Im Vorfeld der Veröffentlichung des Beitrags: „ Das gute Gespräch – IFABS-Studie zur Inhaltsvermittlung im Außendienst-Gespräch”, der in der Zeitschrift “Pharma-Relations“, Ausgabe 12/2013, Seite 32 f erschien, wurde folgendes Interview geführt:
? Sie haben eine Pilotstudie durchgeführt, die ergab, dass Mitarbeiter des Pharmazeutischen Außendienstes die Präparate-Eigenschaften nur unvollständig an die Zielpersonen (Ärzte) herantragen. Worin sehen Sie die Gründe für diese unvollständige Kommunikation?
! Der Studienansatz basiert auf einem Vergleich der ärztlichen Informations-Anforderungen mit den tatsächlich vermittelten Informations-Bausteinen. Die identifizierten Divergenzen werden zum einen durch die sog. Gesprächsachsen verursacht, auf deren Grundlage viele Pharma-Berater arbeiten und bei denen einzelne Präparate-Aspekte in den Vordergrund der Arztinformation gestellt werden. Diese Inhalte stimmen aber nicht unbedingt mit dem Arzt-Informationswunsch überein. Ein zweiter Grund ist das von Ärzten in unseren Monitoring-Projekten immer wieder beklagte Verhalten von Pharma-Beratern, lediglich auf die positiven Aspekte ihrer Produkte und auf die einfachen Aspekte der Anwendung hinzuweisen (Anwendungs-Downsizing). So bleiben beispielsweise bei Langzeittherapien notwendige Laboruntersuchungen unerwähnt. Ein dritter Grund ist eine zu wenig dialogorientierte Gesprächsführung, die gar nicht zulässt, dass Ärzte sie interessierende Aspekte erfragen können. Und nicht zuletzt meinen Pharma-Berater zwar häufig, ihre Ansprechpartner und deren Bedarf zu kennen, doch ihre Annahmen entsprechen nicht der Realität. So liegt der Customer Care Quality Score des Pharma-Außendienstes, d.h. die Relation von erzielter Zufriedenheit zu den Arztanforderungen, im Durchschnitt nur bei 56%.
? Woran messen Sie den Erfolg des Gespräches zwischen Arzt und Außendienst? Worauf kommt es an? Sind die vollständigen Produktinformationen das A und O oder entscheiden auch andere Faktoren über den Erfolg? Wenn ja – welche?
! Über den Gesprächserfolg entscheiden dreißig Schlüssel-Leistungsmerkmale aus den Bereichen „Gesprächsführung“, „Kompetenz“ und „Service“. Hierzu zählen natürlich vollständige Präparate-Informationen, aber auch pragmatische Einsatzhinweise, ebenso das Eingehen auf Rückfragen, Fachwissen und weiterführende oder begleitende Serviceangebote. Besonders erfolgreich ist ein Pharma-Referent heute, wenn er den Kundenkontakt als B2B-Beziehung versteht, denn für Ärzte kommt es zunehmend darauf an, auch als Unternehmer unterstützt zu werden. Ebenso gewinnt das Thema „Adhärenz“ eine zentrale Bedeutung, denn die Förderung eines solchen Verhaltens bei Patienten mittels spezifischer Kommunikationstechniken stärkt nicht nur den Erfolg der Ärzte, sondern stellt auch den Präparateabsatz sicher.
? Unter dem Begriff “Bridging” weisen Sie darauf hin, dass eine Email unter Umständen erfolgreicher sein kann als ein persönlicher Besuch. Was sind die “Musts” einer solchen Mail-Anfrage, was die “No-Go’s”?
! Bridging-Mails sind nur im Kontext mit Besuchen erfolgreich, ihr Ziel ist die Überbrückung von Kontaktlücken, um stringente Kontaktstrecken zu realisieren. Um akzeptiert zu werden und zu wirken, muss als Grundanforderung die „Handschrift des Mitarbeiters“ erkennbar sein und der Inhalt sich in Teilen individuell auf den einzelnen Arzt beziehen. Tabu sind überfrachtete Anhänge mit Präparate-Informationen, uneingeschränkt von Arztseite akzeptiert wird jedoch ein Eingehen auf präparatebezogene Einzelaspekte.
? Wie viele Mail-Unikate (Stichwort Bridging) kann sich ein Pharmaberater leisten – ist es nicht zu zeitaufwändig?
! Bridging ist – vom Konzept her betrachtet – kein Breitenkommunikations-Instrument. Dennoch ist der Ansatz nicht aufwändig zu realisieren, denn auch individualisierte E-Mail-Informationen können auf Text- und Inhaltsbausteinen beruhen. Die Einsatzmöglichkeiten werden durch verschiedene Einflußgrößen bestimmt, u. a. durch die Erklärungsbedürftigkeit der Präparate, durch die Zielgruppenstruktur des Betreuungsbezirks und die „Netz-Nähe“ bzw. „Mail-Bereitschaft“ der Kunden, aber auch durch den Außendienstmitarbeiter und seine Motivation / Fähigkeiten, elektronisch mit Zielgruppen zu kommunizieren. Wie intensiv ein Mitarbeiter diese Technik in seinem Gebiet einsetzt, hängt davon ab, in welchem Verhältnis die Vor-Ort-Ersparnis (Zeit, Kosten) zum Arbeitsaufwand des Bridgings steht. Mitarbeiter, die wir bei der Implementierung des Konzeptes unterstützt haben, realisieren eine Zielgruppen-Durchdringung zwischen 30% und 50%.
? Was halten Sie von mobilen Anwendungen im Arztgespräch wie Apps usw.? Sind diese wirklich notwendig oder nur ein vorübergehender Trend?
! Regionale Kundenzufriedenheits-Analysen zeigen: die Aufmerksamkeit bei den Ersteinsätzen von Tablet PCs im Arztgespräch ist hoch, danach tritt häufig Ernüchterung ein. Eine Sonderauswertung unserer Exploration “Wie gut ist mein Pharma-Referent?” verglich die Glaubwürdigkeit Tablet-vermittelter Informationen im Vergleich zu klassischen Foldern. Das Resultat: der Tablet Credibility Score (TCS) lag bei 38% (Skalierung von “0%” = “Keine Glaubwürdigkeit” bis “100%” = “Absolute Glaubwürdigkeit”), der Folder Credibility Score (FCS) bei 36%. Trotz medialer Aufrüstung hat sich damit an der Qualität der inhaltlichen Kommunikation nichts geändert. Glaubwürdig sind aus Medizinersicht vor allem individuelle Informations-Zusammenstellungen, die Mitarbeiter eigeninitiativ (und häufig ohne Wissen ihrer Unternehmen) verwenden. Der Compilation Credibility Score (CCS) liegt bei 62%.
? Wo sehen Sie noch großen Verbesserungsbedarf in der Kommunikation der Pharma-Referenten?
! Der Verbesserungsbedarf ist weniger additiver als grundsätzlicher Art und liegt in drei Punkten:
– Pharma-Referenten müssen ihre Kunden besser kennenlernen. Sie verlassen sich derzeit zu viel auf ihr „Bauchgefühl“, das führt aber zu deutlichen Eigenbild-Fremdbild-Diskrepanzen. Unerlässlich ist somit die Durchführung regionaler Kundenzufriedenheits-Analysen, die Bedarfs- und Zufriedenheits-Strukturen identifizieren sowie die Deckungsgleichheit von Eigen- und Fremdbild sicherstellen.
– Arztkommunikation muss individualisiert werden, denn die größte Bedrohung des Pharma-Außendienstes ist das Internet. Nach Arztaussagen liegt die Substitutionsmöglichkeit bei 79%.
– Unerlässlich ist in diesem Zusammenhang die Umsetzung von B2B-Modulen, die die unternehmerische Tätigkeit der Ärzte unterstützen, z. B. Hilfen für ein Adhärenz-zentriertes Praxismanagement, bei denen Außendienstmitarbeiter als Adhärenz-Development-Manager agieren, aber auch für Organisationsanalysen, die nicht nur die Praxisfunktionalität optimieren, sondern auch Patientenpotentiale sicherstellen.
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