Die Rechte von Sexarbeiterinnen in Deutschland sollen gestärkt werden. Dies fordern Fachleute aus Wissenschaft, Praxis und Politik in Nordrhein-Westfalen.
Vier Jahre lang hat der „Runde Tisch Prostitution“ im bevölkerungsreichsten Bundesland beraten, seit gestern liegt sein Abschlussbericht auf dem Tisch. Die Expertinnen und Experten, darunter Vertreter von Ministerien, Beratungsstellen, dem Landeskriminalamt, der Aids-Hilfe NRW und den Kommunen, sprechen sich darin dafür aus, die Stigmatisierung der Prostituierten, aber auch ihrer Kunden abzubauen.
Bordelle und bordellähnliche Betriebe sollten allerdings reguliert werden, um Mindeststandards bei Hygiene und Arbeitsbedingungen sicherzustellen, betonte die Leiterin des Gremiums, Ministerialdirigentin Claudia Zimmermann-Schwartz, bei der Präsentation des fast 100-seitigen Berichts.
Der Runde Tisch Prostitution will damit auch Impulse für die von der Bundesregierung geplante Reform des umstrittenen Prostitutionsgesetzes von 2002 liefern. Die in der Neufassung vorgesehene Anmeldepflicht für Prostituierte etwa lehnt der Runde Tisch ebenso ab wie eine Heraufsetzung des Mindestalters für Sexarbeiterinnen auf 21 Jahre.
Auch eine Kondompflicht ist laut dem Gremium „epidemiologisch kaum zu begründen“. Darüber hinaus fehlten angemessene Kontrollmöglichkeiten. Stichprobenartige Kontrollen durch zivile Beamte, die sich (wie in München praktiziert) als Freier ausgeben, seien nicht sinnvoll. „Sie treffen nur die Sexarbeiterinnen, nicht die Kunden, und untergraben das zur Bekämpfung der Begleitkriminalität notwendige Vertrauen zwischen Polizei und Prostituierten“, argumentieren die Sachverständigen. Angeregt wird stattdessen ein Werbeverbot für ungeschützten Sex.
Für die häufig vertretene These, der Menschenhandel habe mit dem rot-grünen Gesetz von 2002 zugenommen, konnte der Runde Tisch keine Belege liefern, erklärte Zimmermann-Schwartz laut einem Bericht der Westdeutschen Zeitung. Sie kritisiert allerdings, dass der Markt ohne jede soziale Grenzen und Regulierungen freigegeben worden sei. Dies habe zu teilweise unhaltbaren und unwürdigen Zuständen geführt, darunter etwa Flatrate-Bordelle oder auch Großbordelle.
Gesundheitsministerin Steffens (DIE GRÜNEN) erklärte bei der Entgegennahme des Berichts: „Prostitution lässt sich nicht verbieten, und Prostitution ist auch kein Beruf wie jeder andere. Aber wer diese Tätigkeit ausüben will, soll dies unter rechtsstaatlichen und menschenwürdigen Bedingungen tun können.“ Klar sei, dass Probleme nicht durch Stigmatisierung und Verbote gelöst werden könnten. Notwendig sei daher eine sehr differenzierte Auseinandersetzung, so die Ministerin weiter.
(ascho)
Link zum Abschlussbericht des „Runden Tisches Prostitution“ (PDF-Datei)
Link zur Pressemitteilung des Ministeriums