Die Europäische Klinische AIDS-Gesellschaft (EACS) hat die Diskriminierung von Schwulen und Lesben in Russland verurteilt – doch was kann ein solches Statement bewirken? Eine Einschätzung von Armin Schafberger
Eigentlich ist es ungewöhnlich für eine medizinische Fachgesellschaft, dass sie politische Statements veröffentlicht. Aber, so Nathan Clumeck (EACS, Belgien): Die diskriminierenden Gesetze in Russland behindern die HIV-Prävention und erhöhen die Zahl der Neuinfektionen. Und so gesehen muss sich eine Fachgesellschaft auch in die Politik einmischen.
Doch was bringt solch ein Statement? Manuel Battegay (EACS, Schweiz) räumt ein, dass sich die russische Politik in der letzten Zeit nicht von außen beeinflussen ließ. Trotzdem: Das Statement erreicht auch die russischen Ärzte. Und die EACS zeigt in ihren Äußerungen auch die Bedeutung der Substitution und des Spritzentauschs für Drogengebraucher auf und ruft zum Abbau von Diskriminierung gegenüber den Gruppen auf, die von HIV stärker bedroht sind: Schwule, Sexarbeiterinnen und Drogengebraucher. Auch bei den Ärzten in Osteuropa muss ein Umdenken einsetzen.
Tamás Bereczky (European AIDS Treatment Group, Ungarn) betont, dass solch ein Statement gerade für die HIV-Positiven in Russland eine wichtige Unterstützung sei. Sie erleben, dass europäische Fachgesellschaften sich für die Prävention und ihre Belange einsetzen – im eigenen Land werden sie von Politik und Teilen der Gesellschaft abgelehnt und diskriminiert.
Osteuropa ist der neue Brennpunkt der HIV-Epidemie
Klare Worte der EACS – sie werden die Situation von Drogengebrauchern, Schwulen, Sexarbeiterinnen und HIV-Positiven in der nächsten Zeit kaum verändern, das wissen alle Beteiligten. Aber es gilt, Veränderungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen in Bewegung zu setzen, um die HIV- und Hepatitis-Epidemie in Osteuropa zu stoppen.
Michel Kazatchkine (Sondergesandter des UN-Generalsekretärs für HIV in Osteuropa und Zentralasien) fasst die Lage dort mit einem Satz zusammen: „Es wird schlimmer.“ Während weltweit die Infektionszahlen zurückgehen, steigen sie in Osteuropa. Während weltweit ein substanzieller Anteil der HIV-Positiven eine Therapie erhält, liegt dieser Anteil dort bei gerade einmal 23 Prozent derer, die Medikamente brauchen – nach den alten WHO-Leitlinien! Legt man die neuen Leitlinien zugrunde, die einen Therapiestart bei 500 Helferzellen pro Mikroliter Blut vorschreiben, liegt der Anteil nur bei 15 Prozent. Das sind deutlich schlechtere Werte als in afrikanischen Ländern. Osteuropa ist der neue Brennpunkt der HIV-Epidemie.
Links
Statement der EACS gegen diskriminierende Gesetze in Russland (PDF-Datei, Englisch/Russisch)
Bericht zum Statement auf aidsmap.com (Englisch)