinanziert. Besonders spannend finde ich den Prozess, wie es Entwicklungsländer schaffen, von dieser fremdfinanzierten Form zu einem eigenfinanzierten Modell zu kommen. Das ist besonders herausfordernd. Zum Beispiel hat Costa Rica durch die Entwicklung in den vergangenen Jahren das Ziel UHC fast erreicht.
Diese Unterschiedlichkeit führt natürlich auch dazu, dass besonders die Länder, deren Gesundheitssysteme noch auf Fremdfinanzierung angewiesen sind, auf dem Kongress besonders im Fokus standen. Da gibt es natürlich noch viel mehr zu tun, als zum Beispiel in Deutschland. Wir haben hier zwar auch Probleme, die es zu lösen gilt, aber das deutsche Gesundheitswesen ist im internationalen Vergleich schon ein Vorbild.
Das finde ich persönlich so wichtig bei der Arbeit im Gesundheitsparlament. Da ich selbst in Ghana geboren bin, kenne ich auch die andere Seite und weiß, was alles in der ganz grundlegenden Gesundheitsversorgung schief gehen kann. Aber der hohe Standard in Deutschland und auch die Ambition noch weiter voranzugehen – das merkt man auch bei den Young Lions. Eine Gruppe junger Leute, die zukünftig entscheiden können und wichtige Stellschrauben drehen können, machen sich schon frühzeitig Gedanken darüber, wie die Zukunft aussehen könnte. Das finde ich toll.
Gab es ein Keynote-Highlight für Sie?
Besonders spannend fand ich die Keynote von Tim Evans von der Weltbank, der genauer erklärt hat, welche Rolle die Weltbank bei der Umsetzung des Universal Health Coverage spielt. Das war mir so im Detail gar nicht klar. Überrascht hat mich, dass die Weltbank nicht nur als reiner Finanzierer sehr von „oben“ agiert, sondern auch im einzelnen schaut, dass das bereitgestellte Geld da ankommt, wo es hinsoll.
Neben Keynotes und Paneldiskussionen standen auch viele Workshops auf dem Programm des GIC Forums. Welche Workshops fanden Sie bereichernd?
Sehr spannend fand ich den Workshop zur South-South-Cooperation. Dieser Zusammenschluss ist eine Art Austauschplattform für Entwicklungsländer. Im Workshop dazu wurden vor allem Erfahrungen Verantwortlicher verschiedener Länder ausgetauscht. Da waren dann auch einige fast humorvolle Anekdoten dabei – auch wenn sie das beim näheren Betrachten nicht wirklich sind.
Ein Vertreter aus Ghana erzählte zum Beispiel, dass das Gesundheitssystem dort zunächst dezentralisiert wurde. Separat entwickelten sich dann die einzelnen Regionen weiter. Das Problem war: Es gab fast keine zentralen Absprachen mehr. Was zur Folge hatte, dass separat gesammelte Daten gar nicht mehr kompatibel und für das ganze Land auswertbar waren. Das fing dann schon bei so Daten wie z.B. Geburtstagen an.
Das war für mich ziemlich augenöffnend – auch erfahrene Gesundheitspolitiker können Fehler machen. Aber wenn nicht auch mal Fehler gemacht werden, geht’s meist auch nur schwer voran.
Ein anderes Praxisbeispiel stellte Gerald Bloom vom British Institut of Development Studies vor. Und zwar wie beim Aufbau eines Gesundheitswesens in einem Entwicklungsland mit den bestehenden Ressourcen umgegangen wird. Das von ihm angeführten Beispiel: In ländlichen Gebieten Pakistans haben viele Menschen noch mehr Vertrauen in „Medizinmänner“ als in ausgebildete Ärzte. Und obwohl die traditionelle Medizin auch in vielen Fällen helfen kann, können langfristig gesundheitliche Beschwerden auftreten. Wie bindet man nun am besten diese traditionellen Heiler bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems mit ein?
Statt sie komplett außen vor zu lassen, sagt Bloom, sei es viel hilfreicher sie in das neue System zu integrieren. Ihr Wissen wertzuschätzen, ihnen medizinisches Grundwissen mitzugeben und sie dafür zu sensibilisieren, dass sie ihre Patienten in schweren Fällen an Ärzte überweisen.
Ganz praktisch gesehen, wäre es auch gar nicht möglich, die traditionellen Mediziner zu ignorieren. Zum einen gibt es noch keine ausreichende Infrastruktur vor allem in ländlichen Regionen – außerdem würden die reine Versorgung durch ausgebildete Mediziner adhoc von der Bevölkerung wohl nicht angenommen werden. Dazu wäre diese komplette Abdeckung mit Ärzten aktuell noch nicht finanzierbar. Also: Erstmal die Ressourcen anschauen, die verfügbar sind und möglichst weiter damit arbeiten.
Waren auch Ideen für das deutsche Gesundheitswesen dabei?
Nicht direkt, da sind die Deutschen einfach schon zu weit vorne dabei. Aber ich persönlich fand die Vergleiche zwischen westlichen Ansätzen und Ansätzen von Entwicklungsländern ziemlich spannend.
Ein Beispiel: Um in Bangladesch die Bezahlung von Gesundheitsleistungen in ländlichen Gebieten zu ermöglichen, wurde die Bezahlung über Handys geregelt, weil keine alternative Bezahlinfrastruktur verfügbar war.
Der westliche Ansatz wäre vermutlich der gewesen, zunächst die Infrastruktur aufzubauen und dann die Leistungen auch in ländlichen Gebieten möglich zu machen. Langfristig wäre das wohl auch effizienter, aber kurzfristig kostspielig, zeitintensiver und es kämen zunächst keine Leistungen bei den Betroffenen an.
Was haben Sie persönlich vom GIC Forum mitgenommen?
Was mir nochmal deutlich geworden ist: Das Gesundheitssystem ist eine tragende Säule eines Landes und einer Gesellschaft und ist neben der Gesundheit der Bevölkerung auch wichtig für die wirtschaftliche Sicherheit und die Arbeitssicherheit.
Außerdem wurde mich einmal mehr vor Augen geführt, dass es nicht DIE Lösung für Probleme in Gesundheitssystemen gibt. Die verschiedenen Herangehensweisen und Lösungen verschiedener Länder zeigen, dass es da einfach so viele Perspektiven und Möglichkeiten gibt, die nur schwer auf andere Länder anwendbar sind.
Besonders toll waren auch die persönlichen Gespräche vor Ort.
Link zum Programm der Konferenz :
http://www.health.bmz.de/en/events/GIC-Forum-UHC/UHC-Programme.pdf
Walter Amoah studiert Angewandte Biologie an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Im Young Lions Gesundheitsparlament ist er Mitglied des Ausschusses Dringende Probleme.