Neugeborene haben physiologisch ein Vitamin-K-Defizit, der Körper hat noch nicht ausreichendes Vitamin gebildet. Dies ist ein Problem, denn Vitamin K ist essentiell für die Bildung von Gerinnungsfaktoren des Blutes. Früher fürchtete man Blutungen, vor allem eine Gehirnblutung bei Neugeborenen durch den Vitamin-K-Mangel (vitamin K deficiency bleeding = VKDB). Seit Jahrzehnten wird daher eine Vitamin-K-Gabe während der Neugeborenenzeit empfohlen.
Diskussionen, ja Streit und Studien gibt es darüber, wie dies administriert wird. In Deutschland (siehe auch) wird eine orale Gabe von 2mg Vitamin K zu den Zeitpunkten Geburt (U1), erste Woche (U2) und nach einem Monat (U3) empfohlen. In den Staaten gibt man 1mg Vitamin K intramuskulär bei Geburt, in Italien anfangs intramuskulär, dann eine orale Gabe von 25ug/tgl bis in die 14.Woche, ähnlich in den Niederlande. Ein diskutiertes und aggressiv (internet-)publiziertes erhöhtes Risiko durch die Vitamin-K-Gabe für Krebserkrankungen besteht nicht.
Wir fahren in Deutschland gut mit dem hier empfohlenen Regime, in den Kinderkliniken wird bei Frühgeborenen häufig auch die amerikanische Empfehlung der i.m.-Gabe umgesetzt, gefolgt von den oralen Gaben. Die “holländische Linie” wird hier gerne in anthroposophischen Kliniken und von Hebammen propagiert, allerdings mit dem irreführenden Zusatz, dies sei “physiologischer” und nebenwirkungsärmer. Dies wird aber durch keine Studie belegt, im Gegenteil, bei unerkannten Lebererkrankungen wie Fehlanlagen der Gallengänge bedeutet dieses Regime ein erhöhtes Risiko.
Hinzu kommt, dass die regelmäßige Gabe über mehrere Wochen einen hohen Anspruch an die Eltern setzt: Das Kind darf das Vitamin K nicht erbrechen, es darf nicht vergessen werden, das Präparat muß gelagert und im Urlaub mitgenommen werden usw.
Alarmierende Zeichen kommen aus den Staaten – hier berichtet das Center of Disease Control CDC, dass immer mehr Eltern die grundsätzliche Gabe von Vitamin K bei Geburt ablehnen. Es vermutet den background bei Impfgegner, die aus einer “Antiimpfkampagne” inzwischen eine “Antispritzkampagne” entwickeln. Hoffen wir, dass sich diese Ideen bei uns nicht durchsetzen.
Bei den regelmäßigen Besuchen in der Frauenklinik der hiesigen Nachbarstadt (wo wir die U2 durchführen) gibt es mitunter Diskussionen Beratungsbedarf, was die grundsätzliche Gabe von Vitamin K angeht (sicherlich 1-2 Familien pro Jahr, die das komplett ablehnen), aber auch, was die o.g. “holländische Linie” der täglichen Vitamin-K-Gabe angeht. Das Gros der Eltern lässt sich aber umstimmen zu den 3 x 2mg zur U1, U2 und U3, wie es bei uns empfohlen wird. Das stichhaltigste Argument dabei ist tatsächlich die Einsicht, dass die Eltern die Verantwortung tragen, täglich ein Medikament zu geben und dies nicht zu vergessen. Das trauen sich dann doch die wenigsten zu.
Danke an C.P. für den Internet-Tipp.
(c) Foto bei Ernie + Katy Newton Lawley