Der Deutsche Bundestag hat heute in zweiter und dritter Lesung das erste Pflegestärkungsgesetz beschlossen. Es sieht umfangreiche Leistungsverbesserungen vor, die zum 1. Januar 2015 wirksam werden. Die Leistungen in der ambulanten Pflege steigen um rund 1,4 Mrd. Euro, für die stationäre Pflege sind Verbesserungen im Umfang von rund 1 Mrd. Euro vorgesehen. Der Bundesrat muss sich noch abschließend mit dem Gesetz befassen.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: „Wir haben für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen ein gutes Leistungspaket geschnürt. Mit dem Pflegestärkungsgesetz helfen wir Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, die Pflege zu Hause zugeschnitten auf ihren Bedarf zu organisieren. Dabei können sie – finanziert durch die Pflegeversicherung – die Unterstützung durch professionelle Pflegekräfte, aber auch durch Haushaltshilfen, Alltagsbegleiter oder ehrenamtliche Helfer in Anspruch nehmen. Außerdem wollen wir die Lebensqualität der Bewohner in Pflegeheimen weiter verbessern. Dazu werden wir die Zahl der Betreuungskräfte in Pflegeheimen von heute 25.000 auf 45.000 aufstocken. Durch mehr Betreuungskräfte und den Bürokratieabbau in der Pflegedokumentation, den wir vorantreiben, entlasten wir auch die Pflegekräfte in ihrer wichtigen Arbeit. Außerdem verbessern wir die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Wer kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss, etwa nach einem Schlaganfall, kann künftig eine zehntägige bezahlte Auszeit vom Beruf nehmen. Dafür stellen wir rund 100 Millionen aus der Pflegeversicherung bereit. Wir werden jetzt zügig das zweite Pflegestärkungsgesetz vorbereiten, damit die weiteren Verbesserungen durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff noch im Jahre 2017 wirksam werden können.”
Das heute beschlossene Gesetz ist zugleich Wegbereiter für das zweite Pflegestärkungsgesetz, das im kommenden Jahr beschlossen werden soll. Damit wird ein neues Verfahren zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit eingeführt, mit dem erstmals auch der Unterstützungsbedarf bei kognitiven und psychischen Einschränkungen, insbesondere bei Demenz, in der Pflegeversicherung berücksichtigt wird. Derzeit läuft die wissenschaftlich begleitete Erprobung dieser Einführung. Rund 4.000 Pflegebedürftige werden dabei sowohl nach bisherigem als auch nach geplantem neuen Recht begutachtet. Die Ergebnisse der Erprobung liegen bis Anfang des kommenden Jahres vor und werden in die Gesetzgebungsarbeit einfließen.
Das Pflegestärkungsgesetz beinhaltet zudem zwei Regelungen im Krankenhausbereich: Den gesetzlichen Krankenkassen werden Modellvorhaben für ein risikobasiertes Screening auf bestimmte multiresistente Erreger im Vorfeld eines Krankenhausaufenthaltes ermöglicht. Zudem werden der zur Stabilisierung der Finanzlage der Krankenhäuser eingeführte Versorgungszuschlag und der Mehrleistungsabschlag über 2014 hinaus verlängert. Belastungen der Krankenhäuser durch die sogenannte “doppelte Degression” werden damit neutralisiert und die Finanzlage der Häuser stabilisiert
Die Verbesserungen des ersten Pflegestärkungsgesetzes im Einzelnen:
· Die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden um 4 Prozent erhöht, um die Preisentwicklung der letzten drei Jahre zu berücksichtigen (2,67 Prozent für die erst 2012 mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz eingeführten Leistungen).
· Die Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege werden ausgebaut und können besser miteinander kombiniert werden. Tages- und Nachtpflege kann künftig ungekürzt neben den ambulanten Geld- und Sachleistungen in Anspruch genommen werden. Menschen in der sog. Pflegestufe 0 (Demenzkranke) haben erstmals einen Anspruch auf teilstationäre Tages-/ Nachtpflege, Kurzzeitpflege, den Zuschlag für Mitglieder von ambulant betreuten Wohngruppen sowie auf die Anschubfinanzierungsleistungen für die Gründung ambulant betreuter Wohngruppen.
· Der Anspruch auf Betreuungsleistungen in der ambulanten Pflege für niedrigschwellige Angebote wird ausgeweitet. Auch Pflegebedürftige mit Pflegestufen 1 bis 3 erhalten künftig einen zusätzlichen Betreuungsbetrag von bis zu 104 Euro pro Monat. Für Demenzkranke steigt er leicht auf 104 bzw. 208 Euro pro Monat. Neue zusätzliche Entlastungsleistungen werden eingeführt, etwa für Hilfe im Haushalt oder Alltagsbegleiter und ehrenamtliche Helfer. Bis zu 40 % des Leistungsbetrags der ambulanten Pflegesachleistung kann zukünftig für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote eingesetzt werden.
· Der Zuschuss zu Umbaumaßnahmen (z.B. Einbau eines barrierefreien Badezimmers) steigt deutlich von bisher 2.557 auf bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Wohnen mehrere Anspruchsberechtigte zusammen, kann sogar ein Betrag von bis zu 16.000 Euro eingesetzt werden. Für Pflegehilfsmittel des täglichen Verbrauchs steigen die Zuschüsse von 31 auf 40 Euro pro Monat.
· Auch die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf wird verbessert. Die Pflegeversicherung zahlt ab 2015 ein Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung für eine zehntägige bezahlte Freistellung vom Beruf für die Pflege eines Angehörigen. Das Gesetz stellt dafür 100 Millionen Euro zur Verfügung. Die Einzelheiten regelt das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, das das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. .
· Durch die Verbesserung des Betreuungsschlüssels auf 1:20 kann die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte in den Heimen von bisher 25.000 auf bis zu 45.000 aufgestockt werden.
· Es wird ein Pflegevorsorgefonds aufgebaut und mit den Einnahmen aus 0,1 Beitragssatzpunkten (1,2 Mrd. Euro jährlich) finanziert. Dieser wird ab 2035 zur Stabilisierung des Beitragssatzes genutzt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen.
· Mit der im Rahmen des ersten Pflegestärkungsgesetzes zum 1. Januar 2015 erfolgenden Beitragssatzerhöhung um 0,3 Prozentpunkte wird auch der finanzielle Spielraum für das geplante Pflegeunterstützungsgeld geschaffen. Diese bis zu zehntägige Lohnersatzleistung dient pflegenden Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation zur Organisation einer bedarfsgerechten Pflege.
· Die Anerkennung der Wirtschaftlichkeit von tariflicher und kirchenarbeitsrechtlicher Entlohnung der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen in Vergütungsvereinbarungen wird gesetzlich festgeschrieben. Für Pflegeeinrichtungen sollen damit Anreize gesetzt werden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend zu entlohnen. Gleichzeitig erhalten die Kostenträger ein Nachweisrecht, dass die finanziellen Mittel auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankommen.
Das Gesetz sieht im Vorgriff auf die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs auch Leistungsverbesserungen vor, die in besonderem Maße Menschen mit Demenz zu Gute kommen:
· Demenzkranke mit anerkannter erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz, die nicht in den Pflegestufen 1 bis 3 eingestuft sind (sog. Pflegestufe 0), erhalten erstmals Zugang zu allen ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung.
· Inanspruchnahme von Leistungen der Tages- und Nachtpflege ist zukünftig zu 100 Prozent (d.h. anrechnungsfrei) neben den Sach- und Geldleistungen möglich: Demenzkranke profitieren aufgrund des hohen Betreuungsbedarfs von dieser Flexibilisierung in besonderem Maße.
· Bis zu 40 % des Leistungsbetrags der ambulanten Pflegesachleistung kann zukünftig für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote eingesetzt werden. Davon profitieren insbesondere Demenzkranke und ihre Angehörigen. ,Sie können flexibler und in größerem Umfang niedrigschwellige Betreuungs- und zukünftig auch Entlastungsangebote in Anspruch nehmen.
· Die Jahrespauschalen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können zukünftig flexibler und über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden: Zugunsten der Verhinderungspflege kann bis zu 50% des Jahresbetrags der Kurzzeitpflege verwendet werden; umgekehrt können sogar bis zu 100% des Jahresbetrags der Verhinderungspflege für die Kurzzeitpflege eingesetzt werden (soweit die jeweiligen Leistungen im Kalenderjahr noch nicht verbraucht wurden). Gerade von der deutlichen Flexibilisierung der Verhinderungspflege profitieren Angehörige von Demenzkranken, die oft sehr hohen Belastungen ausgesetzt sind und sich Erholungspausen ermöglichen können.
· Ambulante Wohngemeinschaften, auch für Demenzkranke, können Fördermittel zur altersgerechten und barrierearmen Umgestaltung der Wohnung erhalten. Zudem haben jetzt auch Pflegebedürftige der sog. Pflegestufe 0 erstmals Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag von künftig 205 Euro pro Monat zur Finanzierung einer Unterstützungskraft sowie auf die Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen von 2.500 Euro pro Bewohner (maximal 10.000 Euro).
Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit
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