Wie ein zu geringes Co-Working die aktivierbare Marktenergie deckelt
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Eine bemerkenswerte dpa-Meldung – gelegentlich auch mit dem Kürzel (dpa/tmn) bezeichnet [Edit: das steht für “dpa-themendienst”] – geistert seit einigen Stunden durch die Online-Angebote der Republik und wird wohl morgen in vielen Zeitungen zu lesen sein.
Anscheinend basiert die Meldung auf einer Pressemitteilung oder einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Das Anliegen der DGGG ist es ganz offenbar, die Kaiserschnittquote zu reduzieren oder einen weiteren Anstieg zu verhindern.
Die Thematik der möglichen Vor- und Nachteile von Kaiserschnitt und natürlicher Geburt für Mutter und Kind ist hochkomplex, facettenreich und wird seit Jahren mit großer Leidenschaft debattiert. Das Anliegen der DGGG kann man deshalb für unterstützenswert halten oder nicht.
Was die DGGG allerdings reitet, im Verbund miit der dpa mit unwahren und unbelegten Behauptungen die Angst der Frauen vor einem Kaiserschnitt zu schüren, steht auf einem anderen Blatt. Schon der Beginn der Meldung erstaunt:
Moment. Ein möglicher Zusammenhang zwischen einer Kaiserschnittgeburt und einer abnehmenden Fruchtbarkeit der Frau ist zwar immer wieder diskutiert und in zahlreichen Studien untersucht worden, ohne jedoch überzeugende Belege für einen kausalen Zusammenhang zu finden. Dazu aus einer neueren Veröffentlichung zu der Fragestellung:
Wir schlußfolgern aus unseren Ergebnissen, daß eine Entbindung per Sectio die zukünftige Fertilität nicht beeinflußt.
Auch eine aktuelle Übersichtsarbeit dazu (Current Opinion in Obstetrics and Gynecology, 2007 Jun;19(3):238-243) kommt zu dem Schluss, dass ein solcher Zusammenhang jedenfalls im Fall von Wunschkaiserschnitten nicht besteht:
Noch steiler die These, die die DGGG gleich im nächsten Satz nachlegt:
Jetzt wird das Eis richtig dünn. Nach “vielfach” und “deutlich” muss jetzt wie in einem Schulaufsatz das Wörtchen “oft” als Beleg herhalten. Gibt es wirklich so viel mehr traumatisch verlaufende (Wunsch-)Kaiserschnitte als traumatisch verlaufende natürliche Geburten?
Und heiligt der Zweck, die Kaiserschnittquote zu senken, jedes Mittel? Auch eine derart krude Kampagne, in der es im Kern darum zu gehen scheint, werdende Mütter mit falschen Behauptungen zu verunsichern?
In der ZEIT macht sich ein Wissenschaftsjournalist Gedanken warum in Deutschland über die HPV-Impfung so gestritten wird, obwohl sie ein grosser Erfolg der Wissenschaft sei und nachweislich einen Grossteil von Krebsvorstufen verhindern helfe. Für ihn ein Trauerspiel.
Zur Beantwortung der Frage genügt ein Blick in den SPIEGEL. SPON berichtet über eine Studie bei der bei Mädchen lange vor dem ersten Geschlechtsverkehr mit einem DNA-Test eine HPV-Infektion festgestellt worden ist. Die Wissenschaftlerin schlägt vor, Mädchen bereits im Kleinkindalter gegen Humane Papillomviren (HPV) zu impfen.
Der Artikel im American Journal of Obstetrics & Gynecology schweigt sich über mögliche Interessenskonflikte der Autorinnen aus. Diese sind aber nicht von der Hand zu weisen, ist die Befürworterin der frühen Impfung doch beispielsweise 2007 auf der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde als Referentin bei einem Satellitensymposium von Sanofi-Pasteur aufgetreten.
Die schwer zu durchschaubare Mischung aus Marketing und Wissenschaft, bei denen die beiden Impfstoffhersteller mit hohem PR-Einsatz dabei sind, macht eine rationale Bewertung auf Basis von Evidenz so schwer. Das wahre Trauerspiel wird von Sanofi-Pasteur MSD und GlaxoSmithKline aufgeführt. Mit allen negativen Konsequenzen für das Vertrauen der Bürger in die Pharmaindustrie.
Warum ist Open Access wichtig? Was hat der Wissenschaftliche Beirat der MS-Gesellschaft beschlossen?
Open Access bezeichnet den kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Artikel. Die Grundlagenforschung wird in der Regel öffentlich bezahlt – von Bürgern oder Spendern. Es wäre also nichts als Recht, wenn alle, Bürger, Spender und Forscher von der ganzen Welt, die entstanden Forschungsartikel lesen könnten. Gründe gibt es viele, weil sie dies tun möchten. Aktuell, kosten diese Artikel je etwa $30. Eine unnötige, doppelte Bezahlung.
Das muss nicht sein. Forscher und forschungsfördernde Instiutionen können etwas dagegen tun.
Der Wissenschaftliche Beirat der Schweizerischen MS-Gesellschaft hat an der Sitzung vom 26. Januar 2013 deshalb beschlossen, Publikationen, aus geförderten Projekten, frei zugänglich zu machen (Open Access).
Das ist ein sehr positiver Schritt.
Das Schema wird sich am Schweizerischen Nationalfonds (SNF) orientieren. Die konkrete Ausgestaltung ist in Arbeit.
Die Gemeinnützigkeit der Forschungsförderung der MS-Gesellschaft wird dadurch besser erreicht, wenn die Forschungsergebnisse öffentlich frei verfügbar (Open Access) sind und die Forschungsgemeinschaft vollumfänglich von den geförderten Projekten profitieren kann. Die MS-Gesellschaft kann auf diese Weise die Forschung mit den gesammelten Spendengeldern insgesamt stärker unterstützen. Und so ihrem gemeinnützigen Zweck zur Förderung und Unterstützung der MS-Forschung noch besser nachkommen.
Dies ist eine weitere erfreuliche Bewegung bei Open Access.
Ich hoffe andere gemeinnützige, forschungsfördernde Gesellschaften machen den selben Schritt. Im Interesse der Betroffenen. Im Interesse der Forschung. Im Interesse der Gemeinschaft.
[Aktualisierung 07.08.2013: Ein neuerer Blogartikel beschreibt wie die konkrete Umsetzung von Open Access für gemeinnützige Organisationen einfach möglich ist.]