(P. Köhler) Wir Strahlenmediziner sollten aber den Forensiker-Bericht, den der arabische Nachrichtensender Al Jazeera 2011 beauftragt und nun veröffentlicht hat, im Original lesen (Link folgt unten), das ist eine hochspannende Lektüre.
Ebenso den kurzen Artikel, den die Genfer und Lausanner Experten kurz vor der Exhumierung Arafats geschrieben hatten über das Polonium, das sie 2012 an seinen persönlichen Kleidungsstücken gefunden hatten. Dieser Artikel lag offenbar lange im Review und ist erst vor ein paar Wochen im Lancet erschienen.
Der neue Bericht ergänzt nun die radiologischen Untersuchungen der Proben aus Arafats Grab in Ramallah. Die neuen Daten stimmen im Ergebnis mit den Messungen an den Kleidungsstücken überein.
Arafats Krankengeschichte aus dem HIA Percy (Paris) wird nochmals ausführlich referiert und analysiert. Beginn und Verlauf der Symptome sind nach Ansicht der Autoren mit einer Vergiftung durch einen Alphastrahler wie Polonium-210 konsistent, auch wenn nicht das typische Vollbild einer akuten Strahlenkrankheit vorlag.
Die Schweizer Autoren zählen zu den renommiertesten Rechtsmedizinern der Welt. Ich bin von der Sorgfalt und der außerordentlich hohen Fachkunde, die aus den beiden Papieren spricht, beeindruckt. Ihre Argumentation ist für mich schlüssig und ihre Schlussfolgerung zwingend:
"Mit Rücksicht auf die oben erwähnten analytischen Einschränkungen, vor allem die seit dem Tod verstrichene Zeit und die Art und Qualität der Proben, stützen die Ergebnisse moderat die Annahme, dass der Tod die Folge einer Vergiftung mit Polonium-2010 war."
(Eine Fußnote listet die Bezeichnung "moderat" als die zweithöchste von sechs Verbindlichkeitsstufen.)
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- Pascal Froidevaux, Sébastien Baechler, at al.: Improving forensic investigation for polonium poisoning. The Lancet 382 (12. Oktober 2013), p. 1308
- Patrice Mangin, Francois Bochud, et al. (Centre hospitalier universitaire vaudois CHUV) : Expert forensics report concerning the late president Yasser Arafat. Al Jazeera, 5. November 2013