Die von der Organisation „HIV in Europe“ ausgerufene erste Europäische HIV-Testwoche ist auf breite Resonanz gestoßen: 475 Einrichtungen in 47 Ländern – von Albanien über Island und Litauen bis Zypern – haben sich beteiligt. Von Axel Schock
In Deutschland haben 53 Aidshilfen und Gesundheitsämter ihr reguläres Testangebot bzw. Sondertermine unter das europaweite Motto „Talk HIV. Test HIV.“ („Über HIV reden. Auf HIV testen.“) gestellt. Karl Lemmen von der Deutschen AIDS-Hilfe sieht dies auch als deutliches politisches Statement und als Unterstützung des Anliegens, das Bewusstsein für die Bedeutung des HIV-Tests zu stärken.
Doch was bringen solche Aktionen wirklich? Der schwule Gesundheitsladen „Pudelwohl“ in Dortmund zum Beispiel hatte seinen regulären HIV-Testtermin unter das Motto der Testwoche gestellt und ihn über Internetseiten und soziale Medien beworben. Eine höhere Resonanz konnte Alexander Lenz von „Pudelwohl“ allerdings nicht verzeichnen. Er glaubt, dass für das reguläre HIV-Testangebot eine Art Sättigung eingetreten ist – zumindest bei jenen Zielgruppen, die über Internet, Flyer oder Presseinformationen zu erreichen sind. „Problematischer sehe ich, wie wir jene Menschen zum Test bewegen wollen, die über klassische Werbestrategien nicht erreicht oder angesprochen werden.“
Viele Männer haben kaum Gelegenheit, sich auf STIs testen zu lassen
Eine erhöhte Teilnahmebereitschaft dagegen konnten Lenz und sein Team bei einem speziellen STI-Testtag feststellen. „Viele Männer haben offensichtlich kaum Gelegenheit, sich auf Gonokokken, Chlamydien oder Syphilis testen zu lassen“, erklärt sich Alexander Lenz den guten Zuspruch.
Die Münchner AIDS-Hilfe hat im Rahmen der Europäischen HIV-Testwoche zusätzlich zu den drei regulären wöchentlichen Testtagen einen weiteren Termin angeboten – und zwar speziell für schwule Männer und ausnahmsweise auch kostenfrei. Die eigens versandte Pressemitteilung wurde von den regionalen Medien jedoch nur wenig aufgegriffen.
Zusätzlich verteilten die Münchener auch Flyer und warben online für den besonderen Testtag. 25 Männer nahmen das Angebot schließlich wahr. Christopher Knoll von der Münchner AIDS-Hilfe ist mit diesem Ergebnis insgesamt zufrieden, wünscht sich aber für künftige europaweite Testaktionen noch mehr medialen Einsatz vonseiten der Deutschen AIDS-Hilfe.
Und was sagt der Dachverband? Karl Lemmen von der Deutschen AIDS-Hilfe sieht diese erste europäische Aktionswoche als Testlauf. Die gewonnenen Erfahrungen werde man produktiv in die nächste Kampagne dieser Art einbringen. Eine breite massenmediale Bewerbung dagegen hält er nicht für sinnvoll: „Es kann nicht darum gehen, wahllos mehr Tests zu machen. Vielmehr muss es unser Ziel sein, jene zum Test einzuladen, die womöglich ein Risiko gehabt haben“, sagt Lemmen. Dies gelte insbesondere für Männer, die mit vielen verschiedenen Männern Sex haben. Zwar gebe es gerade unter Schwulen bereits eine relativ hohe Testbereitschaft, das Problem dabei sei jedoch, dass der letzte Test oft bereits geraume Zeit zurückliege.
HIV-Test als routinemäßige Gesundheitsvorsorge
„Wir müssen die Menschen ermutigen, das negative Testergebnis nicht als Lebens-, sondern als Zwischenbilanz zu sehen, und sie dazu bringen, den Test kontinuierlich ein- bis zweimal jährlich zu wiederholen“, erklärt Karl Lemmen. „Wenn wir es schaffen, den HIV-Test als routinemäßige Vorsorge im Bereich sexuelle Gesundheit zu etablieren, nehmen wir auch ihm auch die dramatische Einmaligkeit.“ Wiederkehrende Aktionen wie die Europäischen HIV-Testwoche oder die Testwochen und gemeinsamen Testaktionen der Kampagne „ICH WEISS WAS ICH TU“ könnten dabei entscheidend mithelfen, das Bewusstsein für den HIV-Test aufrechtzuerhalten und zugleich gezielt entsprechende Angebote zu liefern.
Rund 14.000 Menschen leben nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts derzeit in Deutschland mit dem HIV, ohne dass sie von ihrer Infektion wissen. Lemmen hält es für illusorisch, sie tatsächlich alle zu einem HIV-Test bewegen zu können. „Man muss sich auch im Klaren sein, dass man mit Prävention, gleich welcher Art, niemals zu 100 Prozent verhüten kann, was verhindert werden soll.“
Ärzte für Indikatorerkrankungen sensibilisieren
„Viele dieser bislang nicht diagnostizierten HIV-Positiven werden wir auch mit Testaktionen nicht erreichen“, so Lemmen. Umso wichtiger sei es, auch weiterhin Ärzte für Indikatorerkrankungen zu sensibilisieren, damit diese rechtzeitig eine HIV-Diagnose stellen können, bevor das Immunsystem vollkommen zusammengebrochen ist.
Zugleich gelte es, die bestehenden Testbarrieren weiter abzubauen. Die größte, so ist sich Karl Lemmen sicher, sei heute keineswegs mehr die Angst vor einem vermeintlichen Todesurteil. „Die meisten Menschen wissen inzwischen bereits, dass HIV nicht mehr automatisch lebensbedrohlich ist. Viel entscheidender ist die Angst, als HIV-Infizierter von der Gesellschaft ausgegrenzt und stigmatisiert zu werden. Je besser wir die Diskriminierung von Menschen mit HIV bekämpfen, desto mehr wird auch die Testbereitschaft von bislang nicht diagnostizierten HIV-Positiven steigen.“
Weitere Informationen:
Homepage der Europäischen HIV-Testwoche: www.hivtestingwek.eu
„Europa testet”: Interview mit Christopher Knoll von der Münchner Aids-Hilfe (DAH-Blog, 8.10.2013)