Muskelrelaxantien bei schmerzhaften Muskelverspannungen?

Oder: der evidenzbasierte Unsinn der Schulmedizin

Heute geht es um „beliebte“ Belästigungen des körperlichen Wohlbefindens, die wohl jeder einmal in seinem Leben durchmachen musste. Ein gewisser signifikanter Prozentsatz von uns muss mit diesen Leiden mehr oder weniger permanent leben. Ich meine hier Verspannungen, Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Ischiasbeschwerden, Hexenschüsse und so weiter. Vor allem die chronischen Schmerzen in Rücken und Nacken sind oft so beharrlich, dass die Betroffenen gleich eine ganze Serie von Ärzten aufsuchen, die ihnen aber oftmals auch nicht helfen können.

Ich hatte vor etwas längerer Zeit ein paar Empfehlungen und Analysen gemacht, wie dieses Problem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu lösen ist und warum die schulmedizinische Lösung keine sein kann. In meinem Beitrag zu Verspannungen schrieb ich schon damals (vor circa 2 Jahren), dass die Gabe von Muskelrelaxantien keine therapeutische Lösung ist, nicht zuletzt deshalb, weil es keine „evidenzbasierte“ Grundlage dafür gibt. Oder in anderen Worten: es gibt keine Studie, die den Einsatz von muskelrelaxierenden Substanzen, gleich welcher Couleur, als vorteilhaft beschreibt.

Ein neues Arznei-Telegramm nimmt genau diese Thematik unter die Lupe. Es thematisiert die fast reflexartige Bereitschaft der Schulmediziner, bei Verspannungen, Rücken- und Nackenschmerzen und so weiter zur muskelrelaxierenden Spritze zu greifen. Wie es aussieht, geht eine große Zahl von Ärzten davon aus, dass dieses therapeutische Vorgehen durch Studien und die gängige Praxis abgesichert ist.

Dieser Traum war dann spätestens ausgeträumt, als unter einem neueren Benzodiazepin, dem Tetrazepam, tödliche Hautreaktionen auftraten. Die Substanz ist darüber hinaus auch bekannt für eine auch für diese Substanzgruppe überraschend schnelle Abhängigkeitsentwicklung. Ab August 2013 gilt die Substanz in Deutschland als aus dem Verkehr gezogen. Gleiches gilt wohl auch für Frankreich. In Großbritannien und den USA wurde das Gift erst gar nicht zugelassen.

Dies sind vielleicht nur die Ausnahmen, die die Regel bestätigen, so könnte man argumentieren. Aber das Arznei-Telegramm kommt auch hier zu einem anderen Schluss. Auf die Frage nach Alternativen zu Tetrazepam, erklärt das Telegramm Folgendes: Die Studien, die angeblich die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Muskelrelaxantien bewiesen haben sollen, haben durch die Bank erhebliche Mängel aufzuweisen. Es fängt an mit diagnostischen Unklarheiten, so dass man Test-Patienten hat, die einfach nur Schmerzen haben, ohne zu wissen, was die Ursache dafür ist. Man vergleicht in solchen Arbeiten also Äpfel mit Seegurken.

Auch das „Prädikat“ Rückenschmerzen ist keine exakte Diagnose, da man den Rücken nicht für seine Schmerzen verantwortlich machen kann. Also greift man zur „Differentialdiagnose akute schmerzhafte Muskelverspannungen“ am Rücken und behandelt mit Diazepam. Aber die Studienwelt gibt für dieses Behandlungskonzept nur drei Arbeiten her, die praktisch alle keine Relevanz aufzeigen können. Es gibt sogar Hinweise, dass eine Behandlung mit der Substanz zu Problemen führen kann. Die Zahl der involvierten Patienten war, wie in schulmedizinisch ausgerichteten Studien üblich, mit 60 Teilnehmern mehr als übersichtlich, so dass die negative Bilanz nicht ganz so drastisch ausfiel. Denn in dieser Studie war die Schmerzlinderung in der Plazebogruppe mit 50 Prozent signifikant besser als in der Diazepam-Gruppe. Und die Dauer der Krankenhausaufenthalte war in der Plazebogruppe auch deutlich kürzer als in der Verumgruppe.

Interessanterweise gibt es zum tödlichen Tetrazepam überhaupt keine Arbeiten für diese Indikation. Es ist kaum zu glauben, aber die Hohepriester der evidenzbasierten Heilkunde treten wieder einmal ihre eigenen Prinzipien mit Füßen.

Damit macht das Arznei-Telegramm erst einmal einen Schlussstrich unter die Benzodiazepine. Aber auch die Nicht-Benzodiazepine kommen kaum besser davon. Tizanidin, ein ?2-Adrenozeptor-Agonist, erfährt in seinen drei Studien aus Großbritannien und Finnland ebenfalls keinen signifikanten Wirksamkeitsnachweis. Auch hier kommen Patientenzahlen zum Einsatz, die mit 30, 105 und 112 für schulmedizinische Begriffe astronomische Dimensionen haben müssen. Eine türkische und indische Arbeit dagegen kann Wirksamkeiten bei der Schmerzreduktion nachweisen. Diese trat in der türkischen Studie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit deshalb auf, weil die Verteilung der 97 Teilnehmer in Verum- und Plazebogruppe ungleich erfolgte, ohne dass diese seltsame Praxis näher erklärt worden war. Die indische Studie mit 197 Teilnehmern benutzte eine feste Kombination mit einem anderen Präparat, einem nichtsteroidalen Antirheumatikum, das in Deutschland kaum jemand zum Einsatz bringt. Tizanidin war mit 2 Milligramm in dieser fixen Kombination deutlich unterdosiert, da die gängige Praxis in Deutschland eine tägliche Dosierung von 6 bis 16 Milligramm ist. Damit fällt die indische Studie für eine zuverlässige Beurteilung der Wirksamkeit von Muskelrelaxantien auch ins Wasser.

Andere Substanzen, wie Orphenadrin, Methocarbamol, Pridinol, Tolperison und so weiter, hauen in die gleiche Kerbe: entweder gibt es keine Studien für die Substanz oder aber das bisschen Studie mit ein paar wenigen Vorzeige-Probanden zeigt keine Wirksamkeit der untersuchten Substanz. Benzodiazepine dagegen zeigen eine überwältigende signifikante Wirksamkeit – nicht bei der Schmerzlinderung, sondern beim Erzeugen eines Abhängigkeitspotentials. Hier hat der Patient den perfekten pharmakologischen Abenteuerspielplatz: keine Schmerzlinderung, aber nach der Therapie noch ein zusätzliches Problem mit seiner Medikamentenabhängigkeit. So geht evidenzbasierte Schulmedizin.

Bei den Nackenschmerzen sieht es noch trauriger aus: so gut wie keine Arbeiten, die die Therapie mit den Relaxantien absichern soll oder kann. Inzwischen gibt es auch wieder einmal eine Leitlinie seitens der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), die gegen eine kurzzeitige Verwendung dieser Substanzen mit nachgewiesener Wirkungslosigkeit nichts einzuwenden hat (es gibt Leute, die wollen einfach die Realität nicht anerkennen, wollen einfach nicht lernen). Was treibt diese Leitlinien-Mediziner zu diesen kühnen Höhenflügen in Sachen Ignorieren von evidenzbasierten Arbeiten? Sie glauben an den Storch, den Weihnachtsmann und an die Ableitung einer schmerzstillenden Wirksamkeit der Muskelrelaxantien aus der Literatur. Festung der Argumentation für diese Wirksamkeit und damit diese Leitlinie ist eine Metaanalyse von Cochrane. Wer da noch an den Wissenschaftscharakter der Schulmedizin glaubt, der glaubt auch noch an den Weihnachtsmann. Aber auch das hatte ich ja im Wissenschaftsreport näher erörtert.

Fazit

Immerhin springt das Arznei-Telegramm nicht auf den schulmedizinischen Leitlinien-Zug, sondern erklärt, dass der Nutzen der Muskelrelaxantien bei Nacken- und Rückenschmerzen nicht hinreichend belegt erscheint. Auch daran können trotzige Leitlinien nichts ändern.

Wie sehen die Alternativen aus? Auch hier habe ich bereits „Vorarbeit“ geleistet und einige Beiträge verfasst, die dem interessierten Leser einen Einblick in die Alternativen geben:

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