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Ist Novartis ein Forschungsunternehmen oder eine Marketingmaschine? (Geschäftsbericht 2012)
Wieviel wurde 2012 von Novartis in Forschung investiert? Wieviel wurde 2012 für die Verkaufsförderung (Marketing) ausgegeben?
Gemeinhin präsentieren sich Pharmaunternehmen als Forschungsunternehmen. Und die Öffentlichkeit nimmt diese auch so wahr. Doch stimmt dieses Bild?
Als börsengehandeltes Unternehmen ist Novartis gegenüber seinen Aktionären zur Offenlegung in Form eines Geschäftsberichtes verpflichtet. Ein Geschäftsbericht enthält viele interessante Informationen, nicht nur für Aktionäre.
Novartis | CC BY-NC-ND DP
Gemäss dem Novartis Geschäftsbericht 2012 auf Seite 156 hat Novartis 2012 den grossen Betrag von 9.3 Mrd. USD für Forschung ausgegeben. Gleichzeitig wurden jedoch für das Marketing erstaunliche 14.4 Mrd. USD ausgegeben! Das sind über 54% mehr fürs Marketing als für die Forschung!
Nichts neues. Bereits 2011 hat Novartis 9.6 Mrd. USD für die Forschung ausgegeben und 15 Mrd. USD für das Marketing. Das ergibt 57% mehr Ausgaben fürs Marketing als für die Forschung! Seit Jahren das gleiche.1
Für das am 31. Dez. 2011 endende Geschäftsjahr Mio. USD | Für das am 31. Dez. 2012 endende Geschäftsjahr Mio. USD | Veränderung in USD % | |
---|---|---|---|
Nettoumsatz | 58566 | 56673 | -3 |
Andere Erlöse | 809 | 888 | 10 |
Herstellungskosten der verkauften Produkte | -18983 | -17756 | -6 |
Marketing & Verkauf | -15079 | -14353 | -5 |
Forschung & Entwicklung | -9583 | -9332 | -3 |
Administration & allgemeine Kosten | -2970 | -2937 | -1 |
Übrige Erträge | 1354 | 1187 | -12 |
Übrige Aufwendungen | -3116 | -1859 | -40 |
Operatives Ergebnis | 10998 | 11511 | 5 |
Ertrag aus assoziierten Gesellschaften | 528 | 552 | 5 |
Finanzertrag | -2 | -96 | |
Zinsaufwand | -751 | -724 | -4 |
Gewinn vor Steuern | 10773 | 11243 | 4 |
Steuern | -1528 | -1625 | 6 |
Reingewinn | 9245 | 9618 | 4 |
Operative Kennzahl von Novartis für die Jahre 2012 und 2011. Quelle: Novartis Geschäftsbericht 2012, Seite 156.
Aber hat Novartis wenigstens bei der Entwicklung von neuen patentgeschützten Medikamenten (Innovationen) mehr für die Forschung ausgeben?
Fehlanzeige.
Im Geschäftsbericht auf Seite 212 sind die Ausgaben nach den Sparten aufgeschlüsselt. Schauen wir den Hauptbereich von Novartis an: die Entwicklung von neuen Medikamenten (Pharmaceuticals). Dort hat Novartis 2012 6.9 Mrd. USD für die Forschung und 8.5 Mrd USD fürs Marketing ausgegeben. Das macht fast einen Viertel (24%) mehr für das Marketing als für die Forschung.
Im Jahre 2011 investierte Novartis 7.2 Mrd. USD in die Forschung und gab 8.9 Mrd. USD für die Verkaufsförderung aus. Auch früher war es nicht anders.2
Nur in der kleinen Sparte Vaccines and Diagnostics (Impfstoffe und Diagnostik) hat Novartis mehr für die Forschung als für das Marketing ausgegeben.
Sparte | Forschung & Entwicklung (Mio. USD) | Marketing & Verkauf (Mio. USD) | Mehrausgaben Marketing % | |||
---|---|---|---|---|---|---|
Jahr | 2011 | 2012 | 2011 | 2012 | 2011 | 2012 |
Pharmaceuticals | 7232 | 6918 | 8929 | 8568 | 23% | 24% |
Vaccines and Diagnostics | 523 | 453 | 363 | 324 | -31% | -28% |
Sandoz | 640 | 695 | 1591 | 1561 | 149% | 125% |
Consumer Health | 296 | 291 | 1674 | 1442 | 466% | 396% |
Alcon, Inc. | 892 | 975 | 2537 | 2462 | 184% | 153% |
Total Konzern | 9583 | 9332 | 15079 | 14353 | 57% | 54% |
Forschungs- und Marketingausgaben der Jahre 2012 und 2011 aufgeschlüsselt nach Konzernsparten von Novartis. Quelle: Novartis Geschäftsbericht 2012, Seite 202.
Warum muss Novartis für seine Medikamente soviel Marketing machen? Gute Produkte kommen ohne Werbung aus. Gute Produkte sprechen sich herum. Hat schon jemand Werbung für Google gesehen?
Im Bereich Pharmaceuticals ist es umso verwunderlicher, als dort die Staaten Novartis ein Monopol in Form von Patenten garantieren. Novartis kann die Medikamente ohne Konkurrenz verkaufen.
Die Zahlen haben sich im Vergleich zur letzten Auswertung des Geschäftsberichtes 2011 nicht wesentlich verändert.
Was macht Novartis eigentlich mit 14.4 Mrd. USD Marketing Budget?
Nachtrag
[Aktualisierung 22.11.2014: NZZ-Artikel mit ähnlichem Titel: Pharmafirmen als Marketing-Maschinen]
-
2010 hat Novartis 9 Mrd. für die Forschung ausgegeben und 13.3 Mrd. für das Marketing. Das ergibt 47% mehr Ausgaben fürs Marketing als für die Forschung!
Und im Jahre 2009 hat Novartis 7.5 Mrd. für die Forschung ausgegeben und 12 Mrd. für das Marketing. Das ergibt 60% mehr Ausgaben fürs Marketing als für die Forschung! ↩ -
2010 investierte Novartis 7.2 Mrd. USD in die Forschung und gab 8.6 Mrd. USD für die Verkaufsförderung aus.
Und im Jahre 2009 investierte Novartis 5.8 Mrd. USD in die Forschung und gab 8.4 Mrd. USD für die Verkaufsförderung aus. Das macht geschlagene 43% mehr Aufwände fürs Marketing. ↩
Zwang zur Transparenz bei Selbsthilfe
Selbsthilfeverbände und Pharmaunternehmen sind ungleiche Partner. Der Einfluss der Pharmaindustrie auf Selbsthilfegruppen durch Spenden, Fördermitgliedschaften und anderen Zuwendungen wurde in der Vergangenheit immer wieder kritisiert. Der Selbsthilfe fällt es jedoch erkennbar schwer, Unabhängigkeit und Transparenz zu gewährleisten.
Diese Schwäche wird nun von den Pharmaunternehmen genutzt, um sich zu profilieren. Sowohl der Verein “Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie” (FS-Arzneimittelindustrie), dem Unternehmen des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller angehören, als auch der Verein “Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen” (AKG), dem Mitglieder des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie beitreten können, haben in den letzten Monaten Leitlinien im Umgang mit Selbsthilfegruppen verabschiedet. (FSA-Kodex
zur Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen & AKG-Kodex zur Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen). Diese Selbstverpflichtungen gehen weiter als das, was in der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG Selbsthilfe) als Minimalkonsens durchgesetzt werden konnte (Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen).
Damit tritt ein, was hier im Blog schon vermutet worden ist. Der schwarze Peter liegt nun bei den Selbsthilfeverbänden, die in Sachen Transparenz von den Pharmaunternehmen und ihren PR-Profis getrieben werden. Wenn die Beschränkungen, die bisher die direkte Werbung und Information der Arzneimittelhersteller an die Patienten verhindern, wie von der EU-Kommission geplant gelockert werden, spielen die Selbsthilfegruppen eine wichtige Rolle in der Kommunikationstrategie der Unternehmen. Klare Spielregeln sind nötig, um nicht den Vertrauensverlust der Pharmakonzerne in den USA nach Freigabe der Konsumentenwerbung zu erleiden.
Im einzelnen sind es drei Punkte, die insbesondere die Selbsthilfeverbände in Zugzwang bringen. Zum einen die Transparenz bei den Zuwendungen. Die FS-Arzneimittelindustrie sieht vor, dass Mitgliedsunternehmen jeweils der Öffentlichkeit eine Liste derjenigen Organisationen der Patientenselbsthilfe zur Verfügung stellen müssen, die sie national oder auch europaweit finanziell unterstützen oder denen sie erhebliche indirekte oder nicht-finanzielle Zuwendungen gewähren. Die Liste ist mindestens einmal jährlich (spätestens jeweils bis zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr) zu aktualisieren und soll Geld- und Sachzuwendungen enthalten. Beim AKG sind es nur die geldwerten Leistungen. Eine solche umfangreiche Veröffentlichungspflicht sieht die BAG Selbsthilfe bisher nicht vor. Dies wird die viele Selbsthilfegruppen vor Probleme stellen. Um einen falschen Eindruck bei Mitgliedern und Öffentlichkeit zu vermeiden, müssten die Listen der Pharmaunternehmen von der Selbsthilfe durch die Darlegung der Details, was mit dem Geld finanziert worden ist, ergänzt werden. Da Selbsthilfegruppen durchaus auch in Konkurrenz miteinander stehen, ist dies für die Funktionäre ein harter Schlag.
Ein eleganter Weg, den Einfluss von Pharmaunternehmen gegenüber Mitgliedern und Patienten zu verschleiern, war die Beauftragung von Dienstleistern, wie PR- oder Veranstaltungsagenturen. Dem schiebt die Pharmaindustrie einen Riegel vor. Die Verpflichtungen nach dem Kodex treffen Unternehmen auch dann, wenn sie Andere damit beauftragen, die von diesem Kodex erfassten Aktivitäten für sie zu gestalten und durchzuführen. Damit fällt ein Anreiz für die Pharmaunternehmen weg, selber die Abwicklung von Projekten zu beauftragen. Das könnte für die Selbsthilfeverbände organisatorische Mehrarbeit bedeuten.
Zur Transparenz gehört auch die Trennung zwischen Mitarbeitern der Pharmaunternehmen und Verantwortlichen in der Selbsthilfe. Dazu legen die Kodizes fest, dass Vertreter oder Mitarbeiter von Unternehmen keine Funktionen in Organisationen der Patientenselbsthilfe, insbesondere deren Organe ausüben dürfen. Eine Ausnahme sind wissenschaftliche Beiräte. Die Leitsätze der BAG Selbsthilfe verlangen bisher lediglich, dass die Selbsthilfeorganisation in geeigneter Weise über Organvertreter, die ausserhalb ihrer Rolle als Mitglied der Mitgliederversammlung von Wirtschaftsunternehmen Leistungen erhalten, informiert. Damit verlieren einige Selbsthilfegruppen den guten direkten Draht zu einem Unternehmen.
Die Pharmaunternehmen wollen die Umsetzung der Kodizes über Spruchkörper bzw. eine Mediationsinstanz begleiten, was das zahnlose Monitoring-Verfahren der Selbsthilfe obsolet machen könnte.
Grund genug für den BAG Selbsthilfe und das “Forum im Paritätischen” zu einem Workshop “Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie zur Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe” einzuladen, der am 30.01.2009 im Bonner Gustav-Heinemann-Haus stattfinden soll. In der Tagesordnung wird von “Inkompatibilitäten der Leitsätze und der Kodizes der Arzneimittelhersteller” gesprochen. Die Pharmaunternehmen haben ihre Kommunikationshoheit klar abgesteckt. Den Selbsthilfegruppen bleibt es nur noch vorbehalten, auf die “Inkompabilitäten” zu reagieren.