International und auch bei uns wird derzeit über die PrEP diskutiert, die vorbeugende Einnahme von HIV-Medikamenten durch HIV-Negative zum Schutz vor einer Infektion. (PrEP steht für Prä-Expositions-Prophylaxe, also „Vor-Risiko-Vorsorge“.)
In den kommenden Wochen wird die Deutsche AIDS-Hilfe dieser Diskussion auf magazin.hiv Raum geben. Wir möchten damit zu einer vielstimmigen, pragmatischen und von gegenseitigem Respekt geprägten Debatte beitragen.
Wir wollen die Debatte: vielstimmig, pragmatisch, respektvoll
Es geht hierbei unserer Ansicht nach nicht um ein einfaches Dafür oder Dagegen, sondern um das sorgfältige Bedenken verschiedener Aspekte und Fragen sowie das Ausloten verschiedener Möglichkeiten.
Aus diesem Grund wollen wir
- darstellen, was eine PrEP eigentlich ist, welche Formen es bereits gibt und welche derzeit erforscht werden,
- HIV-positive und HIV-negative Aktivisten zu Wort kommen lassen,
- die bisherige Debatte um die PrEP für schwule Männer nachzeichnen,
- uns mit dem Thema PrEP für Frauen beschäftigen und
- erörtern, wie die PrEP finanzierbar werden könnte.
Wir laden unsere Leserinnen und Leser herzlich dazu ein, sich an der Debatte zu beteiligen – durch Kommentare oder durch eigene Beiträge. Wir sind dabei offen für alle Positionen und beteiligen uns natürlich auch selbst an der Debatte.
Die Haltung der Deutschen AIDS-Hilfe
Die Deutsche AIDS-Hilfe hat in den vergangenen Monaten eine differenzierte Haltung zur aktuellen Diskussion um die PrEP entwickelt, die wir hier in Stichpunkten umreißen:
- Weitere Optionen zum Schutz vor HIV sind aus unserer Sicht sehr wünschenswert. Jede wirksame Methode ist uns willkommen.
- Das Beste kommt erst noch. Die derzeit verfügbare Form der PrEP (tägliche Einnahme des Medikamentes Truvada auf unbestimmte Zeit) ist noch nicht optimal. Die erforderliche Konsequenz bei der dauerhaften Einnahme der Pillen („Therapietreue“) fiel in den bisherigen Studien vielen Menschen schwer, was die Schutzwirkung erheblich geschwächt hat. Die Dauer-PrEP mit Truvada kann auch Nebenwirkungen haben.
- Wir wünschen uns einfacher anwendbare Formen der PrEP. Sie könnten die Therapietreue erleichtern. Verschiedene Varianten werden zurzeit erforscht, zum Beispiel Monats-/Dreimonatsspritzen und die PrEP nach Bedarf, etwa anlässlich des Besuchs einer Sexparty. Mit Spannung erwarten wir die Ergebnisse der IPERGAY-Studie, die zurzeit in mehreren Ländern untersucht, ob eine kurzfristige PrEP-Einnahme ausreichen könnte. Dabei beginnt man kurz vor einem entsprechenden Anlass mit der Einnahme und setzt sie danach noch zwei Tage fort. Erste Ergebnisse der Studie sollen 2016 veröffentlicht werden. Zurzeit werden noch Studienteilnehmer gesucht.
- Eine praktikable PrEP kann eine weitere Option zum Schutz vor HIV sein. Für welche Menschen und Gruppen sie in Frage kommt, das möchten wir herausfinden – gemeinsam mit Akteuren der Prävention und potenziellen Nutzern.
- Skepsis gegenüber der jetzigen Form der PrEP bedeutet nicht, dass wir sie jemandem „vorenthalten“ wollen. Achtung vor der Selbstbestimmung des Einzelnen gehört zu unseren Grundwerten.
- Eine gut funktionierende PrEP könnte eines Tages für bestimmte Personengruppen von Krankenkassen finanziert werden. Dafür wären Vereinbarungen mit einzelnen Kassen notwendig (wie schon üblich bei Schutzimpfungen für bestimmte Reisen). Dass die PrEP eine generell verschreibungsfähige Kassenleistung wird, ist sehr unwahrscheinlich. Vergleichbare Produkte (Kondome, Anti-Baby-Pille) sind auch nicht erstattungsfähig.
- Wir treten dafür ein, dass HIV-Medikamente für alle, die sie brauchen, zugänglich sind. Das gilt auch für die PrEP. Wirksame Formen der PrEP müssen finanzierbar sein. Hier könnte der Ablauf des Patentschutzes von Truvada im Jahr 2017 eine Rolle spielen. Für eine kurzfristige, anlassbezogene PrEP würden zudem viel weniger Pillen benötigt. Energie in die aussichtslose Forderung nach einer allgemeinen Finanzierung der heute verfügbaren PrEP zu investieren, erscheint uns nicht sinnvoll.
- Vorrang hat für uns der gesicherte Zugang zu HIV-Medikamenten für HIV-Positive. Weltweit gibt es noch immer mehr als sechs Millionen Menschen, die dringend eine HIV-Therapie benötigen, sie aber nicht erhalten. In Deutschland ist der Zugang für Menschen ohne Papiere noch immer nicht gewährleistet!
- Vordringlich ist für uns ebenso der gesicherte Zugang zur Hepatitis-C-Behandlung nach den neuesten Empfehlungen.
- Die PrEP ist kein Wundermittel. In manchen Medienberichten und Kommentaren wurden Truvada enorme Kräfte zugeschrieben. Aids besiegen werden wir aber nicht mit Pillen allein, sondern nur, wenn wir das HIV-Stigma aufbrechen, das immer noch viele vom HIV-Test und von der lebensrettenden Behandlung abhält.
Keine Prävention ohne Engagement gegen Stigma und Diskriminierung
Über die PrEP-Debatte darf nicht in Vergessenheit geraten: Die wichtigste Grundlage der HIV-Prävention bleibt das Engagement gegen Stigmatisierung und Diskriminierung. Denn HIV hat viele Helfer, gegen die noch keine Tabletten entwickelt wurden: Armut, mangelnde Bildungsressourcen, Ausgrenzung und Kriminalisierung von Menschen mit HIV und der von HIV besonders Bedrohten. Über diese strukturellen Barrieren zur Gesundheit müssen wir reden.
Unser Ziel bleibt dabei der Zugang zu Prävention, Diagnostik und Versorgung für alle. Wie bei all unseren Präventionsmaßnahmen gilt: Wir möchten Menschen dazu befähigen, sich selbst und andere zu schützen. Welche Rolle die PrEP dabei spielen kann, gilt es nun zu beantworten.
Als ersten Beitrag veröffentlichen wir den Text „HIV-PrEP: HIV-Medikamente für Negative zum Schutz vor einer Ansteckung“. Darin erklären wir, was eine HIV-PrEP eigentlich ist und welche Formen der PrEP es gibt.