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Zugriff auf volle Cochrane Auswertungen
Wie können die vollen Cochrane Übersichtsarbeiten (Reviews) – nicht nur die Zusammenfassungen – gelesen werden?
Die Cochrane Collaboration erstellt systematische Übersichtsarbeiten (Reviews) über die verschiedensten medizinischen Behandlungen. Es werden die gesamten vorhandenen Daten in die Auswertungen einbezogen. Die Cochrane Zusammenstellungen (Reviews) stellen das beste vorhandene Wissen über Behandlungen dar.
Die Zusammenfassungen können gesucht und gelesen werden. Das ist sehr nützlich für eine schnelle Antwort. (Die meisten Zusammenfassungen sind auf englisch.)
Für eine genauere Beschäftigung genügen jedoch die Zusammenfassungen nicht mehr.
Seit Februar 2013 sind die Cochrane Übersichtsarbeiten Open Access, jedoch mit einer Wartezeit von zwölf Monaten ab Veröffentlichung. Der Zugriff auf neue Reviews ist somit nicht ohne weiteres möglich.
Gewisse Länder wie England oder Fachinstitutionen wie die Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) gewähren den freien Zugang direkt nach der Veröffentlichung. Normale Schweizer Bürger haben keinen freien Zugriff.
Es gibt nun drei Möglichkeiten trotzdem an den Inhalt zu kommen.
Zugriff via Tunnel (VPN)
Die Webseite prüft via IP-Adresse woher der Benutzer kommt. Jeder im Internet hat eine IP-Adresse, beispielsweise 189.62.88.191. Diese wird normalerweise vom Provider, z.B. der Swisscom, vergeben. Jeder Provider hat einen Block solcher Adressen. Die Provider decken eine bestimmte Region ab.
Tunnel können für Fernzugriffe eingesetzt werden. Dies ist ein technischer Trick. Man meldet bei einem Tunnel an, dann läuft der ganze Datenverkehr verschlüsselt über diesen Tunnel und man „kommt“ am anderen Ende heraus. Am anderen Ende hat man dann die IP-Adresse des Servers. Steht dieser in den USA, ist es eine US IP-Adresse, steht dieser in England ist es eine englische IP-Adresse.
Viele ausgewanderte Leute (Expats) benutzen solche Tunnel um vom Ausland Zugriff auf die Programme der heimischen Fernsehstationen zu haben, die im Ausland sonst nicht abrufbar sind.
Es gibt verschiedene solcher Tunnel. Die meisten kosten etwas.
Der Tunnel-Dienst TunnelBear bietet Tunnels in die USA, Grossbritannien, Deutschland und Kanada an. Bis 500 MB pro Monat ist der Dienst gratis.
Screenshot TunnelBear der Android App
Den Tunnel-Dienst TunnelBear gibt es für Windows, Mac, iOS und Android.
Die aktuelle IP-Adresse kann zur Kontrolle auf Webseiten einfach angezeigt werden, z.B. auf www.showmemyip.com.
Tunnels sind völlig legal. VPN Tunnels werden häufig auch von Unternehmen für externe Mitarbeiter eingesetzt, damit diese von aussen Zugriff auf das Firmen-interne Netzwerk haben. Wie bei allen Programmen sollte man sich vergewissern was man installiert. Solange ein Tunnel aktiv ist, läuft der ganze Datenverkehr darüber.
Zugriff via Login
Eine andere Möglichkeit für ganze Cochrane-Berichte ist ein Konto bei der Wiley Online Library, dem Verlag der Cochrane Reviews, zu machen und dort seinen Standort ein Land mit freiem Zugriff zu legen, z.B. England. Es ist möglich den Standort selbst festzulegen. Der Standort kann nur einmal eingestellt werden und danach nicht mehr geändert werden.
National Provision beim Account der Wiley Online Library
Durch eine kleine Unwahrheit ist somit der Zugriff ohne Tunnels möglich.
Artikel kaufen
Es ist möglich einzelne Artikel beim Verlag Wiley Online Library zu kaufen. Beispielsweise kostet der Artikel Immunomodulators and immunosuppressants for multiple sclerosis: a network meta-analysis:
Name | Price |
---|---|
24 hour online access: | US$ 35.00 |
Sales tax: | US$ 6.86 |
Total: | US$ 41.86 |
Mit über 40$ ist ein einzelner Artikel nicht gerade günstig.
Diskussion
Volle Cochrane Reviews können durch den technischen Trick des Tunnels, durch eine kleine Unwahrheit oder gegen Bezahlung erhalten werden. Solange der Zugang in der Schweiz nicht frei ist, zeigt dieser Blogartikel einen Ausweg.
Erfreulicherweise sind Cochrane Reviews nach zwölf Monaten Open Access und dann allen zugänglich.
Jeder sollte ab Veröffentlichung freien Zugang zu Cochrane Reviews haben. In der Schweiz gelten die WZW-Kriterien: Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Also die Prinzipien der Evidenzbasierten Medizin (EBM). Es müsste somit im Interesse des Schweizer Gesundheitssystems sein, wenn jeder Patient und Bürger selbst die WZW-Kriterien am besten vorhanden Wissen – den Cochrane Reviews – überprüfen könnte. Die Cochrane Collaboration ist eine Non-Profit Organisation, ihre unabhängige Arbeit muss jedoch auch bezahlt werden. Gerade die Unabhängigkeit ist notwendig für verlässliche Auswertungen. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), der Krankenkassenverband santésuisse, Krankenkassenverband Curafutura und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) könnten/sollten die Kosten für einen freien Cochrane-Zugang in der Schweiz übernehmen.
Pharmaindustrie: Fehlverhalten und Justizfälle [akt. 1]
War die $3 Mrd. Busse gegen GlaxoSmithKline ein Einzelfall? Was waren die Bussen der letzten Jahre? Welche Ermittlungen sind im Gange?
Ich bin nicht gegen Pharma, aber ich bin gegen unsaubere Machenschaften und illegale Praktiken. Die Pharmaindustrie vertreibt lebensrettende Medikamente und ist eine wichtige Industrie. Leider aber scheint der Gewinn mit allen Mitteln maximiert zu werden – mit legalen und illegalen.
US Bussen für Big Pharma bis Juli 2012
Bei der Pharmaindustrie hat man manchmal den Eindruck es gehe nur ums Verkaufen – soviel und so teuer wie möglich. Ungeeignete, mittelmässige oder gar nutzlose Medikamente werden nach allen Regeln der Kunst, teilweise illegalen, an den Mann und die Frau gebracht. Es werden Ärzte, Forscher, Studien und Politiker manipuliert. Studien beschönigt, Wissenschaftlichkeit vorgetäuscht, «negative Resultate» unterdrückt, Wirkungen übertrieben. Produktionsprozesse nicht im Griff. Überrissene Preise werden verrechnet. Bestechungsgelder (Kickbacks) an Ärzte für Verordnungen bezahlt(, welche auch angenommen wurden). Kritiker bedroht und eingeschüchtert. Nein, es handelt sich hier nicht um die Mafia.
Ich habe einmal eine Zusammenstellung der Bussen der US Justiz erstellt, zusammen mit anderen dokumentiertem Fehlverhalten. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Unternehmen | Grund | Busse Mio $ | Jahr | Referenz |
---|---|---|---|---|
Novartis | Marketingfehlverhalten, Kickbacks (Trileptal) | 422.5 | 2010 | Tagi blog.nytimes USDOJ |
Novartis | Frauendiskriminierung | 250 | 2010 | NZZ |
Roche | Marketingfehlverhalten und Preismanipulation (Rituxan) | 20 | 2011 | Pharmalot |
Pfizer | Marketingfehlverhalten, Schmiergeld (Bextra, Lipitor, Viagra) | 2300 | 2010 | NZZ |
Eli Lilly | Marketingfehlverhalten (Zyprexa) | 1400 | 2010 | NZZ USDOJ |
Branche | Verzögerung, Blockierung von Generika (Bericht EU) | 2008 | NZZ | |
GlaxoSmithKline | Marketingfehlverhalten (Paxil, Wellbutrin, Avandia, Advair, Lamictal, Zofran), Kick-Backs (Imitrex, Lotronex, Flovent, Valtrex), Überzogene Rechnungen | 3000 | 2012 | Blogartikel Tagi Spiegel USDOJ, USDOJ Pharmalot Pharmalot |
GlaxoSmithKline | Marketingfehlverhalten (Wellbutrin SR) | FDA Klage | Offen | Pharmalot |
Merck Serono | Kickbacks (Rebif®) | 44.3 | 2011 | Bloomberg, USDOJ |
Merck KGaA | Produktionsprobleme | FDA Brief | 2012 | Pharmalot |
Merck Serono | Marketingfehlverhalten (Serostim) | 704 | 2005 | USDOJ |
Bayer Healthcare | Marketingfehlverhalten (Xarelto) | Klage | 2012 | Spiegel |
Pfizer | Marketingfehlverhalten (Neurotonin) | 141 | 2010 | Reuters Pharmalot |
Pfizer | Brustkrebs (Prempro) | 45 | 2012 | Bloomberg |
Pfizer | Brustkrebs (Prempro) | 10.4 | 2012 | Bloomberg |
Pfizer | Brustkrebs (Prempro) | 896 | 2012 | Bloomberg Businessweek Bloomberg |
Pfizer | Brustkrebs (Prempro) | 72 | 2011 | Pharmalot |
Pfizer Neu! | Mutmasslich illegaler Freilandversuch an Kindern in Afrika (Trovan), Druck auf Staatsanwaltschaft | 75 | 2010 | Süddeutsche US Cable Guardian |
Merck (MSD) | Marketingfehlverhalten (Vioxx®) | C$ 37 | 2012 | Yahoo |
Merck (MSD) | Marketingfehlverhalten (Vioxx®) | 950 | 2011 | Spiegel USDOJ |
Pfizer | Nichtpublikation negativer Resultate (Reboxetine) | Publ. | 2010 | IQWiG BMJ |
Pfizer (Wyeth) | Ghostwriting (HRT) | Publ. | 2010 | Ärzteblatt |
GlaxoSmithKline | Produktqualität (Avandia, Paxil) und Produktionsmethoden | 750 | 2010 | independent.co.uk |
Elan | Marketingfehlverhalten (Zonegran) | 203 | 2011 | USDOJ USDOJ |
Dey | Preisbetrug | 280 | 2010 | USDOJ |
Forest | Marketingfehlverhalten (Levothroid, Celexa, Lexapro) | 313 | 2010 | USDOJ |
Abott | Marketingfehlverhalten (Depakote) | 1600 | 2012 | USDOJ Pharmalot |
Novo Nordisk | Marketingfehlverhalten (Novoseven) | 25 | 2011 | USDOJ |
Johnson & Johnson | Marketingfehlverhalten (Topamax) | 81 | 2010 | USDOJ |
Johnson & Johnson | Marketingfehlverhalten (Risperdal) | 181 | 2012 | Pharmalot |
Johnson & Johnson Manager | Nichtgenehmigte Studien mit Todesfolge | Gefängnis 2×9M + 4M | 2011 | Pharmalot |
Sanofi-Aventis | Preisbetrug | 190 | 2007 | USDOJ |
Novo Nordisk | Kauf von Patientendaten (Novolin, Novolog) | 1.7 | 2011 | USDOJ |
AstraZeneca | Off-Label Marketing, Kickbacks (Seroquel®) | 520 | 2010 | NYimes NYTimes USDOJ |
AstraZeneca | Marketingfehlverhalten (Seroquel®) | 26 | 2012 | Pharmalot |
AstraZeneca | Marketingfehlverhalten, Irreführung bei Nebenwirkungen, Nichtveröffentlichung negativer Resultate (Seroquel®) | 68.5 | 2011 | Pharmalot |
Bristol-Myers Squibb | Marketingfehlverhalten | 515 | 2007 | NYTimes Pharmalot |
Bristol-Myers Squibb | Bilanzmanipulation (Channel stuffing) | 300 | 2005 | Bloomberg |
Bristol-Myers Squibb | Bilanzmanipulation (Channel stuffing) (Erbitux, Vanlev) | 300 | 2004 | Bloomberg |
Bristol-Myers Squibb Manager | Bilanzmanipulation | 0.17 | 2012 | Pharmalot |
Bristol-Myers Squibb Manager | Bilanzmanipulation | 0.4 | 2010 | Pharmalot |
Fresenius Kabi | Bedrohung (HES) | 2012 | Spiegel | |
GlaxoSmithKline | Bedrohung (Avandia) | 1999 | US Senate | |
Pfizer, Ranbaxy | Generikaverzögerung, Kartellabsprache («Pay for Delay») (Lipitor) | Klage | 2012 | BloombergBusinessNews |
Deutsche Homöopathie-Union (DHU), Biologische Heilmittel Heel, Staufen Pharma, WALA Heilmittel, Weleda, Hevert | Journalisten Diskreditierung | 2012 | Süddeutsche | |
Teva Pharma | Übertreibung der Wirkung und Sicherheit (Copaxone®) | FDA Warning | 2012 | FDA Letter Pharmalot |
Teva Pharma | Anwendungsrisiken (Propofol) | 250 | 2012 | Bloomberg Pharmalot |
Teva Pharma | Anwendungsrisiken (Propofol) | 500 | 2010 | Pharmalot |
Ungenannt | Erpressungsversuche der Inserenten bei Ärztezeitung | Artikel | 2011 | SÄZ |
GlaxoSmithKline | Unterdrückungsversuch kritischer Meinung (Avandia) | Editorial | 2010 | Euro. Heart Journal |
Pfizer | Korruption | 60 | 2012 | Pharmalot SEC Pharmalot |
Teva | Korruption | Untersuchung (Subpoena) | 2012 | Pharmalot |
Bristol-Myers Squibb | Korruption | Untersuchung (Subpoena) | 2012 | Pharmalot |
Johnson & Johnson | Korruption | 70 | 2011 | Pharmalot |
Bayer | Verletzung von Branchenrichtlinien (ABPI Code bei Xarelto) | 2012 | InPharm | |
Bayer | Sammelklage (Yasmin) | 402.6 | 2012 | Bloomberg |
Bayer | Sammelklage (Yaz) | 610.5 | Offen | Bloomberg |
Johnson & Johnson | Marketingfehlverhalten (Risperdal) | 2200 | Offen | Bloomberg Pharmalot |
Johnson & Johnson | Marketingfehlverhalten (Risperdal) | 158 | 2012 | Pharmalot |
Johnson & Johnson | Marketingfehlverhalten (Risperdal) | 327 | 2012 | Bloomberg |
Johnson & Johnson | Marketingfehlverhalten (Risperdal) | 258 | 2010 | Bloomberg Pharmalot |
Johnson & Johnson | Marketingfehlverhalten (Risperdal) | 1100 | 2012 | SF.tv Handelszeitung Pharmalot |
Bayer | Marketingfehlverhalten (Aspirin) | 15 | 2012 | Businessweek |
Pfizer | Marketingfehlverhalten (Zithromax) | FDA Warnung | 2012 | Pharmalot |
Sanofi-Aventis | Überzogene Rechnungen in Algerien (Overbilling) | 25 | 2012 | La Tribune Pharmalot |
Sanofi-Aventis | Überzogene Rechnungen in Kanada (Quadrace, Pentacel) | 2.5 | 2012 | Pharmalot |
Roche | Verheimlichung von Nebenwirkungen | EMA Untersuchung | Offen | DRS1 Neu!Pharmalot EMA |
Fresenius Medical Care | Selektive Information (GranuFlo) | FDA Untersuchung | Offen | NY Times Pharmalot |
Johnson & Johnson | Fehlerhafte Hüftimplantate | 0.6 | 2012 | Businessweek |
AstraZeneca | Irreführung bei Nebenwirkungen (Seroquel®) | 46 | 2012 | PharmaGossip |
Eli Lilly | Zahlung ohne Schuldeingeständnis, Vorwurf Marketingfehlverhalten (Zyprexa) | 45 | PharmaGossip | |
Bristol-Myers Squibb | Manager lügt vor Gericht | Memoiren schreiben | 2012 | WSJ Pharmalot |
Abott | Produktregelverstösse | 100 | 1999 | Pharmalot |
TAP Pharmaceutical (joint venture Abbott and Takeda Pharmaceutical) | Manipulation Medicaid und Medicare | 875 | 2001 | Pharmalot |
Cetero | CRO: Datenmanipulation und Studienfälschung, Teva betroffen | Konkurs | Pharmalot Pharmalot | |
Cypress Pharmaceutical | Marketingfehlverhalten (Hylira, Zaclir, Zacare) | 2.8 | 2012 | Pharmalot |
GlaxoSmithKline | Marketingfehlverhalten (Avandia) | 90 | 2012 | Staatsanwalt Maryland |
Novartis | Anklage wegen Bestechung (Kickbacks) von Apothekern für Nierentransplantations-Medikament (Myfortic) Neu! | Anklage | 2013 | NZZ Tagesanzeiger justice.gov |
Novartis | Anklage wegen Bestechung von Ärzten im Falle von Bluthochdruck (Lotrel, Valturna) und Diabetes (Starlix) Neu! | Anklage | 2013 | NZZ Tagesanzeiger Blick dailypress |
Novartis | Untersuchung (Gilenya®, Glivec®) Neu! | Untersuchung | 2013 | SonntagOnline |
Pfizer | Marketingfehlverhalten (Rapamune) Neu! | 491 | 2013 | Forum Gesundheitspolitik DOJ |
Auflistung von Fehlverhalten und Bussen der Arzneimittelindustrie (Big Pharma und Homöopathie) der letzten Jahr. USDOJ = US Departement of Justice. Stand: 31.08.2012
Von 1987 bis 2011 zahlte die Pharmaindustrie für $30 Mrd. Bussen (DOJ, DOJ, Pharmalot, Pharmalot), davon in den Jahren 2009 und 2010 je $3 Mrd. Im Jahre 2012 zahlt allein GlaxoSmithKline eine Busse von $3 Mrd.
Die Bussen sind meistens als Vergleiche zwischen der US Justiz und den entsprechenden Pharmaunternehmen zustande gekommen. Die Bussen wurden also ausgehandelt. Dies ist in der US Justiz möglich. Leider sind in den wenigsten Vergleichen, interne Dokumente veröffentlicht worden, die weitergehende Einblicke in das Geschäftsgebaren gezeigt hätten.
Die vollständige Liste der Übereinkommen der US Justiz mit Unternehmen: Corporate Integrity Agreements
Weitere Fälle sind in Bearbeitung der US-Justiz, z.B. womögliche weitere $2.2 Mrd. Busse für Johnson & Johnsohn (Bloomberg). Stay tuned – wie die Amerikaner zu sagen pflegen.
Die grössten Pharmakonzerne der Welt
# | Unternehmen | Sitz | Umsatz (in Mrd. USD) |
---|---|---|---|
1 | Pfizer | USA, New York | 57.7 |
2 | Novartis | Schweiz, Basel | 54.0 |
3 | Merck & Co., Inc. (MSD) | USA, New Jersey | 41.3 |
4 | Sanofi-Aventis | Frankreich, Paris | 37.0 |
5 | Hoffmann-La Roche | Schweiz, Basel | 34.9 |
6 | GlaxoSmithKline | Großbritannien, London | 34.4 |
7 | AstraZeneca | Großbritannien, London | 33.6 |
8 | Johnson & Johnson | USA, New Jersey | 24.4 |
9 | Abbott | USA, Illinois | 22.4 |
10 | Eli Lilly and Company | USA, Indianapolis | 21.9 |
Off-Label Marketing
Eines der häufigsten Marketingfehlverhalten ist das Off-Label Marketing. Medikamente müssen wissenschaftliche geprüft werden und werden danach von den Gesundheitsbehörden zugelassen. Die Zulassung gilt dann für die untersuchte Krankheit. Ärzte sind frei in der Anwendung der Medikamente. Sie dürfen das Medikament also auch für ungeprüfte Krankheiten einsetzen (was auch gut ist). Die Pharmaunternehmen dürfen solche nicht geprüfte Anwendungen in den US jedoch nicht vermarkten, das wird als Off-Label Marketing bezeichnet. Beispielsweise wenn die Wirksamkeit für ein Medikament nur in einer bestimmten Krankheitskonstellation nachgewiesen wurde, das Medikament aber später als allgemein wirksames Medikament anpreisen und verkauft wird.
Untergraben der Wissenschaft
Die Hersteller von pharmazeutischen Produkten haben kommerzielle Interessen. Die Wissenschaft ist dabei ein notwendiges Übel, die Wahrheitssuche nicht das eigentliche Ziel. Es sind Fälle dokumentiert, wo dem «wissenschaftlichen» Nachweis «nachgeholfen» wurde. Es wurden «negative Ergebnisse» nicht publiziert. Von fünf Studien wurden nur 2 publiziert, 3/4 der untersuchten Patienten wurden unterschlagen. Das Medikament erschien so als wirksam, was aber mit allen Daten nicht nachgewiesen werden kann. (IQWiG BMJ)
Die Wissenschaft wurde noch auf vielfältige andere Arten verzerrt und verfälscht. Dokumentierte Fälle werde ich in einem separaten Artikel behandeln.
Lobbying
Die Pharmaindustrie nimmt mit druckvollem Lobbying Einfluss auf die Gesetzgebung. In den USA gibt es in Washington zweimal so viel Lobbyisten wie Parlamentarier (USA Today). Die Pharma-Lobbyorganisation PhRMA verfügt über gut gefüllte Kassen.
Auch in der Schweiz sieht die Sache nicht besser aus: Interpharma hat direkten Zugang zum Schweizer Parlament.
Lobbying wird bei den Pharmaunternehmen wahrscheinlich unter Marketing abgebucht. Novartis hat allein im letzten Jahr 15 Mrd. USD für Marketing ausgeben (Marketing Novartis).
Hilfreiche und wirksame Gesetze werden so verhindert oder verwässert.
Verzögern von Generika («Pay for delay»)
Ein weiterer Trick der Pharmaindustrie zum Abkassieren bei den öffentlichen Gesundheitssystemen ist es den Start von Generika nach Patentabläufen zu verzögern. Wie geht es? Patente sind zeitlich begrenzte Monopole. Nach dem Patentablauf kann der Markt spielen. Generika werden daher zu viel billigeren Preisen verkauft. Die Patentinhaber haben nun Absprachen mit den Generikaherstellern gemacht, damit diese noch zuwarten mit dem Verkauf ihrer Medikamente und können dabei die Monopolgewinne untereinander aufteilen (NZZ). Eine Win-Win-Situtation für die Pharmaindustrie auf Kosten der Prämien- und Steuerzähler. Das sind Absprachen gegen den freien Markt, also ein Kartell. Das ist ein Sakrileg in einer kapitalistischen Marktordnung.
Korruption
Neben den subtileren Methoden gibt es noch die ganz plumpe Korruption, z.B. mit Kickback-Zahlungen an Ärzte. Die Ärzte bekommen im Nachhinein eine «Provision» für die Verschreibung. Je mehr Medikamente ein Arzt also verschreibt, desto mehr verdient er. Alte Patienten und chronisch kranke Patienten sind dafür besonders geeignet.
Kommentar
Die Pharmabranche präsentiert sich als grosse Wohltäterin der Menschheit. Bei genauerem Hinsehen ist vieles nicht so sauber wie es aussieht und die grossen Gewinne sind teilweise illegalem Verhalten zu verdanken. Die Bussen, obwohl sie hoch erscheinen, sind leider in keinem Verhältnis zu den Gewinnen der Pharmaunternehmen. Die Bussen werden wahrscheinlich einfach in die «Betriebskosten» miteinkalkuliert.
Die Manager der Pharmaindustrie gehören zu den bestbezahlten der Welt überhaupt. Hohe Löhne scheinen in umgekehrtem Verhältnis zu ethischem Verhalten zu stehen.
Die obigen Beispiele zeigen das grosse manipulative Verhalten der Pharmaindustrie. Die fast unerschöpflichen finanziellen Mittel der Pharmaindustrie können eine korrumpierende Wirkung entfalten. Finanzielle Beiträge sind immer und überall willkommen.
Patientenorganisationen müssen sehr vorsichtig im Umgang mit der Pharmaindustrie sein. Die Unabhängigkeit muss gewahrt werden. Gefällikeiten durch die Industrie sind gefährlich. Die Glaubwürdigkeit kann sonst schlecht aufrecht erhalten werden. Das gleiche gilt auch für Ärzte und Wissenschaftler.
Das Sponsoring muss überdacht werden. Was nützt es einem Läufer, wenn er schneller laufen kann, dafür aber in eine verkehrte Richtung? Ein Rennen wird er sicher nicht mehr gewinnen.
Bei Inseraten oder Sponsorings sollten die Mitglieder und Betroffenen auf das unrechtmässige Verhalten des Sponsors hingewiesen werden, z.B. auf die Fehlverhalten innerhalb der letzten fünf Jahre. Auch die Inseratetarife für solche Sponsoren sollten angepasst werden, z.B. 10× den ordentlichen Tarif.
[Aktualisierung 23.11.2012: Die US Bürgerorganisation Public Citizen hat eine umfassende Analyse der Justizfälle erstellt: Pharmaceutical Criminal and Civil Penalties: An Update, Public Citizen, 27. Sep. 2012. Sie haben detaillierte Auswertungen gemacht. Dieser Bericht ist eine sehr gute Quelle.]
[Aktualisierung 06.03.2013: Ich habe einen Artikel über die teils massiven Qualitätsprobleme bei Medikamenten und Implantaten der Pharmaindustrie, insbesondere Johnson & Johnson, geschrieben.]
[Aktualisierung 27.04.2013: Anklage gegen Novartis in zwei Fällen wegen Bestechung von 1) Apothekern NZZ Tagesanzeiger, 2) Ärzten Tagesanzeiger]
[Aktualisierung 09.08.2013: 491 Mio $ Busse gegen Pfizer wegen Marketingfehlverhalten (Rapamune) hinzugefügt. Ref: Forum Gesundheitspolitik, DOJ]
Wearables: Wenn der Arzt selbst trackt
Tracker-Phobie bei niedergelassenen Ärzten? Gegenwärtig verhalten sich die meisten niedergelassene Ärzte (noch) tendenziell ablehnend zur Thematik „Patienten und Activity Tracker“. Die Geräte werden als „Spielzeug“ klassifiziert, eine intensivere Beschäftigung erfolgt in der Regel nicht. Gleichzeitig wünscht sich eine zunehmende Anzahl von Tracker-Anwendern, dass ihr Arzt ihnen auch mit gerätebezogenem Rat, vor allem zur Ergebnisinterpretation im […]