Im Fummel in die Schule

Betty BBQ1In Baden-Württemberg soll durch die Bildungsplanreform Wissen über „sexuelle Vielfalt“ fest im Lehrplan verankert werden – mit dem Ziel einer offen Gesellschaft. Das hat zu heftigen Kontroversen bis hin zu Hetze geführt. Betty BBQ ließ sich davon nicht abschrecken lassen und trat in einer Realschule des Musterländles als Botschafterin für Toleranz auf. Christoph Kolbe hat mit der Freiburger Dragqueen und dem Lehrer Daniel Hey gesprochen.

Betty, du hast an einer baden-württembergischen Realschule im Fummel über LGBT – Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*-Menschen – aufgeklärt. Wie kam es dazu?

Betty: Ganz einfach, ich wurde darum gebeten. Der Lehrer Daniel Hey kam auf mich zu und hat mich gefragt. Und letzten Endes hat er mich auch überzeugt.

„Ich hatte nicht viele Erwartungen und auch ein bisschen Schiss“

Du wolltest also eigentlich nicht. Warum nicht? Welche Erwartungen hattest du?

Betty: Wir wissen ja alle, in der Schule wird nicht viel übers „Anderssein“ gesprochen. Und manche Vorbilder junger Menschen verteufeln das „Anderssein“ oder sind direkt homophob, wie das im HipHop oft der Fall ist. Deshalb hatte ich ehrlich gesagt nicht viele Erwartungen und auch ein bisschen Schiss.

Herr Hey, warum wollten Sie, dass Betty im Fummel in die Schule kommt?

D. Hey: Zwei Aspekte waren für mich wichtig: Zum einen wollte ich den Schülern einen Blick in eine Lebenswelt ermöglichen, die sie bisher noch nicht kannten. Zum anderen fungiert Betty als „Queer“-Spezialistin, die den Jugendlichen all das erklären kann, was ihnen rund um die Themen LGBT und Queer noch nicht bekannt war.

„Einen Blick in eine bisher unbekannte Lebenswelt ermöglichen“

Wie ist es gelaufen, Betty?

Betty: Sehr gut, ich hab eine sehr interessierte Klasse vorgefunden, und meine Bedenken waren schnell verflogen.

Was hast du konkret gemacht?

Betty: Ich hab über meine Aktivitäten als Drag Queen und meine ehrenamtliche Arbeit bei GenTLe Man, dem Präventionsprojekt der Aids-Hilfe Baden-Württemberg gesprochen. Danach hab ich die Fragen der Jugendlichen beantwortet.

Vielfalt-Spezialistin

Keine Angst vor bunter Vielfalt!

Welche Fragen haben sie dir gestellt?

Betty: Wie schon erwähnt, hab ich mit kaum was Gutem gerechnet. Ich wurde allerdings von schlauen und ehrlich interessierten Fragen überrascht. Es gab Fragen zu Queer-Themen, direkt zu Homophobie oder die Standardfrage, wie lange ich zum Schminken brauche (lacht). Und das Tollste: Es gab keine einzige Frage unterhalb der Gürtellinie.

Wie haben Sie, Herr Hey, die Stunde empfunden?

D. Hey: Ich fand’s auch toll. Ich bin davon überzeugt, dass mangelnde Toleranz auf Angst vor dem Unbekannten beruht. Mit dem Besuch von Betty wollte ich erreichen, dass die Jugendlichen in einem für sie sicheren Rahmen Berührungspunkte zu einem Menschen finden, der für sie sonst nicht erfahrbar würde. Als „Botschafterin für Toleranz“ hat Betty dazu beigetragen, andere Lebensformen aus der „Freak-Ecke“ zu holen.

„Betty hat dazu beigetragen, andere Lebensformen aus der Freak-Ecke zu holen“

Was hat eigentlich das Kollegium oder der Direktor zu Bettys Besuch gesagt?

D. Hey: Das Kollegium war größtenteils von der Idee angetan und zeigte sich interessiert. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass auch andere Lehrer an Besuchen von Betty interessiert sind – ich kann das nur wärmstens empfehlen. Meine Schule hat das Glück, einen sehr offenen Rektor zu haben, der mir die für den Besuch nötigen Freiheiten überließ. Kritische Stimmen gibt es immer, was ja auch berechtigt ist, da nur im gemeinsamen Dialog Entwicklungen stattfinden können, die für alle Seiten tragbar sind.

Die Debatte über den Bildungsplan in Baden-Württemberg schlug bundesweit hohe Wellen. Betty, war der Bildungsplan Thema in deiner Unterrichtsstunde?

Betty: Die Stunde war ja quasi Bildungsplan, wie er idealerweise sein sollte (lacht). Als solcher war er aber kein Thema.

Betty BBQ in Aktion

Queer-Expertin Betty BBQ traf auf eine interessierte Klasse

Herr Hey, ist die Bildungsplanreform an Ihrer Schule ein großes Thema?

D. Hey: Aber sicher. Kollegen waren schockiert von der Petition, die sexuelle Vielfalt aus dem neuen Bildungsplan verbannen wollte. Sie verwiesen per Mail und Aushang auf die Gegenpetition und zeigten also ihre Unterstützung für das Vorhaben der Landesregierung. Das führte in den darauffolgenden Tagen zu kontroversen Diskussionen im Lehrerzimmer, die ich als gewinnbringend betrachte.

Grundsätzlich: Hast du das Gefühl, dass man in Baden-Württemberg homophober ist als anderswo?

Betty: Das möchte so nicht sagen, aber ich glaube durchaus, dass eher ländliche Regionen größere Probleme haben. Auch meine Heimatstadt, die Schwarzwald-Metropole Freiburg, hat noch großen Nachholbedarf. Deshalb ist es ja wichtig, an Schulen zu gehen. Wenn abends dann am Esstisch mal nicht über Schwule oder andere Minderheiten geschimpft, sondern ernsthaft über Toleranz diskutiert wird, habe ich schon was erreicht.

„Als Drag Queen stehe ich ja quasi an der Front“

Der 17. Mai ist der Internationale Tag gegen Homophobie. Wie sieht es bei dir aus: Wurdest du schon mal diskriminiert?

Betty: Natürlich! Als Drag Queen stehe ich ja quasi an der Front. Wenn ich direkt angesprochen oder angepöbelt werde, kann ich das mit der Schlagfertigkeit einer Drag Queen regeln. Von körperlichen Angriffen wurde ich bis jetzt zum Glück verschont.

Aber solche Vorfälle geben mir Kraft, weiterzumachen. Ich habe den Vorteil, dass all das mit der Kunstfigur Betty BBQ nach einem langen Tag in der Dusche weggespült wird. Das kann nicht jeder. Und die Schwulen und Lesben, Bisexuellen und Trans*-Menschen brauchen unsere Solidarität und Unterstützung im Kampf für Gleichstellung und Akzeptanz.


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