Flüchtlinge

Heute war wieder einer da. Einer von meinen Patienten, ca. 50 Jahre, ein Syrer. Diesmal kam er mit seiner Mutter und seiner Schwester.

Beide waren gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden, nachdem sie auf abenteuerlichste Weise eine Woche lang im Lastwagen unterwegs gewesen waren, um aus Syrien zu fliehen.

Leider hatte sich die Mutter auf der langen unbequemen Reise eine Thrombose und nachfolgend eine Lungenembolie zugezogen, als das Blutgerinnsel aus dem Bein in die Lunge geriet. Die Schwester war wohl vor allem erschöpft und hatte zu wenig getrunken.

Beide Frauen hatten noch keinen gesicherten Aufenthaltsstatus, soweit das festzustellen war und auch keine Krankenversicherung. Trotzdem brauchte zu mindestens die Ältere dringend Medikamente zur Blutverdünnung und einige andere auch.

Der Sohn konnte zum Glück gut Deutsch, während die Mutter eine große Plastiktüte mit vielen Medikamenten aus Syrien auspackte und wir zusammen mindestens eine Dreiviertelstunde die Medikamente durchgingen, um zu klären, was für das Wochenende noch unbedingt zu besorgen wäre. Mit Tüte und Medikamentenmustern konnten wir die auszustellenden Privatrezepte auf ein Minimalmaß reduzieren. Nötig war auch noch ein Anruf im Krankenhaus, weil man weder die gegebene Marcumar(Blutverdünner)dosis im Brief notiert hatte noch einen Marcumarpass ausgestellt hatte. Als ich nach einigen Warteschleifen und mehrfachem Durchstellen die zuständige Stationsärztin endlich an der Leitung hatte, meinte diese nur lapidar:“Och, das habe ich vergessen.“

Als der Sohn mit Mutter und Schwester nach eine gefühlten Ewigkeit mein Sprechzimmer verließen, die Frage weiterhin offen, ob ich jemals die Leistungen würde abrechnen können,sich Berge von Patienten im Wartezimmer angesammelt hatten, meinte er im Herausgehen: „Und Herr Doktor, außerdem sind noch meine beiden Brüder mitgenommen, die haben aber nichts Akutes, die können nächste Woche kommen. Ist das nicht schön, da haben Sie auf einen Schlag vier neue Patienten!“

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