“Hallo?”
Am anderen Ende des Telefons gähnt es. Das ist nicht weiter verwunderlich, immerhin ist es gerade halb vier. Halb vier Uhr in der Nacht.
“Hallo, guten Morgen!” sage ich betont fröhlich. Das ist eigentlich eine Lüge, denn zur Definition von Morgen gehört meiner Ansicht nach, dass ich zuvor geschlafen habe. Aber das kann man sich manchmal nicht aussuchen.
“Jaaaa…?”
“Spreche ich mit dem Diensthabenden Geistlichen?”
“Hmmmm..”
“Guten Morgen…” – zwar bin ich längst lange genug im Geschäft, aber die Anrede will mir immer noch nicht leicht über die Zunge kommen. Sagt man heute noch “Hochwürden”? Ich zumindest weigere mich beharrlich.
“Guten Morgen, Herr Pfarrer. Wir haben einen Sterbefall!”
Schweigen.
“Hallo?”
“Ja?”
“Wir haben einen Sterbefall!” wiederhole ich.
Erneutes Schweigen
“Einer von unseren Patienten ist verstorben!”
“Hab schon verstanden!”
Wieder Schweigen.
“Was wollen Sie von mir?”
Wie bitte?
Ich bin verwirrt. Na gut, Begeisterung erwarte ich nicht, das ging mir nicht anders, als ich vor einer knappen Stunde aus meinem Bettchen telefoniert wurde. Aber davon abgesehen…
“…also, ich dachte…. vielleicht die letzte Ölung…?”
“Letzte Ölung gibt es nicht mehr!”
“Aha?”
“Wir sprechen heute von der Krankensalbung. Damit meinen wir die letzte Wegzehrung für einen schwer kranken Menschen vor seiner letzten Reise. Wie ich aus Ihrer Rede entnehme, hat der Betreffende seine letzte Reise allerdings bereits vollendet…”
“Hmmm. Aber die Angehörigen…”
“…die Angehörigen benötigen in dieser schweren Stunde vor allem Trost und Beistand. Das kann jeder Christnmensch spenden, auch Sie, junger Mann. Also gehen Sie hin, stehen Sie ihnen bei, beten Sie gemeinsam!”
“Ja, aber…”
“…und sagen Sie ihnen, wenn sie einen Termin für die Beisetzung vereinbaren sollen, sollen sie nach der Frühmesse im Pfarramt vorbeikomen!”
Aber…
Er hat schon aufgelegt.