Die Perspektive ist verheißungsvoll
Wenn niedergelassene Ärzte sich entschließen, ihre Einzelpraxen in die Arbeit einer Gemeinschaft einzubringen, dominieren vor allem Aspekte der Arbeits- und Risikoteilung, verbunden mit der Erwartung eines verbesserten wirtschaftlichen Erfolges. Und tatsächlich wäre ein Erreichen dieser Ziele durch eine konsequente Nutzung aller Synergien durchaus möglich.
Explorations-Methodik
Eine Langzeit-Exploration ging der Frage nach, wie sich das Praxismanagement und seine Effekte im Übergang von Einzel- zu Mehrarztpraxen entwickelt. In die Untersuchung gingen 278 Einzelpraxen ein, die sich zu 119 Gemeinschaften zusammenschlossen. Die Datenerhebung erfolgte mit Hilfe eines validierten, Fragebogen-gestützten Diagnose-Systems, das Art und Umfang der im Rahmen der Praxisführung eingesetzten Instrumente, Routinen und Verhaltensweisen aus Arzt- und Mitarbeiterinnen-Sicht erhebt und diesen die erzielte Wirkung aus der Patienten-Perspektive gegenüberstellte.
Dramatischer Abfall der Patientenzufriedenheit
Ein Jahr nach der Fusion stelle sich die Verteilung der Patientenzufriedenheit wie folgt dar:
– 12,6% der Praxen hatten bessere Werte als im Ein-Personen-Betrieb,
– 34,5% gleichwertige und
– 52,9% schlechtere als in der Einzel-Ausgangssituation.
Der Zufriedenheit-Zuwachs betrug dabei durchschnittlich 28,4%, die Zufriedenheits-Abnahme belief sich im Mittel auf 37,1%. Der Rückgang der Patientenzufriedenheit war gleichzeitig mit einer durchschnittlichen Abnahme der Weiterempfehlungsbereitschaft um 35,9% verbunden.
Die Kritik der Patienten bezog sich auf drei Leistungsbereiche der Praxen:
– eine unzureichende Organisation, vor allem in Form überlanger Wartezeiten,
– zu kurze Arztkontakte mit zu wenigen Informationen und geringen Gesprächsmöglichkeiten,
– unaufmerksames und teilweise unfreundliches Personal.
Reduzierte Praxismanagement-Aktivität
Ein Vergleich des realisierten Praxismanagement-Leistungspotentials der sich negativ entwickelnden Mehrarzt-Praxisbetriebe mit den Einzelpraxis-Zustand zeigte, dass die Aktivitäten in der neuen Konstellation zum Teil deutlich geringer ausgeprägt waren. Vor allem die Aktionsbereiche “Praxisorganisation”, “Führung”, “Ärztliches Zeitmanagement” und “Marketing” waren hiervon betroffen.
Auch die Mitarbeiter klagen
Die Mitarbeiterzufriedenheit
– verbesserte sich in 22,7% der Praxen,
– blieb unverändert in 11,8% und
– sank in 65,5% der Zusammenschlüsse. Häufigste Kritikpunkte der Medizinischen Fachangestellten waren eine unzureichende Aufgaben- und Kompetenz-Zuordnung, fehlende Regeln der Zusammenarbeit und eine äußerst geringe Entscheidungseindeutigkeit der Praxisinhaber.
Die Gründe
Der Unterschied zwischen erfolgreichen und sich weniger positiv entwickelnden Zusammenschlüssen liegt einmal in der Form der Zusammenführung. In den meisten Negativ-Fällen existierte kein Integrationsplan, sondern die Routinen der Einzelpraxen wurden weitgehend unverändert zusammengelegt und man überließ es dem Personal, sich dabei selbst zu arrangieren, ein Wandel ohne Veränderung. Doch Mehrarzt-Praxen sind eine eigenständige Praxisform, die andere Regeln benötigt. Hierbei müssen nicht nur unterschiedlichen Arbeitsweisen berücksichtigt werden, sondern auch die Auswirkungen einer Teilung von Verantwortung und Führung. Hinzu kommt, dass die Praxisinhaber nur zurückhaltende Absprachen zu Regelung und Koordination der Praxisarbeit trafen, um die neue Partnerschaft nicht durch persönliche Dominanz zu gefährden, aber auch, um vertraute eigene Routinen nicht zu verlieren.
Die Situationen wurden dadurch erschwert, dass die Mediziner sowohl die Anforderungen als auch die Zufriedenheit ihrer Patienten deutlich überschätzen. Die neue Konstellation hatte ihnen mit dem Blick auf die persönlichen Vorteile (“In der Kooperation wird alles besser!”) den Blick für die Realität verstellt.
Key take-away:
Nur die Zusammenschlüsse von Einzelpraxen zu Gemeinschaften sind erfolgreich, die ihr Projekt geplant und systematisch umsetzen und dabei wie bei einer Praxis-Neugründung vorgehen.
IFABS aktuell:
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