Ausweitung der Aktion In der Ausgabe der PraxisNachrichten vom 25.09.2014 bietet die KBV zu der Aktion „Wir arbeiten für Ihr Leben gern“ Ärzten neue Materialien für das Wartezimmer an. Bei näherer Betrachtung stellt sich aber die Frage, ob die offerierten Unterlagen wirklich praxistauglich sind. Die Kampagnen-Bilder für das Wartezimmer? Die Poster entsprechen – bis auf […]
Related Posts
Interview | Die dringenden Probleme im deutschen Gesundheitswesen – Zwischenergebnisse des Ausschusses Dringende Probleme
Vor kurzen hat das Young Lions Gesundheitsparlament ein gemeinsames Ergebnispapier erstellt und veröffentlicht. Im Blog möchten wir die Zwischenergebnisse der einzelnen Ausschüsse im Detail vorstellen. Den Anfang macht der Ausschuss Dringende Probleme und die Vorsitzende Lydia Neubert im Interview.
Liebe Frau Neubert, was sind die dringenden Probleme im deutschen Gesundheitswesen?
Wir haben beim Start des Gesundheitsparlamentes vor allem die dringenden Probleme der Patienten in den Fokus unserer Arbeit gestellt. Mögliche Änderungen für Patienten haben dann natürlich auch Auswirkungen auf alle anderen beteiligten Gruppen im Gesundheitssystem.
Bereich eins unserer Arbeit war das Thema der Fehlversorgung von Patienten. Damit wollten wir nicht nur den die Unterversorgung, sondern auch eine mögliche Überversorgung betrachten. Anfangs betrachteten wir das Ziel der pflegerischen und medizinischen Fehlversorgung parallel, aktuell fokussieren wir uns auf den pflegerischen Bereich.
Als zweites Problem haben wir die fehlende Übersichtlichkeit an Informationen und deren Güte für Patienten identifiziert. Dabei ging es zum einen um die individuellen Gesundheitsinformationen, wie auch die Möglichkeiten der objektiven und allgemeinverständlichen Informationsbeschaffung für Patienten.
Als drittes Thema wollten wir zudem die Qualität der Gesundheitsversorgung angehen. Da dieses Thema häufig zu Überschneidungen mit den anderen Bereichen führte, haben wir es zunächst zurückgestellt bzw. wo möglich integriert.
Österreichs Medien bemerken Pharmawerbung
Österreich ist ein Eldorado für “Disease-Awareness-Kampagnen”, mit denen das Werbeverbot für Medikamente trickreich umgangen wird. Den Pharmaunternehmen stehen für diese Aktionen Patientenverbände, Fachgesellschaften, professorale Mietmäuler, Sozialversicherung, Lokalprominenz und sogar das Gesundheitsministerium zur Seite. Einen gehörigen Anteil an dem Boom haben PR-Agenturen im Hintergrund. Wenn ich aus einem Blogeintrag vom Februar 2007 zitieren darf:
Besonders das Wirken von Robert Riedl, dem Inhaber der auf Gesundheitsthemen spezialisierten PR-Agentur Welldone und des Lobbyingbüros Peri Consulting, ist durch einen Artikel im Wirtschaftsmagazin “Trend” aufgefallen.
Der Standard beschäftigt sich aktuell mit einer Kampagne für rheumatoide Arthritis und stösst dabei auf das Pharmaunternehmen Wyeth und Riedls Netzwerk.
Hätte grosse Lust am 21. einen Trip nach Wien zu machen und mir das Schauspiel anzusehen.
MS Informationstag "Aus der Forschung für die Praxis" 2015
Was waren die Themen am MS-informationstag? Was gibt es Neues?
Am 7. Februar 2015 führte das Universitätsspital Basel und die MS-Gesellschaft die traditionelle Informationsveranstaltung „Aus der Forschung für die Praxis“ durch, siehe frühere Berichte. Nachfolgend eine Auswahl, der für mich bemerkenswerten Themen der Informationsveranstaltung.
Reiten als Therapie
Ursina Wanner stellte die Hippotherapie K® vor. Bei der MS-Reha hört man schnell einmal von der Hippotherapie. Als Laie stellt man sich die Hippotherapie einfach als „ein bisschen Reiten“ vor. Hippotherapie K® ist nicht aktives Reiten. Sondern die Betroffenen sind auf dem Rücken der Pferde. Der bewegende Pferderücken überträgt sich auf den passiv reitenden Menschen. Für Betroffene, die nicht mehr selbst gehen können oder Spastiken haben, ermöglicht die Hippotherapie eine Bewegung des Beckens. Die Reiter sind dabei in einer aufrechten Position, wie wenn sie selbst wieder gehen würden. Bei den meisten anderen Therapien sitzen oder liegen die Patienten. Die Hippotherapie wurde 1966 von der Physiotherapeutin Künzle in Basel erfunden. Die Hippotherapie wird bei MS von den Krankenkassen übernommen, nicht bei anderen Krankheiten.
Was tun bei Blasenstörungen?
Die Urologin Sandra Möhr hat über eines der häufigsten MS-Symptome informiert – Blasenstörungen. Sie hat gezeigt, dass das nicht von ungefähr ist. Die Blase wird über lange Nervenbahnen vom Hirn und Rückenmark aus gesteuert. Lange Leitungen haben eine grössere Wahrscheinlichkeit von Läsionen (Entzündungen) befallen zu werden. Lange Zeit sind Blasenstörungen nicht gross störend. Sie werden kompensiert. Z.B. durch Pressen der Bauchmuskeln, teilweise geschieht dies auch unbewusst. Interessant waren auch die Hilfsmittel, für Frauen und Männer naturgemäss andere. Bei Männern gibt es beispielsweise „Urinkondome“, die kleine Urinmengenverluste während des Tages aufnehmen können. Ein einfaches, aber praktisches Hilfsmittel.
Die Schweizer MS Kohortenstudie: ein Update
Jens Kuhle informierte über die MS Kohortenstudie. Die Kohortenstudie will eine Patientengruppe (Kohorte) über mehrere Jahre regelmässig verfolgen und untersuchen, um so langfristige Resultate von Patienten unter Alltagsbedingungen zu erhalten. 735 Patienten mit insgesamt 1805 Visitationen und 979 MRIs wurden bisher erfasst. Die Leute sind durchschnittlich 1 Jahr dabei (Median 1 J.). Die Kohortenstudie wird von der MS-Gesellschaft und zahlreichen Pharmaunternehmen bezahlt.
Angehörigensupport und neue Homepage der MS-Gesellschaft
Susanne Kägi informierte als Bereichsleiterin Pflege- und Angehörigensupport der MS-Gesellschaft über die neue Dienstleistung Angehörigensupport. Nicht nur Betroffene selbst brauchen Unterstützung durch die MS-Gesellschaft, sondern auch die Angehörigen. Die Pflege von MS-Betroffenen kann schwierig und herausfordernd sein.
Nicole Jolley präsentierte als Bereichsleiterin IT und Digitale Kommunikation der MS-Gesellschaft über die neue MS-Gesellschafts-Homepage.
Kinect – mehr als nur eine Videokamera
Marcus D’Souza zeigte, die Fortschritte bei der Kinect-Kamera. Die Kinect-Kamera wurde für die Spielkonsole X-Box von Microsoft entwickelt und nimmt Entfernungen auf. Das Kinect-System wurde bereits letztes Jahr an der Informationsveranstaltung gezeigt. Damals war es noch in einem frühen Stadium. Mittlerweile ist das System gereift und es können bestimmte EDSS-Messungen durchgeführt werden, z.B. der Finger-Nase-Test. Das Kinect-System hat den Vorteil, dass der Computer die Messung immer gleich durchführt. Zusätzlich können die Patienten, die Messungen selbständig zu Hause mit dem Gerät durchführen können. Eine tägliche Messung ist aussagekräftiger als nur punktuelle Messungen, die nur Momentaufnahmen. Die Studie wird zusammen mit Microsoft, dem Hersteller des Kinect-Systems und anderen Universitätsspitälern durchgeführt. Das Kinect-System ist interessant bei klinische Studien, motorische Messungen könnten so besser durchgeführt werden.
Können elektrophysiologische Untersuchungen die Zukunft vorhersagen?
Prof. Peter Fuhr gab Einblick in seine Forschung in seine Forschungen. Er untersucht die evozierten Potentiale („Spannungsmessungen von Gehirnbereichen“). Früher wurden evozierten Potentiale routinemässige zur MS-Diagnose eingesetzt. Seit dem Aufkommen der MRIs werden sie nicht mehr eingesetzt, nur noch zu Forschungszwecken. Seine Forschungen haben ergeben, dass die Messungen der evozierten Potentiale den MS-Verlauf prognostizieren können, zumindest im statistisch gesehen. Die Studie wurde nur mit relativ wenigen Patienten durchgeführt. Wenn Effekte mit einer kleinen Anzahl statistisch signifikant ist, dann ist der Effekt normalerweise gross. Das Vortrag von Peter Fuhr hat mir gefallen, er ist als typischer Wissenschafts-Professor aufgetreten, andere wirken im Gegensatz eher wie Manager.
Therapien bei MS: Noch mehr Optionen – echter Fortschritt?
Prof. Ludwig Kappos informierte über Entwicklungen seit dem letzten Mal bei den MS-Medikamenten. Die noch nicht veröffentlichte Studie von Fingolimod (Gilenya) zur progredienten MS zeigte leider ein negatives Resultat. Fingolimod (Gilenya) hilft nicht bei der progredienten MS.
Bislang wird die Eskalationstrategie bei den Medikamenten eingesetzt, wenn ein MS-Medikament nicht hilft, wird ein stärkeres eingesetzt. Die Medikamente müssen regelmässig eingenommen werden. Mit dem neuen, starken Medikament Alemtuzumab (Lemtrada®) gibt es eine neue Therapieform: die Indukationstherapie. Diese Therapieform führt zu einer radikalen Veränderung und wird einmalig oder zweimalig durchgeführt, nicht mehr. Beispielsweise Alemtuzumab löscht vereinfacht gesagt das Immunsystem aus, so dass sich ein neues hoffentlich gesundes Immunsystem herausbilden kann. Das radikale Medikament Alemtuzumab hat ein erhöhtes Risiko, beispielsweise andere Immunerkrankungen können hervorgerufen werden. Die Hoffnung ist eine nachhaltige Besserung. Kurz gesagt, Alemtuzumab ist eine Lotterie.
Prof. Ludwig Kappos stellte das NEDA (No evidence of disease activity) Konzept bei MS vor: keine Evidenz (Belege) der Krankheitsaktivität. Bei NEDA ist das Ziel, dass bei MS keine Schübe mehr auftreten, keine Läsionen mehr im MRI vorhanden sind, keine Progression auftritt. Kurz, dass kein Krankheitsfortschreiten mehr feststellbar ist. Das entspricht einer Null Toleranz Strategie. Beim Verfolgen von NEDA werden deshalb häufig, auch bei gutem Gesamtzustand, wirksame bis sehr wirksame Therapien eingesetzt. Der Nutzen und das Risiko müssen abgewogen werden.
Interessenkonflikte
Prof. Kappos deklarierte als einziger seine Interessenkonflikte. Die Sponsorenliste am Schluss von anderen Vortragenden lässt teilweise auch auf Interessenkonflikte schliessen. Leider haben die anderen Redner ihre Interessenkonflikte nicht offen und vorgängig deklariert, so wie es die SAMW-Richtlinien in der Schweiz vorsehen.
Fazit
Für Betroffene finde ich es wichtig sich zu informieren. Wissen hilft. Alle Informationen müssen aber auch kritisch hinterfragt werden.
Diese Informationsveranstaltung hatte ein breites Themenspektrum. Erfreulicherweise standen die MS-Medikamente nicht im Fokus. Der Höhepunkt für mich waren die Fortschritte beim Kinect-System.