Befund:
Reizblase mit vermehrtem Wasserlassen (Pollakisurie) und Harninkontinenz
I. Anamnese und therapeutische Vorüberlegungen
Ein 13 Jahre altes Mädchen, litt unter andauernden Reizblasensymptomen. Der behandelnde Urologe tippte trotz unauffälliger Harnlaborwerte erst einmal auf einen Harnwegsinfekt. Nach der Antibiotikakur besserten sich die Beschwerden der jungen Patientin aber nicht, sie verstärkten sich eher noch. Bei einer nachfolgenden Ultraschalluntersuchung wurde dann eine Verdickung der Blasenmuskulatur festgestellt: wohl die Folge des dauernden Versuchs, den vermeintlichen drohenden Harnfluss aufzuhalten. Der behandelnde Arzt zog eine Therapie mit muskelentkrampfenden Mitteln in Erwägung, betonte aber, dass diese medikamentösen Maßnahmen eventuell ein Leben lang fortgesetzt werden müssten. Durch die manifeste Verdickung der Ringmuskulatur am Blasenausgang kam es mittlerweile wirklich schon zur gelegentlichen Inkontinenz.
In seiner Verzweiflung über das Leiden seiner Tochter wandte sich der Vater an mich mit der Bitte, ob ich denn nicht wenigstens den Versuch machen könnte, mit naturheilkundlichen Mitteln zu helfen. Was sie bräuchte, wäre vor allem schnelle Hilfe. Nun sind solche, sich über einen längeren Zeitraum aufbauende und sich verstärkende Erkrankungen naturheilkundlich schwer zu therapieren; besonders wenn sich schon Gewebsveränderungen herausgebildet haben. Die Prognose war also eher ungünstig. Dies teilte ich dem Vater auch mit: er möge bitte nicht zu viel erwarten.
Naturheilkundliche und ganzheitliche Behandlungsmöglichkeiten
MÖGLICHKEITEN DER BEHANDLUNG EINER REIZBLASE MIT PHYTOTHERAPIE
In vielen Gesundheitsratgebern werden der Einsatz von antibiotisch und keimhemmend wirkenden Heilpflanzen empfohlen, so z.B. Kapuzinerkresse und Bärentraubenblätter. Bei einer Reizblase liegt aber in den wenigsten Fällen eine Entzündung vor, sondern eher eine psychovegetative Fehlsteuerung, die dann als Folge zu einer Verdickung und Verkrampfung der Blasenmuskulatur führen kann. Hier sind also eher sind psychisch beruhigend und stimmungsaufhellend wirkende Arzneien sowie abschwellende Mittel indiziert, z.B.
- Zitronenmelisse/Baldrian (leichte Sedierung und Muskelentkrampfung),
- Johanniskraut (Stimmungsaufhellung) und
- Kürbissamen/Weidenröschen (Schleimhautabschwellung im urologischen Bereich).
MÖGLICHKEITEN DER BEHANDLUNG EINER REIZBLASE MIT AKUPUNKTUR
Nicht nur die eigentlichen Lokalsymptome, sondern auch die psychovegetative Mitbeteiligung am Krankheitsgeschehen lassen eine Akupunkturbehandlung als aussichtsreich erscheinen.
- Auf die Psyche einwirkende Punkte wären vor allem Herz 3 (“Meister der Lebensfreude”) und Magen 36 (“Göttlicher Gleichmut”).
- Entkrampfend auf die Muskulatur wirkt Galle 34 (“Meisterpunkt der Muskulatur”).
- Dickdarm 4 hat Schleimhaut abschwellende Wirkung.
- Hinzu können noch einige lokale Punkte um den Bereich der Blase behandelt werden.
Dann ist darauf zu achten, dass mit Hilfe der Pulsdiagnostik die Fülle- bzw. Leerezustände in den Meridianen festgestellt und ausgeglichen werden. Dies wäre der Ausgleich sozusagen “auf der ersten energetischen Ebene”. Um aber wirklich nachhaltige Effekte zu erzeugen, sind diagnostische Überlegungen nach den 5 Wandelzuständen angebracht und in die Therapie mit einzubeziehen.
(Mehr zu den verschiedenen Ebenen der Akupunkturbehandlung erfahren Sie im staatlich kontrollierten und zugelassenen Lehrgang “Akupunktur” des Bildungswerk für therapeutische Berufe)MÖGLICHKEITEN DER BEHANDLUNG EINER REIZBLASE MIT HOMÖOPATHIE
Die Klassische Homöopathie ist der Königsweg unter denjenigen Behandlungsmethoden, die eine Alternative zur schulmedizinischen medikamentösen Therapie darstellen. Wenn denn gewisse Voraussetzungen gegeben sind:
- eine individuell differenzierbare Symptomatik und
- die Entsprechung dieser Symptomatik in der homöopathischen Arzneimittellehre.
Dann müsste ein richtig gewähltes Mittel durchaus imstande sein, der Patientin schnelle Hilfe zu verschaffen.
Nimmt man jetzt dasjenige Symptom, das dem Beschwerdebild einer Reizblase am besten entspricht, so ist dies sicherlich der häufige Harndrang. Im Kent-Repertorium sind unter “Blase – Harndrang – häufig” insgesamt 30 Mittel 3-wertig verzeichnet. Welches von den 30 ist das passendste? Weitere Symptome der Patientin können jetzt die Mittelwahl weiter begrenzen.
(Mehr zu den verschiedenen Möglichkeiten der homöopathischen Behandlung erfahren Sie im staatlich kontrollierten und zugelassenen Lehrgang “Klassische Homöopathie” des Bildungswerk für therapeutische Berufe)MÖGLICHKEITEN DER BEHANDLUNG EINER REIZBLASE MIT AUTOGENEM TRAINING
Sehr gut geeignet, um vegetative Dysfunktionen und ihre Folgen zu behandeln. So bietet sich wohl auch in diesem speziellen Fall ein Erlernen des Autogenen Trainings durch die Patientin an. Normalerweise fangen erst nach ein bis zwei Wochen regelmäßigen Übens die ersten formelhaften Vorsätze der AT-Grundstufe (Ruhe, Schwere, Wärme) an zu wirken, und eine chronisch verkrampfte glatte Blasenmuskulatur lockert sich. Dementsprechend erscheint das AT als gut geeignet für eine unterstützende nachfolgende Behandlung nach spezifischen Sofortmaßnahmen.
(Mehr zu den verschiedenen Ebenen der Akupunkturbehandlung erfahren Sie im staatlich kontrollierten und zugelassenen Lehrgang “Akupunktur” des Bildungswerk für therapeutische Berufe)II. Therapiewahl und Behandlungsverlauf
Ich entschied mich für die Therapie mittels Homöopathie und Autogenem Training. Sollte dies keine Besserung bringen, so könnten immer noch Heilpflanzenpräparate und Akupunktur zum Einsatz kommen.
Folgende Symptomatik wurde von der Patientin geschildert: Seit ca. 2 Jahren hätte sie eine “nervöse Blase” mit häufigem Harndrang. In letzter Zeit wäre es besonders schlimm geworden. Sie würde häufig auf die Toilette gehen, und nach der Harnentleerung würde es nachtröpfeln, das könne sie kaum verhindern. In der Schule würde es ihr sogar passieren, dass sowohl im Sitzen und auch bei Bewegung unkontrolliert geringe Harnmengen abgehen würden. Sie könne doch unmöglich in die Schule gehen und sich dabei “in die Hose machen”. Weitere Symptome waren erst einmal nicht zu eruieren.
Nach Eingabe der Symptome in das KentFree-Programm gab es folgendes Ergebnis:
In der Auswertung des Repertorisationsprogramms “KentFree” werden alle Mittel aufgezeigt, die 3-wertig bei “Harndrang häufig” und zusätzlich bei einigen der weiteren Lokalsymptome genannt wurden. Von den ursprünglich 30 dreiwertigen Mittelnennungen sind 6 übrig geblieben. Aber welches war das passendste? In die engere Wahl kamen
Ich nahm mir die Arzneimittellehre von TYLER zur Hand und begann in den jeweiligen Mittelbeschreibungen zu blättern.
Rhus-toxicodendron: Fieberkrankheiten, Überanstrengung, Zerrungen, Verrenkungen, Verstauchungen. Als Gemütssymptomatik “Traurigkeit, ohne zu wissen, warum”, des Weiteren “melancholisch, missmutig, ängstlich…”. Diese Gemütsreaktionen passten nicht zu der jungen Patientin. Natürlich war sie ängstlich. Aber das war ganz klar angesichts ihrer berechtigten Furcht vor der Inkontinenz – gerade im Beisein ihrer Mitschüler. Und diese Art von Angst als logischer Begleitbeschwerde stellt kein gutes Symptom im homöopathischen Sinne dar.
Pulsatilla: Besserung im Freien, hypochondrische Mürrischkeit (laut Hahnemann), weinerlich, bricht leicht in Tränen aus. Auch dies sind nicht die Gemütsreaktionen meiner Patientin.
Staphisagria: Und dort fand ich die entsprechende Gemütssymptomatik. Die Tochter meines Freundes hatte beim homöopathischen Erstgespräch mit mir geflucht und äußerst ärgerlich und heftig reagiert. Sie beschwerte sich fast bei mir, dass es ja wohl gar nicht angehen könne, wenn sie in der Klasse mit solchen Beschwerden sitzen würde. Und überhaupt der Arzt, der habe ihr ja schon gar nicht geholfen. Während des Erstgesprächs waren mir diese ungestümen Äußerungen kaum aufgefallen, ich hatte sie wohl als pubertär, also logisch abgehakt. Aber was steht bei TYLER? “….quengelig,….bockig…, …große Entrüstung…, ….Ärger, Ärger mit Entrüstung oder zurückgehaltenem Unwillen…, ….Nachteile von Ärger mit Kummer…”
Eine Gabe Staphisagria D30 brachte die ganze quälende Symptomatik innerhalb von einigen Tagen vollends zum Verschwinden. Nach einer Woche erhielt die Patientin eine persönliche Einweisung in die Grundstufe des Autogenen Trainings mit der Empfehlung, sich 2 x täglich etwas Zeit für ihre Entspannungsübungen zu nehmen. Seit dem sind 3 Monate vergangen. Nach Auskunft meines Freundes sind die Beschwerden bei seiner Tochter nicht mehr aufgetreten.
(Als Student des staatlich kontrollierten und zugelassenen Lehrgangs “Klassische Homöopathie” erhalten Sie die Repertorisations-Software “Kent Free” gratis.)