Der Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit ist einer der bedeutendsten Branchentreffen Deutschlands geworden. Jedes Jahr treffen sich hier die wichtigsten Entscheider aus Politik, Verbänden, Versicherungen,
Wissenschaft, Medizin und Pflege. In diesem Jahr wurden rund 8.000 Fachbesucher erwartet. Einige Parlamentarier waren auch vor Ort. Für uns berichtet Konrad Fenderich vom Kongress.
Nach einer etwa zweieinhalbstündigen Autofahrt durch den Nordosten Deutschlands kam ich zum Mittwochmorgen am Citycube im Messegelände in Berlin an, um DEN Kongress für alle Akteure des Gesundheitswesens und der Medizin zu besuchen.
Der Stellenwert des Hauptstadtkongresses wurde gleich zu Beginn durch den Eröffnungsvortrag unseres Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe offensichtlich. Gröhe betonte dabei, wie wertvoll die Gesundheitspolitik zum „Erhalt einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung für alle Menschen in unserem Land“ sei und sprach sich deutlich für das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz aus, um ein „dauerhaft verlässliches solidarisches Gesundheitswesen“ zu finanzieren.
Für seine Legislaturperiode hat sich der Bundesgesundheitsminister einiges vorgenommen: Die Einrichtung von Terminservicestellen zur schnelleren Terminvergabe beim Facharzt, die ländliche Versorgung mit Hausärzten sicherzustellen, die Sektorengrenzen zwischen ambulant und stationär weiter aufzubrechen, medizinischen Versorgungszentren mehr Unterstützung zu gewähren sowie noch im Laufe dieses Jahres einen Entwurf für ein Präventionsgesetz und ein sogenanntes „E-Health-Gesetz“ vorzulegen, um „die Nutzung der Telematikinfrastruktur“ weiter zu konkretisieren und für andere Anwendungen zu öffnen. Zudem sieht Gröhe Handlungsbedarf bei der Pflege, weshalb Anfang 2015 Leistungsverbesserungen eintreten sollen.
Was sich dem Programm des Hauptstadtkongresses bereits entnehmen ließ, wurde auch vom Vortrag des Bundesgesundheitsministers noch einmal bekräftigt: Das Überthema „Qualität im Gesundheitswesen“ ist zwar nicht neu, aber omnipräsent. Gröhe fordert deshalb einen Qualitätswettbewerb, „der zu einem laufenden Verbesserungsprozess“ führen soll. Des Weiteren wird ein unabhängiges, wissenschaftliches Qualitätsinstitut gegründet, welches „sektorübergreifend Kriterien entwickeln“ wird und sich damit befassen soll, wie Qualität in Behandlungsabläufen sichergestellt werden kann.
Mich persönlich freut es, dass wir uns in der Ausschussarbeit des Young Lions Gesundheitsparlaments mit vielen der genannten Themen bereits befassen und befasst haben. Es mach deutlich, dass wir mit unserer Themensetzung nahe am Strom der Zeit liegen.
Die feurigen Ankündigungen des Bundesgesundheitsministers ließen die Technik im Citycube glühen, weshalb der Hauptstadtkongress auf Grund eines Fehlalarms für ca. eine halbe Stunde evakuiert und unterbrochen wurde. Bald darauf durften aber alle Teilnehmer wieder zurück in die Räumlichkeiten, um sich an den Ständen der vielen Aussteller über deren Arbeit, Aktionen und Job- bzw. Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren.
Die Hintergründe der Aussteller waren dabei vielfältig. Von den bemerkenswerten Auftritten der Hauptsponsoren und Partner, Auftritten von Pharma- und Biotec-Unternehmen, von Leistungserbringern und Leistungsträgern, Auftritten von Hochschulen über Unternehmensberatungen bis hin zu einem Stand des Berliner Diabetiker-Kreises gab es ein buntes Spektrum an Informationsmöglichkeiten und Ständen zu erkunden. Viele Sonderaktionen warben dabei um eine möglichst hohe Aufmerksamkeit der Kongressteilnehmer. So konnten diese sowohl spezifischen Fachvorträgen lauschen, ihr Abbild als eine Karikatur zeichnen lassen, ihr Körpergleichgewicht auf einem Posturomed testen oder sich mit alkoholfreien Cocktails und Frikadellen- oder belegten Brötchen durch den Mittag schlemmen.
In Mitten dieser Ausstellung, die auf Grund der viereckigen Form des Citycubes im Grunde doch relativ einfach zu überschauen war, ragte ein Videowürfel über der sogenannten Kongress-Piazza, die als der breiteste Durchgang der Halle oft für viele kleine Gespräche oder eine kurze Verschnaufpause genutzt wurde. Auf dem Videowürfel hingegen wurden alle Tweets angezeigt, die mit dem entsprechenden #hsk14 während des Hauptstadtkongress von dessen Teilnehmern getwittert wurden. Dies betont insbesondere an dieser Stelle die heutige Bedeutung der Social Media.
Am frühen Nachmittag begannen dann die jeweils anderthalbstündigen Vorträge und Podiumsdiskussionen in den Stockwerken ober- und unterhalb der Ausstellerhalle. Die Auswahl war entsprechend schwierig, denn sowohl das Hauptstadtforum Gesundheitspolitik, der Managementkongress Krankenhaus Klinik Rehabilitation, das Deutsche Ärzteforum und der Deutsche Pflegekongress luden zu mindestens zwei parallelen Veranstaltungen ein. Meine Wahl fiel letztendlich auf die Podiumsdiskussion „Qualitätsoffensive für das deutsche Gesundheitswesen“ innerhalb des Hauptstadtforums Gesundheitspolitik, um das Thema Qualität in Anknüpfung an den Eröffnungsvortrag des Bundesgesundheitsministers noch einmal zu vertiefen. Moderiert wurde diese Veranstaltung von Herrn Dr. Hess, ehemals Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses, welcher zu Beginn die fünf Teilnehmer zu einem kurzen Statement bat.
Herr Prof. Dr. Gerlach, Allgemeinmediziner und Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, wies auf ein jüngst veröffentlichtes Gutachten „Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche“ hin, um das Thema Qualität an einer Unterversorgung im ländlichen Raum gegenüber einer Überversorgung in Ballungsgebieten zu spiegeln.
Mehr Transparenz sowie eine qualitätsorientierte Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung und -planung forderte hingegen Frau Dr. Klakow-Franck, unparteiisches Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss. Sie unterstrich die Absicht des Bundesgesundheitsministers, in Kürze ein neues Qualitätsinstitut zu gründen, welches sich den Themen Ergebnisqualität und Qualitätskriterien widmen soll.
Das Stichwort der Überversorgung in Ballungsgebieten nahm Herr Dr. Gruhl von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz der Stadt Hamburg auf und teilte mit, dass sich die Kliniken in Hamburg, durch einen „ruinösen Wettbewerb“ in einem „ökonomischen Hamsterrad“ befänden. Gruhl kritisierte außerdem, dass schlechte Leistung kaum bemessen jedoch immer bezahlt würde und forderte daher, dass der Erfolg einer Klinik an seiner Qualität gemessen werden sollte.
Herr Prof. Dr. Szecsenyi vom Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen sprach sich ebenfalls für eine breitgefächerte Transparenz aus, die, einmal im Gesundheitswesen verankert, eine Sogwirkung auf andere Player besitzen würde. Diese Transparenz sollte auch dafür sorgen, dass „das Richtige am richtigen Patienten am richtigen Ort“ gemacht würde, um eine durch Fehlanreize induzierte Überversorgung von Patienten zu minimieren.
Zuletzt kam Herr Uwe Deh, Vorstandsmitglied im AOK-Bundesverband, zur Sprache. Deh bewertete es als positiv, dass langsam aber stetig der „Demokrat-Vorhang“ vor dem Gesundheitswesen beiseite gezogen und nüchtern auf die Probleme geschaut würde. Nun, da das Thema Qualität seiner Meinung nach „touretteartig“ im Koalitionsvertrag der Bundesregierung auftreten würde, sei es an der Zeit konkrete Ziele zu formulieren und Anreize zur Qualitätsverbesserung zu schaffen. So stellte er beispielsweise dar, dass die Leistungsexpansion im Krankenhaus „kein ökonomisches Momentum“, sondern im DRG-System verankert sei. Das System triebe Operateure im schlimmsten Fall dazu, auch „Gesunde zu operieren“. Neben einer Zentrenbildung im Sinne der MVZ und Mindestmengenregelungen für Operateure im Krankenhaus forderte Deh außerdem, dass die Politik die Bevölkerung für das Thema Gesundheit zurückgewinnen müsse, da das aktuelle System auf Grund seiner Komplexität vom Normalverbraucher nicht nachvollzogen werden könne. Wie interessant, dachte ich, da unser Ausschuss Öffentlichkeit sich mit eben jenem Thema beschäftigt.
In der anschließenden Podiumsdiskussion war der Tenor recht übereinstimmend. So sagten Moderator Hess in Anlehnung an Gröhe sowie Klakow aus, dass wir in Deutschland „ein grundlegend gutes Gesundheitssystem“ und kein Qualitätsproblem in der Leistung, aber in der Mengenverteilung hätten. Klakow-Franck sprach sich zudem dafür aus, Behandlungen, „die nicht gemacht werden“, sprich Operationen die durch eine konservative Therapie vermieden werden können, stärker zu fokussieren und zu belohnen. Gruhl forderte, aus dem jetzigen ein weiterhin „leistungsstarkes und diskriminierungsarmes Gesundheitssystem“ zu formen. Gerlach sprach derweil von einem „Krankheitssystem“, welches er „umkrempeln“ wolle, um dessen Fehlanreize für „betriebswirtschaftlich konsequentes Handeln“ der Leistungserbringer zu minimieren und im Sinne der Gesundheit der Patienten zu ändern.
Zusammenfassend seien Veränderungen im Gesundheitssystem zwar mit der Geschwindigkeit einer Schnecke zu erreichen, so Deh, allerdings müsste die Zurückhaltung beim Lösen der Probleme aufgehoben und endlich angefangen werden, eine stückweise Verbesserung des Systems zu bewerkstelligen.
Mit diesen aussagekräftigen Statements wurden die Veranstaltungsteilnehmer entlassen und konnten sich nun wiederum an den Ständen der Aussteller mit Kaffee und Kuchen sowie weiteren Informationen stärken, um anschließend mit voller Aufmerksamkeit weitere Diskussionen zu verfolgen.
In der Zwischenzeit sammelten sich auch die Vertreter des Young Lions Gesundheitsparlaments, die den Hauptstadtkongress besuchten, auf Einladung von Alexander am Stand seines Arbeitgebers. Für mich persönlich war es eine Freude zu sehen, dass ganze neun Parlamentarier und Björn Moeller aus der Geschäftsstelle auf dem Hauptstadtkongress vertreten waren und so die Vielfalt der Young Lions unterstrichen und widerspiegelten. Nach einer kurzen Stärkung und einem Fotoshooting folgten wir bald darauf David, der auf Einladung des wissenschaftlichen Leiters des Managementkongresses Krankenhaus Klinik Rehabilitation Herr Prof. Heinz Lohmann die Young Lions vertreten durfte. David war Referent in der Vortragsreihe „Twittern wir uns unser Krankenhaus: Social Media und Gesundheitsmarkt“.
Zu Beginn stellte Herr Sebastian Baum, Kaufmännischer Direktor am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler dar, warum die Anzahl an Likes der Facebookseite eines Krankenhauses mit einer sinkenden Mortalität im selbigen Krankenhaus korreliert (was im Übrigen durch eine Studie im American Journal of Medical Quality bestätigt wird). Baum unterstrich den Stellenwert der Social Media im Gesundheitswesen, da immerhin 43 % der Kunden zuvor einen Qualitätsvergleich im Internet durchführen und sich zu 78 % auf die Meinung anderer, auch im Internet, verlassen. Herr Timo Mügge, Leiter Unternehmenskommunikation und Marketing der Uniklinik Köln, sah Social Media als eine Maßnahme innerhalb der gesamten Kommunikationsstrategie eines Krankenhauses, um ein menschliches und positives Bild der Klinik zu schaffen. Sogar einen Wettbewerbsvorteil durch die erfolgreiche Einbindung von Social Media in die Gesamtstrategie, wollte Herr Marcel Muhrer-Schwaiger, Unternehmensberater für Digital Communications, Marketing, Brand und PR, erkennen. Kommunikation sei „zivile Kriegsführung“. Bevor zu guter Letzt Herr Prof. Dr. Boris Tolg von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften aus Hamburg seine Lernsoftware zum virtuellen Krankenhaus vorstellte, die vorrangig die Ärzte-Patienten-Kommunikation schulen soll, hatte David seinen großen Auftritt. David, nachdem er das Young Lions Gesundheitsparlaments vorgestellt hatte, appellierte eindrucksvoll an die Krankenhäuser Social Media authentisch, vertrauenswürdig und nachhaltig aufzustellen, um einen tatsächlichen Mehrwert für den Nutzer anzubieten.
Gleich im Anschluss an diese Vortragsreihe bekam David zu seinem Vortrag und der Arbeit des Young Lions Gesundheitsparlamentes viel Zuspruch und wir dürfen gespannt sein, welche Verknüpfungen durch die Beteiligung am Hauptstadtkongress entstehen.
Zum feierlichen Ausklang des Tages wurden alle Kongressgäste zum Come-together auf der Kongress-Piazza geladen, um bei Wein und Brezeln den Tag ausklingen zu lassen. Während David einen letzten Tweet zum über uns thronenden Videowürfel sandte, verabschiedete ich mich nach einigen kurzen Gesprächen vom Hauptstadtkongress und machte mich, durch den Sonnenuntergang begleitet, auf den Rückweg nach Greifswald.
Bis zum nächsten Jahr, wenn es heißt #hsk15.
PS: Im nächsten Jahr findet der Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit zwischen dem 10. Juni und 12. Juni 2015 statt.