Innovation ist schön und gut, erklärte uns der Redner, aber ohne Diffusion ist sie wertlos. Und er illustrierte dies mit einer Geschichte vom englischen Handelskapitän Lancaster, der im Jahr 1601 nach Indien segelte. Hauptproblem langer Seereisen war damals die Krankheit Skorbut, an der die Seeleute reihenweise zugrunde gingen. Lancaster konnte klar nachweisen, dass Obst das Problem löste: Auf seinem Flaggschiff wurde der Besatzung täglich etwas Zitronensaft verabreicht, auf den anderen Schiffen der Flotte nicht. Die Ergebnisse der unbeabsichtigt durchgeführten kontrollierten Studie war eindeutig: Während auf dem ersten Schiff kaum Skorbut auftrat, hatten die zitronenfreien Schiffe die gewohnte Verlustquote. Lancaster schrieb an die Admiralität: Zitronen verhindern Skorbut.
Dennoch führte die englische Marine erst 1795 Obst auf ihren Schiffen ein. Erst 194 Jahre und unzählige tote Seeleute später fasste die Innovation des Kapitän Smith in der damals größten Flotte der Welt Fuß. Was war schief gegangen? Der Innovation war keine Diffusion gefolgt, sie konnte sich nicht verbreiten und durchsetzen.
Was Caspar Graf Stauffenberg hier zum Abschluss des diesjährigen Innovationskonvents des Medizin-Management-Verbands so bildhaft darstellte, traf den Kern der Veranstaltung. Schon Schirmherr Prof. Heinz Riesenhuber hatte in seinem Grußwort zu Beginn angemahnt, dass Innovationen ihren wahren Wert erst entwickeln, wenn man darüber spricht und die Kenntnis davon verbreitet.
Genau diesem Zweck dient der Medizin-Management-Preis, der am 12. September zum vierten Mal verliehen wurde. Gesucht waren innovative Projekte, die Potenziale der Gesundheitsbranche wecken helfen. 37 Bewerber hatten es auf die Shortlist geschafft und durften ihre Projekte unter den kritischen Augen der Jury präsentieren.
Der Zeitplan war straff: Nach einer warmen und motivierenden Rede von Schirmherr Prof. Heinz Riesenhuber standen jedem Bewerber 5 Minuten zur Verfügung, um sein Projekt zu präsentieren. Das Spektrum der Projekte war breit: Chefärzte präsentierten Forschungsnetzwerke, IT-Spezialisten zeigten computergestützte Dokumentationssysteme, Jungunternehmer stellten iPad-Patientenakten vor. Es ging um Lösungen für den Ärztemangel, Vereinfachungen aufwändiger Prozesse, Vernetzungen bisher getrennt laufender Aktivitäten. Am Ende musste die Jury entscheiden. Geehrt wurden:
- Den ersten Platz belegte der elektronische Behandlungskalender EPI-Vista®, der vom Norddeutschen Epilepsiezentrum vorgestellt wurde. Dieses webbasierte Patiententagebuch ermöglicht es Patienten und ihren Eltern, den Krankheitsverlauf tagesaktuell zu dokumentieren und den behandelnden Ärzten zugänglich zu machen.
- Zweitplatzierter wurde das Weaning-Projekt der Lungenklinik Ballenstedt, das bei der Entwöhnung von invasiver Langzeitbeatmung neue Wege geht, die Intensivmedizin und Rehabilitation eng verflechten.
- Den dritten Preis erhiet das Berliner Netzwerk für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz der Stiftung Pinel. Es erreichte durch eine neue Versorgungssteuerung bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychiatrischer Diagnosen erhebliche Verbesserungen für Patienten und Prozesse.
Wie schon im letzten Jahr wurde zudem ein Publikumspreis verliehen, für den jeder Zuhörer des Innovations-Kkonvents seine Stimme abgeben durfte. Sieger wurde das Projekt „Lebensfreude“ der Ärztenetz Südbrandenburg Consult GmbH, das sich um eine Verbesserung der Betreuung und Versorgung von Demenzkranken und ihren Angehörigen bemüht.
So ging gegen Abend ein in dieser Form und Dichte selten zu erlebendes Panorama der Innovationskraft der deutschen Gesundheitsbranche zu Ende. Ein Panorama, das seinen Beitrag dazu leistet, dass Innovationen nicht unbemerkt versickern wie Kapitän Lancasters Skorbut-Kur, sondern bekannt werden und die Gesundheitsbranche in ihrer Breite befruchten und verbessern helfen.
- Weitere Informationen zu Gewinnern und Bewerbern beim Medizin-Management-Preis 2014