Ich lass die folgende Geschichte mal unkommentiert – oder besser, ich kommentiere sie mit einem Comic der Freunde von Rippenspreizer.
Es begab sich kurz vor Ende der Spätschicht, als plötzlich der hausinterne Reanimationsalarm losging. Auf der befreundeten internistischen Station bot sich mir und Luisa, der zuverlässigen Anästhesiepflegekraft, ein Bild des Grauens. Drei Pflegekräfte standen kopfschüttelnd um einen Mann Ende sechzig, der japsend und tiefblau in seinem Bett lag.
“Guten Abend, das Rea-Team, wie können wir helfen?”, fragte ich, obwohl die Frage ja eigentlich überflüssig war, denn sie hatten uns bestimmt nicht zum Staubsaugen auf die Station bestellt.
“Ja, irgendwie geht es dem Herrn Mayer nicht so gut…”
No shit, Sherlock.
Ich betrachtete den Sättigungsclip, den man notdürftig am kleinen Finger des Patienten angebracht hatte. Er zeigte eine Zahl, die zumindest noch zweistellig war. Freundlicherweise hatte man dem Herren auch eine Nasenbrille aufgesetzt, was angesichts der katastrophalen Sauerstoffversorgung jetzt auch nicht so der Bringer war.
“Maske, Sauerstoff, pronto.” Mit etwas Mühe konnten wir die Sauerstoffsättigung auf etwa 60% anheben.
“Was könnt Ihr mir über den Patienten sagen?”, fragte ich so in die Runde. Da wir uns auf einer onkologischen Station befanden, hatte ich die Befürchtung, dass der Patient mindestens präfinal war und die ganze Aktion daher mehr als unnötig für alle Beteiligten.
“Also, der Herr Mayer… der hat einen Lungentumor. Er wollte eigentlich noch eine Chemo haben, aber eigentlich ist er komplett durchmetastasiert und… naja…”
“Super. Gibt’s hier auch nen zuständigen Kollegen?”
“Ja, der telefoniert gerade.”
“Der – was?” Luisa und ich sahen uns überrascht an. Der Kunde kriegt kaum Luft und Dr. Dolittle telefoniert?
“Kollege – jetzt – SOFORT!”, japste ich mit ähnlich viel Luft wie der Kunde unter mir.
Eine Schwester rannte schnell aus dem Zimmer und kam umgehend mit Dr. Dolittle im Schlepptau wieder zurück.
“Ach ja…”, sagte dieser zur Begrüßung. “Der arme Herr Mayer…”
Mittlerweile hatte Herr Mayer ordentlich Morphin intus, damit er das Elend nicht noch live miterleben musste. Man ist ja schließlich noch ein Mindestmaß emphatisch.
“Hat der arme Herr Mayer eine Patientenverfügung?”, fragte ich ungeduldig.
“Nein, das macht die Dinge ja kompliziert… Also, ich habe gerade mit meinem Hintergrund telefoniert…”
“Herr Kollege, was wünschen Sie sich denn von mir? Tubus rein und Intensivtherapie oder Maske runter? Herr Mayer hat nicht ewig Zeit!”, unterbrach ich ihn rüde.
“Nun, mein Hintergrund konnte sich auch nicht entscheiden… Eigentlich wäre es ja besser, aufzuhören, aber andererseits… Herr Mayer wollte noch eine Chemo, trotz der ausweglosen Situation… und wir wissen ja auch nicht, was jetzt das Problem… also, eigentlich doch eher aufhören… aber die Angehörigen… ach, warten Sie, ich rufe mal schnell die Tochter an!”
Sprach’s und verließ den Raum.
“Der geht jetzt nicht raus um mit den Angehörigen zu telefonieren, oder?”, fragte ich Luisa ungläubig. Herr Müller war mittlerweile so ausgiebig hypoxisch, dass es wahrscheinlich eh schon Latte war. Nach etwa fünf Minuten kam Dr.Dolittle wieder.
“Also… die Tochter wusste jetzt auch nicht… sie ruft noch mal die Mutter, also die Ehefrau von Herrn Mayer, an und dann ruft sie…”
“Herr Kollege!” Meine Stimme überschlug sich. “Tubus rein oder Maske runter?! In letzterem Fall ist der Patient sofort tot. Ich sag’s ja nur. Sie müssen sich jetzt entscheiden!”
“Also… wir sollten wahrscheinlich aufhören… denke ich. Vielleicht. Andererseits…”
“So, 8er Tubus, bitte.” Mir reichte es jetzt endgültig.
Es folgte noch eine bizarre Diskussion darüber, wo der beatmete Patient denn jetzt hingehen sollte, die suggerierte, der Kollege dachte, ich hätte unbegrenzt Zeit und nichts Besseres zu tun, als Patienten mit Schnorchel zu bewachen, aber den Part erspare ich Euch jetzt.