Seit Anfang Juli 2014 ist die DAH-Bundesgeschäftsstelle Gastgeber für AIDS Action Europe. Koordinator Michael Krone erklärt im Gespräch mit Christine Höpfner, wie das Netzwerk arbeitet und was es erreichen will.
Michael, was macht AIDS Action Europe genau, und woher kommen die Mitglieder?
AIDS Action Europe hat sich 2002 gegründet, um den Entscheidungsträgern in der europäischen Politik, der Verwaltung und den Institutionen die Stimme der zivilgesellschaftlichen Organisationen zu Gehör zu bringen, die für die Anliegen der HIV-Community und der von HIV bedrohten Gruppen einstehen. So hat AAE zum Beispiel den Co-Vorsitz im HIV/AIDS Civil Society Forum, das die Europäische Kommission berät. Mittlerweile vertreten wir 439 NGOs, Netzwerke und Aidshilfe-Organisationen aus 47 Ländern in Europa und Zentralasien. 161 stammen aus den 28 Mitgliedstaaten der Union, davon 65 aus den neuen EU-Ländern. Aus den Staaten außerhalb der EU, vor allem aus Osteuropa und Zentralasien, kommen 272 Netzwerkmitglieder.
439 NGOs, Netzwerke und Aidshilfe-Organisationen aus 47 Ländern
Bei dieser regionalen Verteilung wird es sicherlich sehr unterschiedliche Interessenlagen geben.
Stimmt. Deshalb vertritt AIDS Action Europe neben den Interessen des Gesamtnetzwerks immer wieder auch spezielle Belange von Mitgliedern aus bestimmten Regionen, so etwa aus Osteuropa, um auf EU-Ebene politisches Handeln gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und Trans*Menschen anzumahnen. Ein anderes Beispiel ist die Substitutionsbehandlung auf der Krim, die seit der Annexion der Halbinsel durch Russland nicht mehr durchgeführt werden kann.
Was jeweils in die EU-Politik eingebracht werden soll, entscheidet ein achtköpfiges Steuerungsgremium, das ähnlich wie ein Vereinsvorstand die Themen und Ziele der gemeinsamen Arbeit festlegt. Einen ständigen Sitz in diesem höchsten Netzwerkorgan haben die European AIDS Treatment Group, der Co-Vorsitzende des Civil Society Forums und seit Juli 2014 die Deutsche AIDS-Hilfe als Gastgeberin, die übrigen Sitze werden alle drei Jahre neu vergeben.
Das Büro von AIDS Action Europe war über zehn Jahre in Amsterdam. Warum der Umzug nach Berlin?
Unser bisheriger Gastgeber, Soa Aids Nederland, hat viel Zeit, Geld wie auch Woman- und Manpower in die Arbeit von AIDS Action Europe investiert und das Netzwerk zu einem angesehenen und wichtigen Akteur gemacht. Nach über zehn Jahren konnte Soa die Arbeit aber nicht mehr wie gewohnt weiterführen – es war also Zeit für einen Wechsel.
Und hier kam die Deutsche AIDS-Hilfe ins Spiel, die als große NGO mit viel Erfahrung, vielen Kontakten und bewährten Strukturen einen Beitrag zur Erreichung der Netzwerkziele leisten kann. Die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in alle Entscheidungsprozesse ist für uns seit je sehr wichtig, in vielen Ländern aber unter Druck geraten. Deshalb wollen wir dem Netzwerk einen neuen Energieschub verpassen.
„Wir wollen dem Netzwerk einen neuen Energieschub verpassen“
Dazu braucht es auch jede Menge Austausch. Wie wird der organisiert?
Die Kommunikation im Netzwerk funktioniert zum einen über die Website aidsactioneurope.org, zum anderen über die Onlineplattform „HIV/AIDS Clearinghouse“, auf der die Mitglieder Beispiele für gute HIV- und Aids-Prävention vorstellen und sich über ihre Erfahrungen austauschen. Auch hier wollen wir für frischen Wind sorgen: Auf der To-do-Liste steht ein neues Design für unsere Website, ebenso ein Relaunch der Onlineplattform mit mehr interaktiven Kommunikationsformen.
Gibt’s bei AIDS Action Europe auch Projektarbeit?
Sicher! Projekte spielen neben der Website und dem Clearinghouse eine wichtige Rolle, auch was die Schaffung von so etwas wie einer „Corporate Identity“ angeht. AIDS Action Europe ist ja kein eingetragener Verein mit festen Statuten, sondern ein loser Zusammenschluss recht unterschiedlicher Akteure. Die Zusammenarbeit in Projekten verbindet und stärkt das Gefühl, einer gemeinsamen Sache zu dienen.
Durch gemeinsame Projekte zu einer „Corporate Identity“
Aber natürlich wollen wir mit Projekten vor allem nach außen wirken. Zum Beispiel mit „Improving Quality in HIV Prevention in Europe“, ein Projekt zur Verbesserung der HIV-Prävention in Europa. Oder mit dem „European HIV Legal Forum“, das auf gleiche Gesundheitschancen für alle zielt und sich dafür einsetzt, dass Migranten ohne Krankenversicherung Zugang zum HIV-Test und zu medizinischer Behandlung bekommen.
Was will das Netzwerk sonst noch erreichen, was sind die nächsten Ziele?
Wir wollen erreichen, dass die mit HIV lebenden Menschen und Communities in alle sie betreffenden Entscheidungen einbezogen werden. Und wir wollen voneinander lernen, um die HIV-Prävention in Europa zu verbessern. Angesichts der Tatsache, dass in Europa und Zentralasien ungefähr 2,3 Millionen Menschen mit HIV leben, die Infektionsrate in einigen Ländern immer noch steigt, Menschen mit HIV immer noch stigmatisiert und ausgegrenzt werden und der universelle Zugang zu Prävention, Behandlung, Versorgung und Unterstützung noch längst nicht gegeben ist, bleibt hier jede Menge zu tun. Und das gilt natürlich auch für die Hepatitis C.
Was macht es für dich attraktiv, ein solches Netzwerk zu koordinieren?
Nun, ich arbeite schon seit 2005 auf internationaler Ebene: Damals übernahm ich die Koordination von LINK-UP, einem in der DAH angesiedelten Teilprojekt des arbeitsmarktpolitischen EU-Programms EQUAL. Und in den letzten vier Jahren war ich in der Ukraine tätig. Mich interessiert das Voneinander-Lernen, der Austausch über Grenzen hinweg, das Weitertragen „guter Praxis“ – das zu koordinieren und kulturell unterschiedliche Organisationen zusammenzuführen, macht mir einfach Spaß.
Vielen Dank für das Gespräch, Michael!