Wir bleiben dran mit dem Thema Allergien & Heuschnupfen mit einem Experten-Interview. Anja Schwalfenberg ist Biologin und Mitglied des DAAB-Beratungsteams (Deutscher Allergie- und Asthmabund). Sie erzählt uns über die häufigsten Allergien in Deutschland, worunter leiden Kinder am häufigsten und welche Therapie Möglichkeiten gibt.
Frau Schwalfenberg, wie viele Personen in Deutschland leiden unter Allergien? Wie hoch ist der Anteil unter den Kindern?
Anja Schwalfenberg: Es gibt in der aktuellen Literatur Hinweise zu einem weiteren Anstieg von Allergien und gleichzeitig ebenfalls auch die Meinung, dass ein Plateau erreicht sein könnte. Beim Asthma ist ein Anstieg zu verzeichnen. Nach aktuellen Untersuchungen soll die Häufigkeit für die Entwicklung einer allergischen Erkrankung während der Lebenszeit bei knapp 30 % liegen. Das Weißbuch Allergie in Deutschland spricht von 20 – 30 Millionen betroffenen Bundesbürgern. Zum Thema Kinder und Allergien hier ein Zitat aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS-Studie 2008): „Von den Kindern und Jugendlichen in Deutschland leiden aktuell fast 9 % an Heuschnupfen, gut 7 % an Neurodermitis und etwas mehr als 3 % an Asthma. Jungen sind häufiger von Heuschnupfen und Asthma betroffen als Mädchen.“
Kinder von Eltern, die unter Allergien leiden, haben ein höheres Risiko, auch eine Allergie zu entwickeln. Aber genauso kann auch ein Kind, dessen Eltern keine Allergien haben, plötzlich eine Allergie entwickeln.
Was sind die häufigsten Allergien?
Anja Schwalfenberg: Bei den Atemwegsallergien stehen Pollenallergien an erster Stelle, gefolgt von Allergien auf Hausstaubmilben, Tiere und Schimmelpilze. Für die Lebenszeitprävalenz werden in einer aktuellen Untersuchung für Heuschnupfen 14,8 %, für Kontaktekzeme 8,1 % und für Nahrungsmittelallergien 4,8 % angegeben.
Wie hoch ist der Heuschnupfen-Anteil unter den Allergien?
Anja Schwalfenberg: Mit der Bezeichnung „Heuschnupfen“ ist umgangssprachlich meist eine allergische Reaktion auf Pflanzenpollen gemeint. In der wissenschaftlichen Literatur wird häufig von „Allergischer Rhinitis“ gesprochen, manchmal aber auch von „Heuschnupfen“ und damit sind dann in der Regel Reaktionen auf Inhalationsallergene gemeint, beispielsweise auch auf Hausstaubmilbenallergene.
Hierzu ein paar aktuelle Zitate aus der Fachliteratur:
„Die Zahl der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Allergien gegen Pol-len ist in Deutschland in den letzten Jahren weiter gestiegen. Statistisch gesehen entwickeln etwa 20 % der deutschen Bevölkerung im Lauf ihres Lebens eine Pollenallergie, das sind rund 15 Mio. Menschen.“ Quelle: Ring J, Bachert C, Bauer CP, Czech W (Hrsg). Weißbuch Allergie in Deutschland. 3. überarb. Aufl. München: Urban & Vogel, 2010.
„In den letzten 10 bis 15 Jahren hat die Prävalenz von Allergien in Deutsch-land deutlich zugenommen. Man schätzt die Zahl der Pollenallergiker auf etwa 12 bis 15 Millionen.“ Quelle: Ring J, Fuchs T, Schultze-Werninghaus G: Weißbuch Allergie in Deutschland. 3. Auflage, Urban&Vogel Medien und Medizin Verlagsgesellschaft, 2010.
„Allergische Erkrankungen nehmen – wie schon in den letzten Jahrzehnten – weiter zu, etwa 20 – 30 Millionen Bundesbürger sollen inzwischen betroffen sein.“ Quelle: Weißbuch Allergie in Deutschland, 3.Auflage, 2010.
Welche Therapie hat sich bei Heuschnupfen bewährt?
Anja Schwalfenberg: Akute Symptome sollten mit antiallergischen bzw. bei allergischem Asthma mit antiasthmatischen Medikamenten behandelt werden. Ohne eine entsprechende Behandlung der Symptome besteht die Gefahr, dass sich das Risiko für die Entwicklung eines allergischen Asthmas weiter erhöht bzw. sich schon bestehendes Asthma akut verschlechtert. Auf lange Sicht sollte gegebenenfalls die Therapie mittels Hyposensibilisierung erfolgen. Bei bestehendem Asthma muss der behandelnde Arzt entscheiden, ob eine Durchführung dieser Therapie möglich ist. Dabei sollte das Asthma sehr gut kontrolliert sein und keine schwerwiegende Asthmaform vorliegen.
Was passiert, wenn eine Pollenallergie nicht behandelt wird?
Anja Schwalfenberg: Bei einer Pollenallergie sollte in jedem Fall eine gute Behandlung der Symptome und gegebenenfalls eine Spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) erfolgen. Damit können die Beschwerden gut gelindert und das Risiko für die Entwicklung eines allergischen Asthma bronchiale gesenkt werden. Die Hyposensibilisierung sollte möglichst frühzeitig nach dem Auftreten der Allergie erfolgen, um eine gute Wirksamkeit zu erreichen.
Müssen Allergiker ihr Leben lang Medikamente einnehmen?
Anja Schwalfenberg: Die Behandlung mittels Hyposensibilisierung kann dafür sorgen, dass der Medikamentenverbrauch an antiallergischen Arzneien in vielen Fällen sehr gesenkt werden kann. Karenzmaßnahmen, wie beispielsweise die Nutzung eines allergendichten Encasings bei einer Hausstaubmilbenallergie, können ebenfalls dazu beitragen.
Worunter leiden Kinder am häufigsten?
Anja Schwalfenberg: Bei Kleinkindern beginnt die allergische Karriere häufig mit einer Neurodermitis, einer Hauterkrankung, bei der Hautausschläge und starker Juckreiz auftritt sowie Nahrungsmittelallergien. Viele entwickeln dann auch eine Atemwegsallergie, beispielsweise auf Pollen. Es können im weiteren Verlauf auch noch weitere Allergien oder ein allergisches Asthma entstehen.
Wie können Allergien schon im Kindesalter behandelt werden?
Anja Schwalfenberg: Damit Allergiesymptome gut gelindert werden können und das Risiko für die Entwicklung eines Asthma bronchiale gesenkt wird, raten Ärzte beim Auftreten einer Allergie möglichst schnell die sogenannte Hyposensibilisierung anzuwenden, die auch als Spezifische Immuntherapie bezeichnet wird. Mit dieser Behandlung soll der Patient an seinen Allergieauslöser gewöhnt werden. Um eine gute Linderung zu erreichen und das Risiko für ein Asthma zu senken, muss die Therapie möglichst über drei Jahre durchgeführt werden. Die Behandlung kann ab dem Einschulungsalter erfolgen. Zusätzlich können natürlich antiallergische Medikamente zum Einsatz kommen und – wenn möglich – Karenzmaßnahmen wie beispielsweise die Verwendung eines allergendichten Matratzenüberzuges bei einer Hausstaubmilbenallergie angewendet werden.
Weitere Informationen zu den Thema Allergien, Asthma und Neurodermitis findet ihr auf den Internetseiten des Deutschen Allergie- und Asthmabundes e.V. unter www.daab.de
Quelle: medicalpress.de