Das pakistanische Gesundheitssystem und seine Fehler

Jasmin Dirinpur

Jasmin Dirinpur

Im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Pakistan berät die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH die Partner vor Ort beim Aufbau eines leistungsfähigen Gesundheitssystems.

Jasmin Dirinpur ist Mitarbeiterin der GIZ und seit Juli 2013 für das Gesundheitsprogramm in Pakistan tätig. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autorin wieder.

In Pakistan werden, wie in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern weltweit, große Teile der Bevölkerung noch nicht ausreichend und medizinisch angemessen versorgt. Und dies obwohl eine substanzielle Menge an Ärzten, Krankenschwestern und sonstigem Fachpersonal verfügbar und die Zahl an Gesundheitseinrichtungen auf verschiedenen Ebenen beachtlich ist. Neben der massiven Unterfinanzierung – während beispielsweise Deutschland 11%, Nepal 5,4%, Indien 3,9% und Bangladesch 3,7% ihres Bruttoinlandsprodukts in Gesundheit investieren, liegt dieser Anteil in Pakistan bei nur 2,5% – sind eine Vielzahl weiterer Gründe für die unzureichende Nutzung und mangelnde Qualität der Gesundheitsdienste zu benennen:

– Fehlende oder nicht funktionierende Ausstattung der Gesundheitseinrichtungen,
– schlechte Versorgung mit Medikamenten,
– ein Mangel an Transparenz und Rechenschaftsplicht,
– eine hohe Zahl an Gesundheitspersonal, das ohne jegliche Qualifikation praktiziert („quacks1).

Zudem werden Gesundheitspolitische Initiativen, Gesetze und Regelungen nicht oder nur unzureichend implementiert.

Auswirkungen auf die Gesundheitsindikatoren

All dies macht sich in den im regionalen Vergleich schlechteren Gesundheitsindikatoren bemerkbar. Insbesondere die Mütter- und Kindersterblichkeit ist deutlich höher als in Ländern mit ähnlichem Entwicklungsstand. Übertragbare Krankheiten machen etwa die Hälfte der Krankheitslast aus. Kinderlähmung und Hepatitis B und C sind endemisch. Pakistan gehört zu den Ländern mit der höchsten Tuberkuloselast weltweit. Zudem steigen aufgrund eines sich verändernden Lebensstils (i.e. durch erhöhten Tabakkonsum, physische Inaktivität, ungesunde Ernährung) sowie zunehmender Verstädterung (einhergehend mit den Risikofaktoren Luftverschmutzung und erhöhte Gefahr durch Verkehrsunfälle) auch die nicht-übertragbaren Erkrankungen. Vor allem die Anzahl der an Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes und Atemwegsinfektionen leidenden Menschen ist dadurch erhöht.
Ausgewählte Indikatoren Pakistans im regionalen und im Vergleich mit Deutschland

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„Verstopfte Rohre“ – das pakistanische Gesundheitssystem

Dr. Sania Nishtar, Gründerin und Präsidentin des einflussreichen Think-Tanks Heartfile und Autorin zahlreicher Veröffentlichungen, hat für ihr Buch über das pakistanische Gesundheitssystem den treffenden Titel „Choked Pipes“ (i.e. ‘verstopfte Rohre’) gewählt. Darin beschreibt sie, dass die Infrastruktur zwar vorhanden ist, um jedoch das existierende Gesundheitssystem bedarfsorientierter und leistungsfähiger zu machen (die verstopften Rohre also frei zu bekommen), sollten dringend Reformen umgesetzt werden.

Pakistan hat ein sogenanntes gemischtes Gesundheitssystem mit einem ausgedehnten, aber schlecht ausgestatteten öffentlichen Gesundheitswesen. Daneben existiert ein nicht ausreichend regulierter Privatsektor, der einen  Großteil der Gesundheitsversorgung erbringt. Theoretisch garantieren die staatlichen Gesundheitsdienste für alle Bürgerinnen und Bürger eine kostenlose Gesundheitsversorgung. In der Hoffnung auf eine bessere Behandlungsqualität suchen jedoch auch arme Menschen private Kliniken und Dienstleister auf. Krankenversicherung in der Form, wie wir sie aus Deutschland kennen, gibt es keine. Wer in Pakistan erkrankt oder sich verletzt, muss in den meisten Fällen die Behandlungskosten selbst bezahlen. Diese sogenannten „out-of-pocket expenditure“, i.e. direkte Zahlungen aus eigener Tasche, machen etwa 70% an den gesamten Gesundheitsausgaben aus und führen zu einer hohen Verarmungsrate durch Krankheit.

Von Erfahrungen profitieren – Indien macht’s vor

Für die Entwicklung einer tragfähigen, sozial ausgewogenen Krankenversicherung, die im Idealfall die gesamte Bevölkerung abdeckt, gibt es keine Standardlösungen. Jedoch kann das staatliche Sozialtransferprogramm „Benazir Income Support Programme (BISP)“ beim Aufbau einer Krankenversicherung von den Erfahrungen bei der Ausweitung und Umsetzung des indischen Modells „Rashtriya Swasthya Bima Yojna (RSBY)“ lernen. Im Nachbarland Pakistans hat eine expandierende Privatversicherungsbranche neue Möglichkeiten für öffentlich-private Partnerschaften für Krankenversicherung für die arme Bevölkerung geschaffen. Seit der Einführung in 2008 beteiligen sich bis auf eine Ausnahme alle 29 Bundesstaaten Indiens an RSBY. Durch die schrittweise Ausweitung wird das Modell inzwischen in 378 von 640 Distrikten umgesetzt. Über 30 Millionen Familien unterhalb der Armutsgrenze sind in Besitz einer Chipkarte, die ihnen Versicherungsschutz für vorab definierte Krankenhausleistungen bietet und sie somit vor ruinösen Gesundheitsausgaben bewahrt.

1 Beispielsweise praktizieren mehr als 13.000 unqualifizierte Zahnärzte auf Pakistans Straßen.  „Quacker“
(Pfuscher) sind nicht nur in der Zahnmedizin ein großes Problem, sondern finden sich in allen Bereichen.

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Krankenversichert sind weniger als ein Prozent der Bevölkerung Pakistans

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Basisgesundheitseinrichtung in einer ländlichen Region der Provinz Khyber Pakhtunkwha

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Krankheitsfälle führen häufig zur Verarmung

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