Angelina Jolie-Effekt – Brustkrebsgen nicht tödlich sagen Forscher

Im Juni 2012 veröffentlichte ich ein paar Gedanken über die „prophylaktische Brustamputation von Angelina Jolie“. Zentrale Idee der prophylaktischen Amputation ist ein angeblich genetisch bedingtes erhöhtes Risiko durch das Brustkrebsgen BRCA1 bzw. BRCA2, an Brustkrebs zu erkranken.

Um der Genetik jetzt ein Schnippchen zu schlagen, operiert man das weg, was „die Genetik“ befallen will. Unglücklicherweise ist das Brustkrebsgen nicht nur ein Brustkrebsgen. Es erhöht angeblich auch noch das Risiko für Eierstock- und Dickdarmkrebs.

Meine in dem Artikel etwas ironisch vorgebrachte Aufforderung, sich dann (nur um konsequent zu sein), auch noch die Eierstöcke und den Dickdarm entfernen zu lassen, scheint von der Schauspielerin zumindest teilweise erhört worden zu sein. Aber es geht um mehr, wie wir gleich sehen werden!

In einem Artikel der „DailyMail online“ mit der Überschrift „The Jolie effect: Number of women asking about mastectomies quadruples since actress revealed she had her breasts removed to reduce cancer risk“ kommt die Mitteilung, dass sich „Miss Jolie, die mit Brad Pitt, 49, verheiratet ist, sich einer Totaloperation unterziehen wird, um das Risiko von Eierstockkrebs zu reduzieren.“ Unter einer Totaloperation versteht man eine operative Entfernung von Eierstöcken und Gebärmutter.

Ja, und was ist dann mit dem Darm und seinem Krebsrisiko? Und was ist, wenn wir ein Gen für ein erhöhtes Risiko für Hirntumore entdecken? Müssen wir uns dann das Hirn wegoperieren lassen? Bei dieser Operationswut rund um ein Gen und seinem möglichen Risiko liegt die Vermutung nahe, dass ein solches oder ähnliches Gen schon aktiv geworden sein muss und die Hirne aller Beteiligen für eine OP hat reif werden lassen. Ja, ich weiß, jetzt geht mir der Zynismus-Gaul durch. Aber was sich hier abspielt, ist in Sachen Zynismus schwer zu schlagen.

Der Artikel jubelt, ähnlich wie der bereits im Juni-Artikel erwähnte Spiegelbeitrag, dass das Bewusstsein für diese Problematik Dank der Hollywood-Größen erwacht sei. Denn immerhin kommen heute viermal so viele Anfragen bei Cancer Research UK und ähnlichen Organisationen an als zuvor.

Viermal (400 Prozent!) – das klingt gewaltig. Wenn man den Artikel aber etwas genauer liest, dann stößt man etwas weiter unten auf die „absoluten“ Zahlen. Bei Cancer Research UK riefen im April 13 Leute an. Im Mai waren es 88. Der Unterschied von 75 Leuten bei einer Bevölkerung von über 60 Millionen Briten – ist das wirklich „der Hammer“?

Auch die Webseite von Cancer Research UK sprang von 3.659 im Vormonat auf 4.796 am Vortag der Ankündigung auf 15.920 Klicks danach. Interessant hier, wie auf den Klick genau die Zeitung die Angaben wiedergibt. Aber 16.000 Klicks oder Besuche auf einer Webseite halte ich nicht für besonders beachtenswert. Andere Webseiten haben mehrere Hunderttausend an einem Tag.

Nachdem der Daily-Artikel aus ein paar Klicks und Anrufen mehr bei einer krebsforschenden Organisation eine beeindruckende Vervierfachung gezaubert hat, geht es nahtlos weiter mit den Ratschlägen rund um dieses Thema. Denn es sollen ja nicht nur Schauspieler zu Wort kommen, sondern man will die Gunst der Stunde nutzen, um sich selbst mit auf die Hollywood-Bühne zu hieven.

So kommt eine Dr. Kat Arney von Cancer Research UK zu Wort, die eine Operation voll und ganz befürwortet. Denn immerhin soll die Operation das Risiko in einem signifikanten Maß reduzieren.

Brustkrebsgen nicht tödlich sagen Forscher

So ist die Gefahr an Brustkrebs zu erkranken bei den genetischen Varianten um das Vierfache erhöht. Das Risiko an den Tumoren zu sterben ist allerdings genauso hoch wie bei Frauen, die die genetische Abweichung nicht in sich tragen. Das ergab eine groß angelegte Studie der Universität Southampton.

Die Forscher verfolgten 10 Jahre lang das Schicksal Tausender Brustkrebs-Patientinnen. Darunter waren auch Frauen, die von der Genmutation betroffen waren. Auch nach 10 Jahren lag die Wahrscheinlichkeit eines letalen Verlaufes der Krankheit nicht über dem Durchschnitt. Sogar die Frauen mit stattgehabter doppelter Mastektomie hatten insgesamt keine höhere Lebenserwartung. Die Forscher vermuten nun, dass die fehlerhaften Gene BRCA1 und BRCA2 den Verlauf der Krankheit sogar mildern können (Quelle: Lancet Oncology, 2018; thelancet.com/pdfs/journals/lanonc/PIIS1470-2045(17)30891-4.pdf).

Zumindest für die ersten 2 Jahre könnte dies der Fall sein. Die Southamptoner Ärzte geben daher Entwarnung. Nach ihrer Ansicht sollten Frauen die Brustamputationen nicht unbedingt vornehmen lassen. Direkt abraten wollen sie aber auch nicht. Meine Meinung: Die fürchten starken Gegenwind aus den eigenen Reihen der Ärzteschaft! Denn wie sagte es der berühmte Chirurg Prof. Dr. Julius Hackethal seinerzeit: „Die Heldenchirurgen warten überall!“.

Von solchen Relativierungen will Kat Arney nichts wissen. Statt dessen hat sie andere Vorschläge für diejenigen Frauen, die sich ihre Brüste absolut nicht abschneiden lassen wollen. Fast so, als sollten die ungehorsamen eitlen Damen dafür büßen und den Ärzten trotzdem irgendwie Geld in die Kassen spülen…

Die Antwort der Schulmediziner: Screening

Screening wäre eine gute Alternative, heißt es. Wie gut diese Alternative wirklich ist, habe ich im Beitrag Mammografie-Untersuchungen fragwürdig näher untersucht. Und da kann man nur den Kopf schütteln, wie die Reihen-Mommografie-Untersuchung in Deutschland weiter propagiert wird! Und warum wohl? Na, da fragen Sie einfach mal, wer der größte Hersteller der Geräte ist!

Auch der nächste Vorschlag reißt mich vom Hocker: Bestimmte Medikamente, prophylaktisch genommen, reduzieren das Risiko. Um welche Medikamente handelt es sich hier? Um alte Bekannte! Tamoxifen wird hier genannt, ein als „Wunderdroge“ angepriesenes rezeptpflichtiges Medikament. Es soll die Östrogenwirkung hemmen, die für die Tumorbildung und das Tumorwachstum verantwortlich ist. Wie günstig die Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil von dieser Substanz ist, habe ich unter Die besten Medikamente zum Krankwerden? beschrieben: Auf einen hypothetischen Fall (= 1!) von Brustkrebsverhinderung kommt ein Fall von lebensbedrohlichen Blutgerinnseln, Schlaganfällen und Gebärmutterkrebs! Ist das jetzt eine „Alternative“ oder blanker schulmedizinischer Zynismus? Da definiert die Schulmedizin (=Allopathie) die „Alternativmedizin“ doch mal auf ihre ganz eigene Art.

Und zum Happy-End der schulmedizinischen Krebsrisiko-Diskussion kommt dann wieder die Schauspielerin und Patientin zu Wort. Sie gibt Zeugnis von der heilsamen Macht der erbärmlichen…  – äh nein, der barmherzigen „Mutter Schulmedizin“. Denn die Operation, habe sie in ihrer gesundheitlichen Krise näher an ihren Mann gebracht. Ich weiß jetzt nicht, wie weit der von ihr weg war. Und ich weiß auch nichts von einer gesundheitlichen Krise, ging es doch ausschließlich um eine Risikobewertung für sie. Oder sind Diskussionen über ein Krebsrisiko schon mit einer handfesten gesundheitlichen Krise gleichzusetzen?

Wer das noch nicht einmal auseinander halten kann, der kann auch keine qualifizierten Aussagen zu dem viel komplexeren Risikothema machen. Hollywood lässt grüßen. Warum fragen die eigentlich nicht Supermann, der das Gen mit seiner Krypton-Laser-Kanone ganz leicht ausschalten könnte? Das würde Cancer Research UK bestimmt in eine Telefonzentrale verwandeln 🙂

Dieser Beitrag wurde erstmalig im November 2013 erstellt und letztmalig am 19.1.2018 aktualisiert.

Dieser Beitrag Angelina Jolie-Effekt – Brustkrebsgen nicht tödlich sagen Forscher wurde erstmalig von Heilpraktiker René Gräber auf NaturHeilt.com Blog veröffentlicht.

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