"Wirrwar von Nutzen und Risiken"

(P. Köhler) Als Informationsquelle ist die "ÄrzteZeitung" nur selten zu gebrauchen, weil sie meist reißerisch und unsauber berichtet. So ist IMHO auch der heutige Leitartikel von Christine Starostzik über das Mammographiescreening nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich dem ernsten Thema "Brustkrebs bei Frauen" unangemessen.
Die Kritik, dass Frauen und nicht screeningkundige Ärzte absolute und relative Heilungsraten verwechseln, ist ja bekannt und hat längst zu entsprechend verbessertem Aufklärungsmaterial geführt. Wir in Konstanz verteilen schon seit vier Jahren eine hervorragende Broschüre, die von der Kooperationsgemeinschaft Mammographiescreening, der Krebsgesellschaft, und dem DKFZ gemeinsam entwickelt wurde und Nutzen und Risiken des Screenings sehr ausführlich und verständlich darstellt.
Immerhin verlinkt die Redakteurin auf ihre Quellen, vor allem den im Sommer erschienenen Cochrane-Report der beiden Kopenhagener Cochrane-Autoren Peter Gøtzsche und Karsten Jørgensen (zugehöriger PubMed-Eintrag). Gøtzsche und Jørgensen heben in ihrem neuen Review vor allem darauf ab, dass die Number-needed-to-screen (NNS) deutlich höher sei als bisher mitgeteilt.
NNS ist die Zahl der Frauen, die über die üblichen 20 Jahre gescreent werden müssen, um ein Leben zu retten; sie liegt bisher bei ca. 200; lt. Gøtzsche und Jørgensen aber bei ca. 1000. 
Für mich sieht das einfach nach einseitiger Studienauswahl aus. Die Zahlen ändern sich natürlich, je nachdem welche RCTs man in seine Metaanalyse einbezieht und welche nicht. Die beiden Kopenhagener sind seit Jahren bekannte Kritiker des Mammographiescreenings… ob da nicht die erwünschten Ergebnisse ihre Arbeit beeinflusst haben?
Schlimm finde ich jedenfalls, wenn solche kontroversen wissenschaftlichen Beiträge, reißerisch aufgearbeitet, "Früherkennungswillige verschrecken" (Starostzik. aaO).
Ich habe letzte Woche vier große Brusttumoren gefunden in der normalen Mammographie, und voraussichtlich werden es drei sehr kleine im Screening. Ich hoffe, dass immer mehr Frauen das Screeningangebot für sich nutzen.
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Eine besonders sorgfältige, aktuelle Literaturübersicht zum Mammographiescreening: Mammographie basierte Brustkrebsfrüherkennung. (PDF) EBM Review Center, Universität Graz, 2013
[1]) Quelle für die Heilungsraten: Breast cancer survival rates by stage. American Cancer Society, 24. Sept. 2013

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