Eine Weihnachtsgeschichte

Ich habe momentan wirklich eine schwere Zeit; alles, was ich mir dieses und letztes Jahr aufgebaut habe und was mir eine Perspektive für meine Zukunft gegeben hat, geht gerade kaputt. Gleichzeitig.

Dieser Artikel soll zwei offensichtlich von einigen (warum auch immer) missverstandene Tweets erklären. Ich nehme mir damit also gerade ein Vorbild am lieben Doktor FreakOut, mit mehr Zeichen und in Ruhe lässt sich sowas leichter erklären als in tausend gesplitteten Tweets, die dann nur weitere Missverständnisse anziehen. ; )

Mein Tag heute war richtig scheiße. Ich wurde quasi (zusätzlich zu den inzwischen zum Alltag gewordenen Sorgen) mit einer sehr schlechten Nachricht geweckt, habe dann den Tag irgendwie halbwegs sinnvoll hinter mich gebracht (bin dabei leider noch auf Mails und Fotos gestoßen, die mich an glückliche Zeiten erinnert haben und mich dann endgültig aus dem Takt gebracht haben für heute) und wollte vorhin noch einige letzte Zutaten für morgen Abend kaufen.

Ich wohne hier in einem “guten” Stadtteil; die meisten Leute hier zählen zur oberen Mittelklasse oder zur Oberklasse. Viele meiner im entferntesten Sinne Nachbarn sind richtig nett, aber manche benehmen sich leider auch so, als hielten sie sich für was Besseres. Mit einer dieser Menschen hatte ich heute einen kleinen … Zwischenfall.

Es geschah vorm Bioladen. Ohne jede Vorwarnung fährt mich jemand hinterrücks an. Gut, ich stand vielleicht ein bisschen im Weg, aber es war an der Stelle wirklich etwas voll und sie hätte ja einfach was sagen können. Schnell war sie nicht unterwegs, ist wohl grad erst gestartet. Es wäre also genug Zeit gewesen, zu bremsen, abzusteigen, einfach den verfickten Fahrradweg zu nehmen oder was zu sagen. Sie ignoriert den Unfall komplett, steigt wieder auf und will weiterfahren.

Währenddessen erhole ich mich vom ersten Schreck und sage laut, aber langsam und mit ruhiger Stimme (darin bin ich richtig gut!) “Sie hätten auch einfach etwas sagen können, dann wäre ich beiseite gegangen und Sie hätten mich nicht aus dem Weg rammen müssen”
Und wie reagiert diese … Person darauf? Sie dreht sich um verspottet mich, ruft in weinerlichem Tonfall “Ooohh, armes kleines Mädchen, hab ich dir weh getan? Arme, arme Kleine!”

Mal ganz davon abgesehen, dass die blöde Bitch (sorry!) vielleicht höchstens fünf Jahre älter war als ich, und ich mich einfach nur besser gehalten habe als sie, ich also wirklich kein “kleines Mädchen” bin – so reagiert man einfach nicht auf einen Unfall, den man verschuldet hat. Auch wenn es nur ein “kleiner” Zusammenstoß zwischen Radfahrer und Fußgänger war.
Ja, es ist für uns alle stressig momentan, morgen ist Heilig Abend und Einkaufen ist grad echt kein Wellness-Trip. Trotzdem muss man sich ja nicht so aufführen, als wär man von Wölfen großgezogen worden und hätte gerade seinen ersten Tag unter Menschen.

Mein Heimweg gestaltete sich dementsprechend noch trübsinniger und mieser gelaunt als ohnehin schon.

Tja, und dann kommt mir ein Obdachloser entgegen, mit sichtbaren Spuren seines Lebenswandels und mit einem Einkaufswagen gefüllt mit seinen Habseligkeiten. Er lächelt mich einfach nur freundlich an und wünscht mir frohe Weihnachten.

Daraufhin sind unmittelbar nacheinander diese beiden Tweets entstanden:

Nun, man müsste meinen dass das in diesem Zusammenhang ziemlich selbsterklärend sei, aber Twitter wimmelt leider von Menschen, die einem die eigenen Tweets erklären wollen bzw meinen, dies tun zu müssen (an dieser Stelle liebe Grüße an KhaleesiBitches, Kondome schützen vor sexuell übertragbaren Krankheiten! *g*) oder irgendwie immer das Negativste in die Worte anderer hineininterpretieren wollen.

Liebe Leute.

Erstens.

Natürlich habe ich ihn auch angelächelt und ihm ebenfalls frohe Weihnachten gewünscht. Ich bin doch kein Arsch!

Zweitens.

Natürlich weiß ich, dass Obdachlose auch Menschen sind, die manchmal auch Weihnachten feiern und durchaus auch freundlich zu anderen Menschen sind.

Drittens.

Reißt doch bitte verdammt nochmal nicht ständig einzelne Sätze aus dem Zusammenhang!

Was ich mit diesen beiden Tweets ausdrücken wollte, waren erstmal einfach nur Gedanken, die mir in dem Moment durch den Kopf gingen. Das mach ich manchmal so, etwas denken und es dann twittern. So unüblich ist das nicht. ; )

Aber gut, ich versuche mal es tiefgründiger in Worte zu fassen, sodass es hoffentlich alle verstehen und niemand sich dazu genötigt fühlt, mir meine Welt erklären zu müssen.

Ich finde diese beiden Begegnungen, so kurz nacheinander, einfach nur bezeichnend für diese abgefuckte Welt und diese abgefuckte, unfaire Gesellschaft, in der wir leben.

Auf der einen Seite der finanziell bessergestellte Mensch, der andere von oben herab und wie Dreck behandelt, anstatt sich einfach nur zu entschuldigen und seinen Fehler einzugestehen (ja sorry, Verkehrserziehung für Radfahrer findet bereits in der Grundschule statt, und eine Mitdreißigerin sollte durchaus in der Lage sein, sich noch an grundlegende Regeln zu erinnern und sich auch so zu verhalten).

Auf der anderen Seite ein Mensch, den andere wohl als “Bodensatz der Gesellschaft” bezeichnen würden, dessen gesamter Besitz in einen verfickten Einkaufswagen passt, der im Winter ohne ausreichend warme Kleidung rumlaufen muss und der nicht einmal die Gelegenheit zu einer warmen, reinigenden Dusche hat – und dieser Mensch strahlt soviel Wärme, Menschlichkeit und Freundlichkeit aus, grüßt Fremde höflich und freundlich und ist in diesem Moment einfach nur das genaue Gegenteil von dieser kaputten Gesellschaft voller Narzissten und Egozentrikern.

Die Welt ist nicht fair, das hab ich schon als kleines Kind gelernt. Die guten, freundlichen Menschen werden verarscht und fertig gemacht, sie gehen leer aus, und diejenigen, die über andere hinwegtrampeln und sie beiseite schubsen, die mit Gefühlen spielen oder andere ausbeuten, die kriegen alles was sie sich wünschen und ersehnen, denen gehört die Welt.

Genau das ist mir in diesem Moment einfach nur wieder schmerzhaft bewusst geworden, und deswegen habe ich mich dazu hinreißen lassen, meine Gedanken mit der Welt zu teilen.

An dieser Stelle nochmal danke an alle, die nicht das Verlangen verspüren, anderen deren eigenen Tweets und Gedanken erklären zu müssen. Ihr seid damit die weniger anstrengenden Twitterer. ; )

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Frohe Weihnachten.

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