Am 21. August 2014 ist es wieder soweit: Die „Positiven Begegnungen“ gehen an den Start, dieses Mal in Kassel. Zu Europas größter HIV-Selbsthilfekonferenz treffen sich rund 450 Menschen, um vier Tage lang über aktuelle Themen rund um das Leben mit HIV zu diskutieren. Wir sprachen mit Heike Gronski, Referentin für „Leben mit HIV“ von der Deutschen AIDS-Hilfe und Organisatorin der Konferenz.
Was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwarten?
Sie dürfen sich auf einen bunten Strauß Themen freuen, mit denen sie sich identifizieren können: Mit „Diskriminierung abbauen“ besetzen wir einen zentralen Aspekt, denn HIV-positive Menschen werden immer noch ausgegrenzt.
Selfempowerment, um das Leben selbst in die Hand nehmen zu können
Ein anderer Schwerpunkt ist „Selfempowerment“. Das heißt, wir wollen dazu beitragen, dass Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und nach eigenen Vorstellungen gestalten. Ebenso wichtig sind diejenigen Veranstaltungen, die wir zu „Menschenrechte und Gesellschaftspolitik“ und zu „Medizin und Gesundheitspolitik“ anbieten.
Ein wichtiges Konferenzziel ist der Abbau von Diskriminierung. Wo kommt so etwas denn noch vor?
Diskriminierung gibt es zum Beispiel im Gesundheitswesen, wo es leider auch noch viel Unwissenheit und Unsicherheit gibt. Das gilt übrigens fürs Pflegepersonal genauso wie für Ärzte.
Das liegt aber zum Teil auch am System. In Kliniken wird HIV – wider besseres Wissen – als extrem leicht übertragbare Infektion eingestuft, was natürlich Einfluss auf die Hygienevorschriften hat. Und das wiederum schürt auch Ängste.
Wie wollt ihr das ändern?
Die zentrale Frage ist: Wie vermittelt man einer Zielgruppe Informationen, über die sie eigentlich verfügen sollte? Wir sagen, das funktioniert am besten im direkten Kontakt mit HIV-Positiven. Daher ist es sinnvoll und authentischer, wenn Menschen mit HIV Fortbildungen mitgestalten.
Wir wollen aber nicht nur darüber sprechen, wo überall diskriminiert wird, sondern auch Möglichkeiten aufzeigen, wie man sich selbst aktiv gegen Diskriminierung wehren kann.
Das Engagement für gesellschaftliche und politische Belange fördern
Das passt zum Thema Selfempowerment …
Ja, unbedingt, hier knüpft auch unser diesjähriges Motto an: „Wir machen uns stark! Und du?“ Wir wollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ermutigen, ihr Leben aktiv zu gestalten und für ihre Rechte einzustehen. Dabei soll es aber nicht nur um individuelle Lebensentscheidungen gehen. Vielmehr wollen wir das Engagement für gesellschaftliche wie auch politische Belange fördern.
Mit Selfempowerment wenden wir uns erstmals auch explizit an Trans*-Menschen. Das wird besonders spannend. Denn wir gehen davon aus, dass sie doppelt stigmatisiert werden und ein positiver HIV-Status in der Trans*-Community tabuisiert wird. Es wird aber auch um medizinische Aspekte gehen, wie etwa: Inwieweit lässt sich die Einnahme von Hormonen mit einer HIV-Therapie kombinieren?
In einigen Workshops geht es um die Strafbarkeit der – potenziellen – HIV-Übertragung. Wie weit sind wir von einer Entkriminalisierung entfernt?
Das ist kleinteilige Sisyphos-Arbeit. Wir haben in Deutschland ja zum Glück keine „HIV-Gesetze“. Bei einer HIV-Übertragung wird der Fall, sofern er vor Gericht kommt, nach den Tatbestand der Körperverletzung verhandelt. Dabei sind viele Aspekte zu berücksichtigen.
Fakt ist, dass HIV keine tödliche Erkrankung mehr ist. Fakt ist auch, dass HIV-Positive, deren Viruslast seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze liegt, nicht infektiös sind. Bei den Gerichten sind diese Tatsachen scheinbar nicht immer bekannt.
Unser Ziel ist, irrationale Ängste bei Staatsanwälten und Richtern abzubauen. Aber natürlich auch in der Bevölkerung selbst, damit es nicht erst zu Strafanzeigen kommt.
„Da müssen wir Brücken bauen“
Was könnt ihr konkret unternehmen, um Richter und Staatsanwälte zu erreichen?
Bei den „Positiven Begegnungen“ werden Rechtsanwälte sein, die auch an Juristenkongressen teilnehmen und dort dann die Fakten rund um HIV kommunizieren. Gleichzeitig wollen wir die Vernetzung zwischen Medizinern und Juristen vorantreiben, denn wenn es um medizinische Gutachten geht, sprechen die beiden Gruppen unterschiedliche Sprachen: Was für Mediziner richtig ist, ist in juristischer Sicht noch lange nicht korrekt. Da müssen wir Brücken bauen.
Was dürfen die Teilnehmerinnen und -Teilnehmer noch erwarten?
Viel! Im Bereich „Medizin und Gesundheitsversorgung“ geht es unter anderem um die neuen Hepatitis-C-Therapien. Wir fragen, ob diese wirklich teuren Behandlungen allen Patienten zugänglich gemacht werden, zum Beispiel auch Menschen in Haft. Die werden nämlich immer mal wieder von besseren Behandlungsmethoden ausgeschlossen. Das ist ein „No go“!
Und sonst?
Beim Thema „Menschenrechte“ sprechen wir etwa über die Schwierigkeiten der medizinischen Versorgung von HIV-Positiven ohne Krankenversicherung. Wir blicken aber auch über die Grenzen nach Osteuropa, konkret nach Russland: Welche Auswirkungen haben homophobe Gesetze auf die Präventionsarbeit, und was können wir von Deutschland aus effektiv dagegen unternehmen?
Wir haben also viel zu bieten, und ich glaube, das werden im doppelten Wortsinn „Positive Begegnungen“.
Interessierte können sich bis zum 20. Juli 2014 unter www.positivebegegnungen.de anmelden. Die Konferenz ist deutschsprachig.